"Messias-Faktor": Yes, we can!

(hpd) Mittlerweile liegt Barack Obama sogar leicht vor seiner Konkurrentin Hillary Clinton. Damit ist der junge Senator aus Illinois

zweifellos der Shooting-Star im Wahlkampf um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. Selbst der „Spiegel" hob ihn jüngst auf sein Titelblatt, versehen mit der Überschrift „Der Messias-Faktor. Barack Obama und die Sehnsucht nach einem neuen Amerika". Hierbei stellte man im Hamburger Nachrichtenmagazin darauf ab, dass er durch Habitus und Rhetorik zur Projektionsfläche für die Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel nach der Bush-Ära geworden ist. Doch wer ist Barack Obama? Welchen persönlichen Weg ging er ins Zentrum der Politik? Was löst die Faszination für ihn aus? Und worin bestehen seine Positionen? Auf diese Fragen wollen zwei journalistische Darstellungen deutscher USA-Korrespondenten Antwort geben: Markus Günthers Buch „Barack Obama. Amerikas neue Hoffnung" und Christoph von Marschalls Portrait „Barack Obama. Der schwarze Kennedy".

 

Die Untertitel lassen eine Hommage auf den Politiker erwarten. Dem ist allerdings nicht so: Günther legt sogar ein überwiegend kritisches Werk vor, Marschall liefert ein mehr ausgewogenes Bild. Beide Bücher verstehen sich auch nicht als klassische Biographie. Vielmehr integrieren sie Ausführungen zu Obamas persönlichem wie politischem Leben in eine Darstellung der allgemeinen Stimmungslage in den USA und den beginnenden Wahlkampf zur Nominierung der Präsidentenkandidaten. Dabei werden in den einzelnen Kapiteln häufig die Perspektiven und Schwerpunkte gewechselt, was einerseits eine abwechslungsreiche und spannende Lektüre ermöglicht, andererseits aber eine differenzierte und systematische Analyse vermissen lässt. Gleichwohl formulieren beide Autoren immer wieder kritische Einschätzungen, die das Phänomen „Obama" verständlich machen. Hierzu gehören auch die Verweise auf die Frustration über die Bush-Jahre, welche die Hoffnung und Sehnsucht nach einem Wechsel selbst bei den Anhängern der Republikaner aufkommen lies.

Obama gibt diesen eine Gestalt, was sich auch mit seiner Biographie erklärt: Der 1961 geborene Politiker ist der Sohn eines schwarzen Kenianers und einer weißen Amerikanerin, lebte als Kind mit seinem Stiefvater und seiner Mutter zeitweise in Indonesien und wuchs dann in den USA bei seinen amerikanischen Großeltern auf. Im Unterschied zu allen anderen Bewerbern um das Amt des US-Präsidenten in Gegenwart und Vergangenheit kennt er demnach die unterschiedlichsten Kulturen von eigenem Erleben. In seinem Land erlebte Obama immer wieder Formen rassistischer Diskriminierung, die ihn aber nie zu einer feindlichen Haltung gegenüber der Gesellschaft motivierte. Engagement und Hartnäckigkeit beförderten seine berufliche und politische Karriere. So etwas schien Obama nur in der Offenheit der amerikanischen Gesellschaft möglich. Als Anwalt arbeitete er als Streetworker in den sozialen Brennpunkten wie als Politiker mit Repräsentanten der upper class. Obamas rhetorisches Geschick ermöglichte ihm den Aufstieg bis zum Präsidentschaftskandidaten.

Wahlveranstaltungen als „politische Gottesdienste"

Gerade dieser Gesichtspunkt nimmt immer wieder einen herausgehobenen Stellenwert in den Betrachtungen von Günther und Marschall ein. Letzter bemerkt, Obama wirke wie ein „Wunderheiler" und „Versöhner" (S. 12), seine Wahlveranstaltungen seien „politische Gottesdienste" (S. 24). Nach Günther präsentiere er sich als „Erlösungsfigur" (S. 56) und „Retter" (S. 35), welcher „messianische Erwartungen" (S. 137) wecke. Unverkennbar ist Obama an der Rhetorik eines Martin Luther King geschult. Gleichwohl nutzt er nicht in gleichem Maße religiöse Metaphern und legitimiert auch nicht sein Handeln durch den ständigen Verweis auf Gott. Die Dringlichkeit des politischen Wandels erklärt wohl mit das Pathos der rhetorischen Überspitzung. Kritikwürdig ist vielmehr eine gewisse Unverbindlichkeit und Vagheit der eigenen politischen Programmatik. Genaue Lösungen für das Dilemma des Irak-Krieges hat Obama nicht zu bieten, was allerdings auch für alle anderen Bewerber um das Amt des US-Präsidenten gilt.

Hoffnung auf eine Stimmungswende

Zutreffend bemerkt Marschall, die Wahlkampfversprechen bilden nicht den Kern der Erwartungen an einen potenziellen Präsidenten Barack Obama: „Die konzentrieren sich vielmehr auf die Hoffnung, dass er eine Stimmungswende herbeiführt, in Amerika und in der übrigen Welt" (S. 215). Genau diese Erwartung erklärt wohl auch die Euphorie und Zustimmung immer breiterer Wählerkreise in den USA. Ihnen gegenüber fordert Obama, dessen Kampagne sich zu bedeutenden Teilen auf eine „Graswurzel"-Bewegung von unten stützt, man möge nicht den Vorgaben des Schicksals folgen, sondern ihm selbst eine Richtung geben. Diese Einstellung steckt auch hinter den simplen drei Worten seines Wahlkampfs, des begeisterten und trotzigen: „Yes, we can!". Die durchaus mögliche Zukunft im Amt des mächtigsten Mannes der Welt könnte zeigen, inwieweit Obama gegen alle Gegebenheiten und Sachzwänge tatsächlich einen grundlegenden Wandel einleitet. Es käme auf den Versuch an. Man darf auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahl und die Zeit danach gespannt sein.

Armin Pfahl-Traughber

 

Markus Günther, "Barack Obama. Amerikas neue Hoffnung", Augsburg 2007 (Wißner-Verlag), 198 S., 16,80 €

Christoph von Marschall, "Barack Obama. Der schwarze Kennedy", Zürich 2008 (Orell Füssli-Verlag), 222 S., 24 €