Respekt für ein Amt?

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Rücktrittserklärung / Foto: bundespraesident.de

BERLIN. (hpd) Bundespräsident Horst Köhler ist gestern überraschend zurückgetreten. Mit sofortiger Wirkung. Überraschend war der Termin, aber nicht das Amtsverständnis des Bundespräsidenten, das sich auch in dieser Entscheidung ausdrückt.

Horst Köhler galt als „unpolitischer Mensch“, der von der Bundeskanzlerin ausgewählt worden war, damit sie ihre Ruhe hatte und das Bundespräsidialamt ihr nicht in die Quere kam. Das hat bestens funktioniert.

Bereits in seiner ersten Amtsperiode hatte sich gezeigt, dass Horst Köhler keine Themen besetzen konnte, keine Positionen als Staatsoberhaupt, das in einem Gemeinschaftsinteresse seine moralische Autorität einsetzt, um politische Grundsätze zu formulieren. In seiner zweiten Amtsperiode war er dann ganz ins politische Schweigen verfallen.

Jeder Bundespräsident hatte bisher Eigenarten, die seiner Persönlichkeit entsprachen. Das liegt in der Natur des Menschen, der als Amtsträger ja nicht nur die Marionette eines abstrakten Staatsverständnisses wird. Das ist gut so.

Das Bemerkenswerte an der Amtszeit Horst Köhlers ist jedoch erst gestern geschehen, sein völlig überraschender Rücktritt. Die politische und mediale Kritik an seiner Äußerung zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr „entbehrt jeder Rechtfertigung“ erklärt er als Anlass seiner Entscheidung. Geht es hier um Majestätsbeleidigung, für die es keinerlei Rechtfertigung gibt? Und: diese Kritik „lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.“ Sein Amt?

Diese Verwechselung seiner persönlichen, privaten Ansichten mit den Aufgaben eines Staatsoberhauptes, das für alle Deutschen sprechen sollte, hatte sich auch schon früher gezeigt. Horst Köhler mag ja die Bibel als für ihn wichtigstes Buch betrachten und er kann ja auch der persönlichen Ansicht sein, dass die Kirchen wieder stärker missionieren sollten, als Bundespräsident standen ihm derartige Auffassungen nicht zu.

Dieses mangelnde Amtsverständnis, das eine persönliche Kränkung über die politischen Aufgaben eines Bundespräsidenten setzt, äußert sich auch in dem Rücktritt „mit sofortiger Wirkung“. Auch wenn es verfassungsgemäß Stellvertretungen für jedes Amt gibt, den Anstand, die verbleibenden dreißig Tage bis zur Neuwahl einer Nachfolgerin, eines Nachfolgers als gewählter Bundespräsident auszuharren, das hätte der „Respekt“ für das Amt des Staatsoberhaupts erwarten lassen dürfen.

Horst Köhler hat den ‚Bettel’ hingeschmissen. Dazu kann man nur noch sagen: Endlich.

Der Soziologe und Sozialist Max Weber hat einmal gesagt, dass es ein entscheidendes Argument für eine Monarchie gäbe: Der Monarch sei dem Wettstreit und Gezänk der Parteien entzogen. Nun kann man aufgrund der Erfahrungen der deutschen Nachkriegsgeschichte beruhigt feststellen, dass die meisten Bundespräsidenten sich durchaus von dieser Parteibindung lösen konnten. Insofern braucht es also keine Sehnsüchte nach vergangenen autoritären Regierungsformen und man kann nur hoffen, dass eine geeignete Kandidatin oder ein Kandidat von der Regierungsmehrheit akzeptiert wird. Die Pastorin Margot Käßmann, ehemalige Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende, wie von der SPD in Niedersachsen umgehend vorgeschlagen, wird wohl kaum dafür geeignet sein. Christliche Berufsfunktionäre werden nicht das Drittel der Konfessionsfreien bzw. die Hälfte der Bevölkerung, die sich nicht mehr als religiös versteht, repräsentieren können.

Carsten Frerk.