POTSDAM. (hpd) Die Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche musste in einem Bürgerbegehren eine Niederlage hinnehmen: In einer Befragung sprachen sich 14.285 Potsdamer gegen den Wiederaufbau der Kirche aus. Daraufhin musste sich das Stadtparlament noch einmal mit dem Thema befassen.
Allerdings enthielten sich in der Sondersitzung der Potsdamer Stadtverordneten die Mehrzahl der VertreterInnen der Wählergruppen und Parteien zur Frage, ob das Bürgerbegehren angenommen werden soll. Für die Bürgerinitiative bedeutete das in erster Linie, dass durch taktisches Abstimmungsverhalten ein Bürgerentscheid verhindert wurde.
Andererseits hieß das aber auch, dass Potsdams Oberbürgermeister, Jann Jakobs (SPD), in der Stiftung, die für den Bau der Kirche gegründet wurde und deren Mitglied auch die Stadt Potsdam ist, einen Antrag auf Auflösung der Stiftung einbringen musste.
Dieser Antrag wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Die Stadt hat nur einen Sitz im elfköpfigen Kuratorium der Stiftung; für die Auflösung der kirchlichen Stiftung wäre jedoch eine Dreiviertelmehrheit notwendig gewesen. Jakobs konnte also sicher sein, dass sein Antrag wirkungslos bleiben wird.
Doch die Bürgerinitiative “Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche” will noch nicht aufgeben. Gestern veröffentlichte sie eine Pressemitteilung, in der es heißt: “Das Ergebnis der Abstimmung im Kuratorium gegen die Auflösung der Stiftung der Garnisonkirche ist für die Bürgerinitiative nicht überraschend. Der OB hat sich keinerlei Mühen gemacht, den Auftrag des Bürgerbegehrens ernsthaft zu verfolgen. Eine Maßnahmenliste zur Überzeugungsarbeit gegenüber den KirchenvertreterInnen, die die BI erstellt hatte, wurde vollkommen ignoriert.”
Sie weist darauf hin, dass der Oberbürgermeister nur wenig Interesse an der Umsetzung des Bürgerbegehrens hat, da er selbst für den Wiederaufbau der Garnisionkirche sei. Er “befindet sich in einem ernsthaften Interessenkonflikt.” Das jedoch darf der Stadt nicht zum Nachteil gereichen. Und so erwägt die Bürgerinitiative, die Kommunalaufsicht als Kontrollorgan einzuschalten: “Da der OB die Treuepflicht in einer kirchlichen Stiftung mit seinem Verhalten höher einstuft als die Treuepflicht gegenüber der Potsdamer Bürgerschaft.”
Zudem sieht die Bürgerinitiative die Leiterin des Rechtsamts, Karin Krusemark, “in einem nicht zu tolerierenden Interessenkonflikt: Sie hat für den OB ein Rechtsgutachten erstellen lassen, welches dem OB seine geringe Handlungsfähigkeit gegenüber dem Bürgerbegehren bescheinigte.” Allerdings ist sie nicht nur Leiterin des Rechtsamts, sondern auch Vorstandsmitglied bei der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. “Daher verwundert das Ergebnis des Rechtsgutachtens wenig - genauso wenig wie die Tatsache, dass das im Hauptausschuss am 28. August ‘zitierte’ Rechtsgutachten trotz Nachfragens immer noch nicht veröffentlicht wurde.”
Potsdams Oberbürgermeister wird von der Bürgerinitiative dazu aufgefordert, den Kuratoriumssitzungen so lange fernzubleiben, wie er “die Maßnahmenliste nicht abgearbeitet hat”.
“Überraschend dagegen findet die BI die Kaltschnäuzigkeit, die die Kirchenmänner im Kuratorium an den Tag legen” schreibt die Bürgerinitiative in ihrer Pressemitteilung. “Sie beharren stur auf dem Wiederaufbau der Garnisonkirche und nehmen die Stadt in Geiselhaft. Die von der Stiftung immer wieder angeführte sogenannte Versöhnungs- und Friedensarbeit wirkt nur noch wie ein Hohn.”
3 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Oberkirchenmeister Jakobs macht seine Sache doch gut.
Simon Wohlfahrt am Permanenter Link
Für alle Gegner*innen des Wiederaufbaus steht immer noch die Online-Abstimmung "Kein Geld für den Aufbau der Potsdamer Garnisonkirche" bei change.org zur Verfügung.
https://www.change.org/p/kein-geld-f%C3%BCr-den-aufbau-der-potsdamer-garnisonkirche
#Bitte weiterverbreiten, damit die 5.000 voll werden!#
Sven Schultze am Permanenter Link
Hallo und danke für den Hinweis! Habe soeben unterzeichnet!
Ich arbeitete einige Jahre in Potsdam und habe dort studiert. In diesen Jahren ist mir der "Umbau" - der architektonische wie gesellschaftliche - schmerzhaft bewusst geworden. Viele meiner Kollegen und Bekannten waren strikt gegen einen Wiederaufbau und wunderten sich, warum er dennoch so forciert wurde. Die Zeit der Resignation darüber ist nun aber wohl vorbei! Außerdem ist die teure Nikolaikirche abgesehen von Touristen auch mächtig leeeeer. Der Aufbau des Stadtschlosses war schon schlimmes Zeichen an die Bürger genug. Noch ein antidemokratisches Mahnmal für ein paar MInderheiten muss nicht sein!