Spanien: Neuer Angriff auf Frauenrechte

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Almudena-Kathedrale (Catedral de Santa María la Real de la Almudena) in der Innenstadt von Madrid, Spanien
Almudena-Kathedrale

In Spanien spitzt sich der politische Streit um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu. Während die sozialistische Regierung von Pedro Sánchez den Zugang zu Abbrüchen sichern und rechtlich verankern will, versuchen konservative und rechtsextreme Kräfte, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen durch neue Auflagen zu beschneiden. Im Zentrum steht eine vermeintliche "Beratungspflicht" – und ein angebliches Post-Abtreibungssyndrom, das medizinisch nicht existiert.

In der Stadt Madrid haben die konservative Partido Popular (PP) und die rechtsextreme Vox im Regionalparlament eine Regelung beschlossen, die Frauen vor einem Schwangerschaftsabbruch eine verpflichtende Beratung vorschreibt. Dort sollen sie über die Risiken eines sogenannten "Post-Abtreibungssyndroms" aufgeklärt werden, einer angeblichen psychischen Störung, die Depressionen, Schuldgefühle oder sogar ein erhöhtes Krebsrisiko nach sich ziehen soll.

Diese Störung wird jedoch von keinem wissenschaftlichen Gremium anerkannt. Weder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch internationale Fachverbände sehen Hinweise auf ein eigenständiges Syndrom nach Abbrüchen. Studien zeigen vielmehr, dass psychische Belastungen nach einem Schwangerschaftsabbruch fast ausschließlich aus gesellschaftlicher Stigmatisierung, religiösem Druck oder mangelnder sozialer Unterstützung resultieren. Fachleute kritisieren die Maßnahme als gezielte Desinformation und den Versuch, Frauen einzuschüchtern.

Die Zentralregierung reagiert mit Druck: Premier Pedro Sánchez hat konservativ regierten Regionen eine Frist von drei Monaten gesetzt, um die bestehenden Abtreibungsregelungen endlich vollständig umzusetzen. Künftig sollen öffentliche Kliniken Abbrüche durchführen müssen, und Ärztinnen und Ärzte, die dies aus Gewissensgründen ablehnen, sollen in ein Register eingetragen werden. Damit will die Regierung sicherstellen, dass der legale Zugang zu Abbrüchen nicht durch ideologische Blockaden verhindert wird. Das Gesetz dazu war bereits 2010 von der sozialistischen Zapatero-Regierung beschlossen worden. Darüber hinaus plant Sánchez, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der spanischen Verfassung zu verankern. Die Mehrheit dafür fehlt bislang, doch die Regierung will das Thema sichtbar auf der politischen Agenda halten.

Hinter den neuen Beschränkungen steht vor allem die rechtsextreme Partei Vox, die in mehreren Regionen Koalitionen mit der PP eingegangen ist. Vox vertritt ein streng katholisch-konservatives Weltbild und bezeichnet Abtreibung als "gesellschaftliches Versagen". Unter dem Deckmantel vermeintlicher Aufklärung betreibt sie eine Politik, die Frauen moralisch bevormundet und religiöse Überzeugungen in staatliches Handeln übersetzt. Diese Strategie folgt einem europaweiten Trend: Rechte Bewegungen versuchen, reproduktive Rechte über "Beratung", Desinformation und institutionelle Hürden einzuschränken, weniger durch offene Verbote.

Der Konflikt in Spanien zeigt, dass Frauenrechte auch in europäischen Demokratien nicht selbstverständlich sind. Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ist kein "gesellschaftliches Versagen", sondern ein Grundpfeiler der Menschenrechte. Wo Politik wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und religiös-ideologische Erzählungen an ihre Stelle setzt, wird die Grenze zwischen Staat und Kirche verwischt und das Vertrauen in eine evidenzbasierte, säkulare Politik untergraben.

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