München gay und gottlos

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CSD-Wagen "Kreuzottern" / Foto: bfg

MÜNCHEN. (bfg/hpd) Der CSD, die ursprünglich politisch motivierte Parade der Homosexuellen- und Transgender-Szene, war diesmal in München am Wochenende 11./12. Juli 09 vom Wetter etwas eher begünstigt als letztes Jahr. Früher noch etwas außerhalb und eher intim gefeiert, nahm die Parade nun gut besucht das ganze Stadtzentrum ein.

"CSD statt CSU“ war eine der häufig zu sehenden Parolen, mehrere politische Parteien waren mit Ständen und gar eigenen Wägen für den Umzug vertreten. Oberbürgermeister Ude hielt eine Rede, die mit recht viel Beifall aber auch einigen Pfiffen bedacht wurde. Werbewägen von einschlägigen Diskos und auch jede Menge Modenschau, Klamauk und Konsum ließen manchmal den politischen und emanzipatorischen Ursprung der nunmehr seit 40 Jahren existierenden Demonstration vermissen. Aber es ist schon ein enormer Fortschritt unserer Gesellschaft, dass Drag Queens und extrem „aufgebretzelte“ Lesben und Schwulen sich jetzt unbeanstandet amüsieren können, ja dass sich die Parteien jetzt sogar ernsthaft um diese Wählergruppe bemühen, die sie früher sicher aus Imagegründen gemieden hätten.

Trotzdem bleibt noch viel zu tun, solange die Politiker sich zwar gerne für diese Wählergruppe interessant machen und auch den Vorteil für den Fremdenverkehr erkannt haben, aber „den Schwanz einziehen“, wenn es dann konkret wird, z.B. bei der Gleichberechtigung von Homo-Ehen u.a. beim Erbrecht.

Der Wagen von Dietmar Holzapfel, Wirt und auch im Vorstand des bfg München, wies bei der CSD-Parade auf weitere Schwachpunkte in der deutschen Politik hin: z.B. auf die mangelnde Trennung zwischen Staat und Kirche, die sich zumindest in der katholischen Variante immer noch verachtend bis mitleidig zu Homosexuellen äußert und vehement gegen eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehe eintritt. Und ein Galgen mit dem Bild zweier junger Männer, die wegen Ihrer Homo-Liebe im Iran hingerichtet wurden sowie Hinweisschilder mit den Strafen, die in verschiedenen Ländern auf Homosexualität stehen, zeigt auf, dass es auch für die Außenpolitik noch viel zu tun gibt, wenn man es mit den Menschenrechten ernst meint. Wieso gibt es keinen Wirtschaftsboykott oder eine Sperre der Entwicklungshilfe, solange bis auch in diesen religiös geprägten Ländern die Menschenrechte eingehalten werden?

Trotz vieler ängstlicher Warnungen wegen des Angriffs auf fundamentalistische Ideen des Islams und der christlichen Kirchen zugleich blieb der Wagen dieses Jahr unbehelligt. Anders als 2007 griff weder die Polizei ein noch gab es Störungen von religiösen Fanatikern. Fast alle Passanten, die den Wagen sahen, streckten die Daumen zustimmend nach oben.

Der bfg München war auch mit einem Stand auf dem CSD vertreten, weil die Forderung nach sexueller Selbstbestimmung in seinem Grundsatzprogramm eine wichtige Rolle spielt. Wie auch Michael Schmid-Salomon sind die Vorstände der Meinung, dass die Sexualität den Knackpunkt in den religiösen Theorien darstellt. Nicht umsonst wird die Sexualität in den monotheistischen Religionen unterdrückt. Der Stand war jedenfalls ein voller Erfolg, zahlreiche T-Shirts mit der Aufschrift „gottlos glücklich“ wurden verkauft und auch für manche Erbtante wurden Geschenke und Devotionalien der „Gesellschaft für sakrales Marketing“ erworben, „Heiliger Stuhl“ und „Heiliger Geist“ im Glas.

Alles in allem war der CSD in München dieses Jahr eine besonders gelungene Veranstaltung, eine gelungene Mischung aus Spaß-Guerilla und Stadtfest.

Wolf Steinberger