Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

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Dr. Rainer Rosenzweig / Fotos: Dennis Merbach

FRANKFURT. (hpd) „Wie wirklich ist die Wirklichkeit? – Grenzen unserer Wahrnehmung.“ Ein Vortrag von Dr. Rainer Rosenzweig am 7. Mai 2010 im Saalbau Bornheim / Frankfurt am Main, im Rahmen der vierten Vortragsreihe der Säkularen Humanisten – Regionalgruppe Rhein-Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung (GBS).


Bericht und Kommentar von Jochen Beck

Am diesem Freitagabend wurde die vierte Staffel der im Herbst 2008 begonnenen Veranstaltungsreihe durch einen Referenten aus Nürnberg, der „Hauptstadt des fränkischen Humanismus“, beschlossen, und zwar von Herrn Dr. Rainer Rosenzweig, einem Mitgestalter des „Turm der Sinne“, einer Einrichtung u. a. des HVD (Humanistischer Verband Deutschland) Nürnberg. Der promovierte Wahrnehmungspsychologe stellte sich einem Thema, welches die Menschen bereits seit dem Schildkröten-Paradoxon des Zenon von Elea und dem Höhlengleichnis Platons beschäftigt: dem Wirklichkeitsgehalt der sinnlichen Wahrnehmung. Der Vortrag geriet eher zu einer Demonstrationsserie von Wahrnehmungsexperimenten, deren Resultate das Publikum mit Staunen und Heiterkeit aufnahm.

 

Zunächst erläuterte der Referent - in groben Zügen - den komplizierten Mechanismus, wie das Gehirn Sinnesreize zu Informationen weiterverarbeitet. Als Produkt der biologischen Evolution ist dieses Organ nur an die minimalen Erfordernisse des Daseinskampfes angepasst und kann den Organismus nicht vor allen Möglichkeiten der Täuschung schützen. Dr. Rosenzweig erläuterte den Sachverhalt unter vier Gesichtspunkten. Hier nur einige Beispiele:

    Erfahrung:
    Hier zeigte er z.B. eine Filmsequenz mit einer Maske in fortwährender Drehbewegung. Jedes Mal, wenn die als Hohlraum ausgeprägte Rückseite der Maske begann, in das Sichtfeld zu rücken, verwandelte sich der Hohlraum für den Betrachter plötzlich in ein Gesicht. Die sich drehende Maske wurde so gleichsam zum Januskopf. Dieses Phänomen war als Einziges bereits in einem früheren Vortrag der Säkularen Humanisten Rhein-Main zur Geltung gekommen (http://hpd.de/node/5804). Das Gehirn interpretiert ein unbekanntes Objekt („Rückseite eines Gesichts“) in einen ähnlichen, ihm bekannten Gegenstand („Vorderseite“) um.

    Vorwissen (z.B. durch Erwartung):
    Jetzt ließ Dr. Rosenzweig zwei quaderartige Klötze gleicher Länge, aber unterschiedlicher Dicke, herumreichen. Sie sahen aus und fühlten sich an, als wären sie aus identischem Material. Wenn man beide übereinandergestapelt in der einen Hand wog, entstand natürlich die Erwartung, der kleinere Quader wäre entsprechend leichter. Aber er war wohl aus schwererem Material, denn wenn man ihn mit der anderen Hand hochhob, wurde die Erwartungshaltung mit einem Überrumpelungseffekt konfrontiert, durch den der kleinere Klotz als schwerer wahrgenommen wurde als vorher die beiden zusammengenommen.
    Des Weiteren wurden z.B. Bilder vorgeführt, deren Darstellungen sich erst voll erschlossen, wenn man weitere Segmente hinzufügte. So war der Kopf einer Kuh für viele erst sichtbar, als die Umrisse der betreffenden Kuh hinzugefügt wurden.

    Kontext:
    In zahlreichen Beispielen wurde verdeutlicht, dass das Umfeld eines wahrgenommenen Objekts entscheidend ist für die Interpretation seiner Beschaffenheit. So kann es beispielsweise sein, dass ein hell beleuchtetes schwarzes Feld auf einem Schachbrett exakt denselben grauen Farbton trägt wie ein im Schatten befindliches weißes Feld – obwohl die beiden Felder im jeweiligen Kontext völlig unterschiedlich erscheinen.

    Aufmerksamkeit:
    Einer der Höhepunkte des Abends war ein Film, der zwei jeweils drei Mann starke Gruppen beim Ballspiel zeigte, wobei die Mannschaftsmitglieder sich den Ball untereinander zuspielten, und was jetzt folgte, hätte den Referenten zu anderen Zeiten wegen Hexerei auf den Scheiterhaufen gebracht.

 

Nachdem Dr. Rosenzweig sich dem Publikum zur Diskussion gestellt hatte, war man sich einig, dass auf den Veranstaltungen der Säkularen Humanisten selten so viel gelacht wurde. Zuletzt beschloss man den vergnüglichen Abend in gewohnter Weise im Restaurant des Saalbaus.

 

Die Säkularen Humanisten Rhein-Main treffen sich wieder in Frankfurt am Main, am 21.05.2010 um 19:00 Uhr, im 2. Stock des Club Voltaire, in der Kleinen Hochstraße Nr. 5. Die nächste Veranstaltungsreihe beginnt am 3. September 2010, siehe hierzu auf ihrer Internetseite.