MADRID. (elpais/hpd) Der Gesetzentwurf zur Religionsfreiheit garantiert die Neutralität der öffentlichen Hand gegenüber verschiedenen Religionsgemeinschaften und schreibt die Trennung von Staat und Kirche fest.
Von Ignacio Cembrero, Mónica Ceberio Belaza
Die Staatsbegräbnisse von 2004 für die Opfer des 12. März können sich nicht wiederholen, wenn das Gesetz über die religiöse Freiheit, welches von der Regierung vorbereitet wird, Gesetzeskraft erlangt. Jene Zeremonie war ausschließlich katholisch und wurde abgehalten von Kardinal Antonio María Rouco Varela, obwohl unter den 191 Toten mehr als eine Handvoll Muslime und orthodoxe Christen waren.
Die Gesetzesvorlage, die von der Exekutive vorbereitet wird, hält fest, dass der Staat ausschließlich zivile Begräbnisse abhalten darf, und dass eine religiöse Feier nur abgehalten darf, wenn dies von der Familie verlangt wird. Wenn unter spanischen gefallenen Soldaten Katholiken und Muslime wären, müssten zukünftig nacheinander zwei aufeinanderfolgende Zeremonien oder eine ökumenische abgehalten werden.
„Die Staatsakte und öffentlichen Feierlichkeiten, die von der öffentlichen Hand in Zukunft abgehalten werden, müssen so gestaltet sein, dass sie keinen religiösen Charakter haben“, wie die Gesetzesvorlage zur Freiheit des Gewissens und der Religion (Ley Orgánica de Libertad de Conciencia y Religiosa). Wie nach der Papstaudienz des Ministerpräsidenten Zapatero verlautet, wird dieses Gesetz erst nach der Sommerpause verabschiedet werden können. Das Gesetz bezieht sich in erster Linie auf Bestattungen, aber auch auf andere Staatsakte.
Der Text spricht nach Angaben offizieller Quellen erstmals von der „Laizität des Staates“. In den Artikeln, die diese Laizität festschreiben, wird Spanien nicht als laizistischer Staat bezeichnet, es ist lediglich die Rede von der Neutralität der öffentlichen Hand gegenüber Weltanschauungen und Religionen „sowie, dass der Staat die Pflicht hat, jegliche Konfusion zwischen Staatsfunktion und religiösen Aktivitäten zu vermeiden.“
Das neue Gesetz wirkt ebenfalls auf die Ausübung des Rechtes der religiösen als auch der Gewissensfreiheit hin. Mit dieser Ausweitung wird der neuen konfessionellen Realität in Spanien Rechnung getragen, in der aufgrund der Einwanderung neue religiöse Gruppen gewachsen sind: Insbesondere die Muslime (1,4 Mio), Protestanten (mehr als 1 Million) und orthodoxe Christen (600.000).
Die konkreten Auswirkungen der Laizität sind in vier Artikeln festgeschrieben. Neben der Regulierung der öffentlichen Zeremonien verbietet der Gesetzestext religiöse Symbole an bestimmten Orten: „In öffentlichen Gebäuden dürfen religiöse Symbole nicht ausgestellt werden, es sei denn, sie haben einen klaren historisch- artistischen, architektonischen oder kulturellen Hintergrund, der gesetzlich geschützt ist.“ Das heißt, es dürfen keine Kruzifixe in Schulen, staatlichen Krankenhäusern, öffentlichen Gebäuden oder Ministerien hängen.
Es gibt eine Ausnahme im Gesetzestext. Obwohl sie teilweise mit öffentlichen Geldern finanziert werden, dürfen private Krankenhäuser und Ärztekammern, die Verträge mit den Krankenkassen unterhalten, Symbole gemäß ihrer Glaubensrichtung aufweisen. Das Justizministerium stellt jedoch fest, dass in 80 % der Fälle in öffentlichen Gebäuden Symbole ohne künstlerischen Hintergrund längst verschwunden sind.
Die Würdenträger haben ihre eigenen Beschränkungen. Wenn sie „streng religiöse Veranstaltungen“ besuchen, müssen sie dies tun, indem sie „alles unterlassen, was ein Brechen des Neutralitätsprinzips und eine Diskriminierung darstellen könnte.“ Das heißt, dass sie nicht nur den Einladungen der katholischen Kirche folgen sollen, und dabei auch zum Beispiel Prozessionen begleiten, sondern sie müssen ebenfalls zwingend an den Veranstaltungen anderer Konfessionen teilhaben, wie es zum Beispiel in Ceuta im Rahmen der Feierlichkeiten zum Abschluss des Ramadan geschieht (dort nehmen der Bürgermeister und der Gouverneur an den Veranstaltungen teil). Die Hälfte der Bewohner der Stadt sind Muslime.
Die Gegenwart von Staatsbediensteten bei religiösen Veranstaltungen ist nochmals anders geregelt als die von Würdenträgern. Der Gesetzestext hält fest, dass die Teilnahme immer „freiwillig“ sei. Die neue Vorschrift der militärischen Ehrerbietungen hat dem zukünftigen Gesetzestext in gewisser Weise schon vorgegriffen. Schon am 19. Mai ist festgeschrieben, dass, wenn das Verteidigungsministerium militärische Eskorten bei religiösen Feiern genehmigt, die Soldaten nur teilnehmen können, wenn dies für sie einen rein „freiwilligen Charakter hat und dass das Militär nicht verpflichtet ist, Ehrerbietung gegenüber dem Allerheiligsten, der Jungfrau Maria oder Schutzpatronen zu erbringen.
Diese Teilnahme von Staatsfunktionären und Militärs, auch auf freiwilliger Basis, dürfte dennoch gemäß Auffassung von Sachverständigen, die von dieser Zeitung befragt wurden, dem Gebot der „Neutralität“ der öffentlichen Hand widersprechen und auch im Gegensatz stehen zur Verpflichtung, „jegliche Konfusion zwischen Staatsfunktion und religiösen Aktvitäten“ zu vermeiden.
Die Expertenkommission, die die Gesetzesvorlage verfasste, hat noch nicht entschieden, ob die religiösen Symbole, die von Individuen getragen oder öffentlich getragen werden, reglementiert werden oder nicht. Und zwar Kleidungsstücke wie der Hiyab (islamischer Gesichtsschleier). Dies ist eine Angelegenheit, die diskutiert wird, teilen Quellen in der Staatskanzlei mit. Der Justizminister neigt dazu, dies gesetzlich zu reglementieren. „Es ist notwendig, zu entscheiden, welche religiös begründeten Identifizierungsmerkmale ein Bürger in der Öffentlichkeit zeigen darf“, gab er Anfang Mai im Fernsehen bekannt. Dieses Gesetz müsse sowohl „klar“ sein als auch „Toleranz und gesunden Menschenverstand verbinden“.
Einer der Hauptinhalte der Gewissensfreiheit ist das Recht, „zu leben und sich zu verhalten im Gleichklang mit eigenen Überzeugungen und seiner Weltanschauung bzw. Religion“ und das beinhaltet auch das Recht, die eigene Religion „auszudrücken“. Die einzigen Beschränkungen, die der Gesetzestext erlaubt, beziehen sich auf die öffentliche Ordnung und auf die Rechte der Allgemeinheit.
Die Regierung schlägt ebenfalls vor, dass in Zukunft die drei Religionsgemeinschaften, die 1992 ein Konkordat mit dem Staat abgeschlossen haben: Muslime, Protestanten und Juden, auf vier weitere Religionsgemeinschaften ausgeweitet wird, die in Spanien eine „althergebrachte Tradition“ besitzen: Mormonen, Zeugen Jehovas, Buddhisten und Orthodoxe. Die katholische Kirche hat eine privilegierte Situation aufgrund des Konkordats von 1979, die auch in Zukunft unangetastet bleibt. Die katholische Kirche ist auch die einzige Konfession, für die der Steuerzahler auch in Zukunft 0,7 % seines Einkommens steuerlich absetzen kann.
Der Gesetzesentwurf hält ebenfalls fest, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, damit andere religiöse Vereinigungen den Status der „althergebrachten Tradition“ erhalten können, und zwar Gründungsjahr, Mindestzahl der Versammlungsorte usw. Daraus ergibt sich auch die Fähigkeit, mit dem Staat zu kommunizieren, insbesondere was steuerliche Vergünstigungen betrifft. Bis heute hat eine Kommission für die Religionsfreiheit entschieden, allerdings mit bisher wenig definierten Richtlinien. Mit dem neuen Gesetz dürfte der Hinduismus der erste Anwärter sein, diese Bestimmungen zu erfüllen.
Das neue Gesetz wird in 37 Artikeln die acht des bisherigen Gesetzes von 1980 ersetzen. Federführend für die Kommission, die das Gesetz verfasst, ist die Vizepräsidentin María Teresa Fernándes de la Vega sowie der Generaldirektor für religiöse Angelegenheiten im Justizministerium. Letzterer achtet auf die Kompatibilität des neuen Gesetzes mit den Inhalten der betroffenen Religionsgemeinschaften.
Eine Interessengemeinschaft der Katalanen drängt am meisten, dieses Gesetz umzusetzen. Im Nationalkongress der Katalanen hat am 18. Mai eine entsprechende Gesetzesvorlage mit der Mehrheit der Regierungsparteien verabschiedet. Es wird darauf gedrängt, dass die spanische Zentralregierung die erste Lesung noch vor dem 30. Juni abhält. Es ist nicht wahrscheinlich, dass diese Frist eingehalten werden kann, aber die Ministerrunde hat zugesichert, dass sie sich noch vor der Sommerpause damit befassen wird. Somit kann das Gesetz frühestens zum Jahresende die legislativen Instanzen durchlaufen haben.
Die Opposition hat sich grundsätzlich gegen das neue Gesetz gestellt, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen sei es nicht der richtige Zeitpunkt, da weder eine dringliche soziale Notwendigkeit noch Eile bestünde, um dieses neue Gesetz zu verabschieden. Zum zweiten wird bemängelt, dass dieses Gesetz in überwiegend symbolischen, aber eigentlich wenig substanziellen Aspekten eingreift, aber wichtige Traditionen und Gegebenheiten in Spanien angreift.
Die katholische Kirche ist ebenfalls nicht einverstanden. Papst Benedikt XVI. hat vergangene Woche anlässlich einer Privataudienz im Vatikan dem Präsidenten Zapatero sein Missfallen zum Ausdruck gebracht.
Zusammenfassend:
- Es ist zukünftig nicht erlaubt, religiöse Symbole in Behörden und öffentlichen Gebäuden auszustellen, es sei denn, sie hätten einen eindeutigen historisch-artistischen, architektonischen oder kulturellen Wert.
- Das Verbot betrifft nicht private Träger, die im öffentlichen Leben stehen.
- Die Staatsakte und öffentlichen Veranstaltungen sollen keine religiösen Zeremonien beinhalten.
- Die Würdenträger und Staatsbedienstete, die an religiösen Veranstaltungen teilnehmen, haben sicherzustellen, dass keine Konfession diskriminiert wird.
- Die Rechte der Religionsgemeinschaften nach „althergebrachter Tradition“ werden verstärkt und die Ausweitung wird angestrebt.
Übersetzung Thilo Canellas