Für viele rechtsextremistische und rechtspopulistische Akteure ist die "illiberale Demokratie" in Ungarn ein politisches und strategisches Vorbild. Wie es zu den dortigen Entwicklungen in diese Richtung kam, veranschaulicht ein interessantes Lehrbuch mit "Das politische System Ungarns" als schlichtem Titel.
Neben anderen Gesetzen und Verordnungen führte das Orbán-Regime in Ungarn im Jahr 2021 auch eine Bestimmung über den Verkauf von Büchern und Presseerzeugnissen ein, die Homosexualität oder eine "Abweichung vom Geburtsgeschlecht" darstellen oder "propagieren". Mit Bezug auf diese Verordnung wurde ein Buchladen im Sommer 2023 bestraft. Ein Gericht kam nun zum Ergebnis, dass die Verordnung wegen eines fehlenden Beistrichs nicht anwendbar war, der Buchladen ist – vorerst – aus dem Schneider.
Fast ein Jahr nach der Volkszählung in Ungarn sind deren Ergebnisse erschienen. Wie in vielen anderen europäischen Ländern ist der Anteil der Religiösen unter die Hälfte der Bevölkerung gefallen. Die Vorbereitung der Volkszählung und auch die Veröffentlichung der Ergebnisse waren von Ungereimtheiten begleitet, die in einem Land, dessen Regierungspropaganda immer vom "christlichen Ungarn" spricht, leider an der Tagesordnung sind.
Verschiedene internationale Organisationen wie Humanists International und das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen verurteilen die Fortsetzung des gerichtlichen Vorgehens gegen den ungarischen atheistischen Aktivisten und Publizisten Gáspár Békés. Zwei Jahre nach einem Blogartikel begann eine rechts-christliche Hetze gegen ihn, die zu seiner Entlassung von seinem Arbeitsplatz in der Budapester Stadtverwaltung führte.
Die Nähe von Viktor Orbáns autokratischer Fidesz-Regierung zu den Religionsgemeinschaften trägt erstaunliche Blüten. Obwohl immer mehr Menschen in Ungarn konfessionsfrei sind, finanziert die Regierung ihr genehme Religionsgemeinschaften großzügig, ermöglicht diesen die kostenlose Übernahme von Immobilien aus öffentlichem Besitz und fördert die Zunahme konfessioneller Schulen. Auch der Umgang mit dem Thema "kirchlicher Kindesmissbrauch" ist in Ungarn speziell.
In Ungarn läuft aktuell eine interessante Diskussion über Atheismus und wie dieser einzuordnen ist. Im Oktober beginnt dort die Volkszählung, bei der – anders als etwa in Österreich – auch das religiöse Bekenntnis erfasst wird.
Der Wahlkampf in Ungarn ist weniger ein inhaltlicher Schlagabtausch, sondern wurde durch den Krieg im Nachbarland vielmehr zum Kampf um historische Narrative und die Deutungshoheit über nationale Traumata. Das Oppositionslager schafft es kaum, Orbáns persönliche und weltanschauliche Nähe zu Putin für sich auszunutzen.
Die Kommission der Europäischen Union leitet rechtliche Schritte gegen seine Mitgliedsstaaten Polen und Ungarn ein. Beide sollen die Rechte von nicht-heterosexuellen Menschen missachten und mit Warnhinweisen vor nicht-stereotypen Geschlechterrollen sowie "LGBT-ideologiefreien Zonen" gegen die menschenrechtliche Charta der EU verstoßen.
Stehen Wahlen an, heißt es im Gespräch zu bleiben und zu versuchen, Mehrheiten hinter sich zu bringen. Für 2022 sind in Ungarn Parlamentswahlen angesetzt. Der amtierenden rechten Fidesz-Partei steht diesmal ein Bündnis aus acht Oppositionsparteien gegenüber. Ministerpräsident Victor Orbán versucht, bei Rechten und Konservativen Stimmen einzufangen, indem LGBTQIA+-Rechte weiter eingeschränkt werden. So soll unter anderem in Schulen und Medien, die sich an Jugendliche richten, nur mehr heterosexuelle Sexualität vorkommen. Für Menschenrechtsorganisationen eine Katastrophe.
Man kennt die kleinen Warnhinweisschilder auf Videospielen, CDs oder Filmen, die mit Altersangaben den Verbraucher auf Gewaltszenen oder mögliche Jugendgefährdung hinweisen sollen. In Ungarn sollen solche Disclaimer nun ebenfalls eingesetzt werden, allerdings nicht etwa für Gewalt- oder Sexzenen, sondern wegen nicht stereotyper Geschlechterdarstellungen in einem Märchenbuch für Kinder.
Menschen mit Transhintergrund können in Ungarn ihr Geschlecht bald nicht mehr in ihren Dokumenten ändern lassen. Mit 133 zu 57 Stimmen wurde letzte Woche der Gesetzesentwurf der regierenden rechten Fidesz-Partei angenommen, der ihnen dieses Recht nimmt. Nun steht nur noch die Unterschrift von Präsident János Áder aus. Menschenrechtsorganisationen verurteilen den Entschluss scharf.
Ungarns Bevölkerung umfasst knapp zehn Millionen Menschen, mit leicht rückgängiger Tendenz. Jede Frau bekommt im Schnitt etwa 1,45 Kinder. Das reicht Ministerpräsident Viktor Orbán nicht. Ähnlich wie in Italien, möchte er mit finanziellen Anreizen die Geburtenrate steigern.
Die christlich-rechtsnationale Regierung Ungarns hat die Geschlechterforschung aus den Universitäten verbannt – weil es nicht genügend Nachfrage gebe, so die offizielle Begründung. Ministerpräsident Orbán hatte diesen Schritt bereits im August angekündigt. Es dürfte ein Novum in der Europäischen Union sein, dass sich ein Regierungspräsident höchstpersönlich derart für Kursteilnehmerlisten interessiert, gehört doch das Mikromanagement der Akademien eher nicht zum üblichen Aufgabenbereich der Exekutivspitze.
Ungarn driftet immer mehr ab in Richtung Diktatur. Das südeuropäische Land ist Mitglied der EU sowie der NATO; Menschenrechte gelten trotzdem unter der Regierung von Viktor Orbán nur eingeschränkt. Einen neuen Tiefpunkt erlebte die Demokratie mit dem gestern verabschiedeten Gesetz zur Kontrolle von ausländischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
Während Mitte April Zehntausende Menschen in Budapest gegen die Schließung der Eliteuni CEU demonstrierten, trafen sich an eben diesem Ort im Rahmen des PEARLS EU Projektes LehrerInnen, Wissenschaftlerinnen und NGO VertreterInnen aus verschiedenen EU-Ländern, um sich über Strategien auszutauschen. Strategien, um Kinder aus Romafamilien dabei zu unterstützen, sich zugehörig zu fühlen und ihr Recht auf Bildung wahrzunehmen.