„Gotteswahn 2009“

„Pro Reli“

Der evangelische Bischof Huber – bis vor kurzem höchster Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) steht seinem Kollegen Mixa in Sachen Unredlichkeit nicht nach. In einem Begleitschreiben zu einer Unterschriftensammlung gegen den damals geplanten gemeinsamen Ethikunterricht war es ihm bereits 2005 gelungen, in nur 11 Sätzen sechs Unwahrheiten unterzubringen: u.a. die völlig aus der Luft gegriffene Behauptung „Der Religionsunterricht soll ein für allemal aus der Schule verbannt werden“ und „Die Religionsfreiheit in der Schule“ werde „abgeschafft“. Die Gegenkampagne „Pro Ethik“ hat eine ganze Dokumentation zur Desinformation von „Pro Reli“ und ihren Unterstützern ins Web gestellt. In Erinnerung ist vielleicht noch das Plakat mit Günter Jauch, auf dem es heißt „In Berlin geht es um die Freiheit. Sagen Sie nicht, Sie hätten keine Wahl gehabt. Am 26. April ist Tag der Freiheit.“ Der Rechtsprofessor und Buchautor („Der Vorleser“) Bernhard Schlink – selbst Christ und in der Evangelischen Kirche verwurzelt – sagte dazu: „Manche Argumente, mit denen die Kampagne geführt wird, haben mich entsetzt. Die Lüge, die Berliner Regelung widerspreche dem Grundgesetz, die Entstellung, Religion müsse ein ordentliches Lehrfach werden, damit der Staat endlich die notwendigen Kontrollen ausüben könne, die Rote-Farbtöpfe-Plakate im Stil der Rote-Socken-Hetze – all das finde ich unwürdig. Ich hatte gehofft, die Kirchen würden für ihr politisches Engagement eine wahrhaftigere Sprache finden als die politischen Parteien.

Zuvor war vergeblich mit einer Verfassungsbeschwerde versucht worden, eine Abmeldemöglichkeit für den gemeinsamen Ethikunterricht durchzusetzen – mit der absurden Argumentation, der Ethikunterricht erschwere den Zugang zum Religionsunterricht, und der Zwang zur Teilnahme am Ethikunterricht verletze die Religionsfreiheit – weil das Fach dem christlichen Glauben widerspreche.

Buskampagne

Während in anderen europäischen Ländern (u.a. im „katholischen“ Spanien und Italien!) in diesem Jahr öffentliche Busse mit ganz ähnlichen Sprüchen fuhren, erhielt die deutsche Buskampagne diesen Sommer für ihr harmloses Motto „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott. Werte sind menschlich – Auf uns kommt es an“ von allen 17 angefragten Verkehrsbetrieben nur Absagen, meist unter Berufung auf weltanschauliche Neutralität. Währenddessen waren in öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen Sprüche plakatiert wie „Werte brauchen Gott!“ oder „Glaube an Jesus Christus, so wirst du gerettet.“ Radio Vatikan „zitierte“ den Kölner Kardinal Meisner (verkürzt, aber sinngerecht) mit den Worten „Aktionen wie die Atheismus-Werbung auf Bussen sind keine harmlosen Experimente einiger Leute. Sie können wie in früheren Zeiten viele Menschen buchstäblich das Leben kosten.“ Entsprechend äußerte sich Meisner in seiner Allerheiligen-Predigt.

Schmidt-Salomon vs. Bischof Müller (Regensburg)

Aber an Predigten sollten wohl allgemein keine großen Ansprüche gestellt werden – behauptete im September doch selbst der Anwalt von Bischof Müller aus Regensburg, von einer Predigt erwarte ohnehin niemand einen Tatsachenbericht. Müller hatte in einer Predigt behauptet, der Philosoph, Schriftsteller und Vorstandssprecher der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, habe in seinem Buch „Wo bitte geht´s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ ein Schwein als jüdischen Rabbi, christlichen Bischof und moslemischen Geistlichen auftreten lassen (in Wahrheit sind alle Glaubensrepräsentanten als Menschen dargestellt). Außerdem erweckte Müller den Eindruck, Schmidt-Salomon würde mit dem Hinweis auf Berggorillas Kindstötungen legitimieren, was ebenfalls völliger Unsinn ist. Schmidt-Salomons Klage dagegen wurde allerdings abgewiesen – wegen fehlender Wiederholungsgefahr. Schließlich sei der ursprüngliche Predigttext auf der Website des Bistums Regensburg durch eine „entschärfte“ Fassung ersetzt worden. Auf der katholischen Nachrichtenseite kath.net findet sich allerdings immer noch ein Artikel zu Müllers Predigt, in dem es heißt: „Deutliche Kritik äußerte der Regensburger Bischof außerdem an der Schrift ‚Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel‘ von Michael Schmidt-Salomon. Darin werde das Bild vermittelt, dass sich alle, die an einen Gott glauben, auf dem Niveau eines Schweines befänden. Sogar Kindstötungen stellen nach dieser völlig amoralischen Sichtweise kein Verbrechen dar, weil der Mensch keinen freien Willen habe und nur von seinen Genen gesteuert handle.