Drei Fragen an... Rainer Statz

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Foto/Montage: Evelin Frerk, unter Verwendung Szenenbild Musical "In Nomine Patres"

LUDWIGSHAFEN (hpd) Am Wochenende 13./14. März findet die vom Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW) und dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) organisierte Tagung „Religiöse und weltanschauliche Meinungsfreiheit“ statt. Im Vorfeld stellt hpd die Referenten und ihre zentralen Thesen in Kurzinterviews vor.

hpd: Blasphemie bedeutet Gotteslästerung – was gibt es denn über jemanden, der gar nicht existiert, Anstoß Erregendes zu erzählen?

Rainer Statz: Die Götter, die durch den Blasphemie-Paragraphen geschützt werden sollen, existieren in den Köpfen und in der Phantasie vieler Menschen; diese Menschen brauchen Götter, sie sind für sie etwas Wichtiges, etwas Unantastbares, etwas Heiliges – rundweg ein Tabu, an das man nicht rühren darf, schon gar nicht kritisch oder verletzend. Durch Blasphemie geschieht den Göttern tatsächlich nichts, sie stehen so hoch über allem, dass sie das alles nicht berühren oder gar erschüttern kann.

Betroffen, getroffen oder gar verärgert sind die in selbstverschuldeter Unmündigkeit verharrenden Gläubigen, sie brauchen die Götter unversehrt, nur sie verlangen Bestrafung. So jedenfalls war es über Jahrtausende. In unserer aufgeklärten Zeit, in der sich der Staat weitgehend aus der Gottesverehrung zurückgezogen hat, straft er nicht mehr die Beschimpfung von Göttern oder die Missachtung religiöser Gefühle von Glaubenden, er sorgt sich um die öffentliche Sicherheit und um den öffentlichen Frieden.

hpd: Um welche Themen geht es, wenn Meinungen Gefahr laufen, als blasphemisch verfolgt zu werden?

Rainer Statz: Zunächst geht es um Macht: Glaubensfunktionäre sehen nicht nur ihre Idole sondern auch ihre Machtposition in Gefahr, wenn ihre Götter angegriffen werden. Und damit geht es dann auch um den Verlust von Ansehen und Prestige, wenn jemand über die Götter spottet oder lästert.

Aber was sind das eigentlich für Wesen, diese Götter? Unser abendländisches Denken wird diesbezüglich sehr stark geprägt vom jüdisch-christlichen Gottesbild und von den Göttern der Griechen und Römer: das waren überwiegend Halbgötter mit viel menschlichen Eigenschaften und menschlichen Schwächen: Machtstreben, Rivalität, Eifersucht, Neid, Stolz und Sexualität. Darüber berichten uns die „heiligen“ Bücher und die Göttersagen. Wenn man nun diese göttlich-menschlichen Defizite thematisiert und kritisch darstellt, kommt man schnell in den Bereich der Gotteslästerung und wird dafür verteufelt.


hpd: Welche Auswirkungen hat der § 166 StGB auf Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit?

Rainer Statz: Die beiden genannten Freiheiten sind durch unser Grundgesetz sehr gut geschützt: Als Grundrechte sind sie in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; es sind aber auch Rechte, die der Bürger gegen andere Bürger oder nichtstaatliche Organisationen durchsetzen kann. Wenn nun in einem Meinungsstreit ein Bürger sich auf Religionsfreiheit und sein Opponent sich auf Meinungsfreiheit beruft, dann muss im Einzelfall abgewogen werden; das machen dann notfalls die Gerichte. Inzwischen gibt es dazu so viele Grundsatz-Urteile, dass man sich meist schon im Vorfeld einer juristischen Entscheidung ganz gut daran orientieren kann.

Und was die Blasphemie betrifft, so hat unsere letzte Strafrechtsreform darauf sehr klug reagiert: Sie schützt nicht mehr die Götter, sondern den öffentlichen Frieden, wenn er durch Beschimpfung religiöser Bekenntnisse gestört sein könnte oder konkret gestört wird. Dazu muss man aber schon sehr schwere Geschütze auffahren; kritische Bemerkungen – auch wenn sie überzeichnet oder aggressiv sind – reichen da meist nicht aus. Seine Meinung kann man da durchaus sehr deutlich zum Ausdruck bringen, das muss eine Religion oder Weltanschauung heute schon aushalten.

Natürlich gibt es immer wieder sensible Gemüter, die gleich nach dem Staatsanwalt rufen, aber dagegen muss man sich dann zur Wehr setzen und seine Meinungsfreiheit verteidigen.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

Rainer Statz ist Verwaltungsjurist im Ruhestand mit besonderem Interesse für Götter, Religionen und Religionswissenschaft. Er ist Mitglied im Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten sowie Fördermitglied in der Giordano Bruno Stiftung und im Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften. Auf der Tagung wird er zum Thema „Meinungsfreiheit und Blasphemie“ referieren.