Ein Systemfehler der grossindustriellen Milch- und Fleischproduktion?

Die Schlachtung tragender Rinder

kuehe.jpg

BERLIN. (hpd) Die Diskussionen um die Schlachtung von Kühen, die bereits im 3. Trimester tragend sind, ist nicht neu. Aktuell kam sie wohl auch nur wieder auf, weil es neue Forschungsergebnisse darüber gab, welche Auswirkungen die Trächtigkeitshormone auf das Fleisch haben.

Diese Hormone haben ab dem 7.Monat einen Einfluss auf die Qualität des Fleisches (Kühe sind 9 Monate und +/- 10 Tage trächtig). Es muss in Deutschland nicht kontrolliert werden, ob eine Kuh im Schlachthof tragend ist oder nicht. Vor dem Schlachten wird die Kuh durch einen Bolzenschuss betäubt, das hat allerdings keine Wirkung auf den Fötus, bis dieser durch den Mangel an Sauerstoff elendiglich erstickt.

Die Zahlen spielen aus einer ethischen Sichtweise eine eher untergeordnete Rolle. Sind es 180.000 Kälber jährlich, die schon lebensfähig waren, aber dann qualvoll ersticken – oder sind 9,6 Prozent aller weiblichen Schlachtkühe tragend?
Es kommt jedenfalls häufig genug vor, so dass in der aktuellen Debatte Tierärzte, Bauern, Schlachthofbetreiber und Politiker schon irgendwie einig wirken.
Doch niemand interessiert sich wirklich für solche Grausamkeiten. Die Frage ist vielmehr, wie eine praktikable, sichere, ökonomische Lösung aussehen könnte.

Manche Bundesländer üben jetzt Druck aus, um wieder etwas Bewegung in die Sache zu bringen. Um Lösungsansätze zu finden müssen jetzt Diskussionen miteinander geführt werden. Auch auf nationaler Ebene und darüber hinaus auf europäischer. Denn dort liegen nämlich die Befugnisse für den Tierschutz bei Schlachtungen.
Seit Anfang 2013 gibt es eine EU-weite gesetzliche Regelung zu Schlachtungen, jedoch keine Vorschriften zum Schlachten tragender Tiere. Vielmehr ruft die Europäische Union nach der Eigenverantwortung der Branche.

Nun ist es neben allem anderen auch noch unwirtschaftlich, tragende Rinder zur Schlachtung zu bringen. So kann es nur drei Hauptgründe dafür geben: es handelt sich um 1. fehlgeleitete Tiere, also die Trächtigkeit war dem Landwirt nicht bekannt, 2. das betreffende Tier hat Verletzungen, die eine weitere Nutzung des Tieres ausschließen und 3. Tiere, deren Nutzung aus anderen Gründen unwirtschaftlich erscheint, weil zum Beispiel teure tierärztliche Behandlungen anstehen. Wobei das Schlachten von kranken Tieren verboten ist bzw. in Isolierschlachthöfen passiert.

Tierärzte sprechen davon, dass hinter den tragenden Schlachtkühen kein Zufall oder Managementproblem steht, sondern vielmehr beginnende Krankheiten, Probleme oder Leistungszurückgang.

Wir reden hier über die Lebensmittelindustrie – wenn Milch und Fleisch fast nichts mehr wert sind, verliert das Einzeltier leider auch immer mehr an Wert. Wobei es Unterschiede zwischen Fleisch- und Milchproduktion gibt. Und natürlich gibt es auch immer gute und schlechte Betriebe oder Schlachthöfe. Doch um wie vieles höher wäre denn der Aufwand, bei jeder Kuh frühzeitig einmal rektal eine Trächtigkeitsüberprüfung durchzuführen, zu dokumentieren und diese Tiere von vornherein eben nicht zum Schlachten zu bringen? Da wir hier von Trächtigkeitsstadien von mehr als 3 Monaten sprechen, wäre es unproblematisch, manuell, schnell und sicher durchzuführen.

Doch hinter den grausamen Auswüchsen unseres Umgangs mit Lebensmitteln - sowie der gigantischen Industrie, die dahinter steht - bleiben ethische Werte auf der Strecke.

 


Weiterführende Links:
Tierschutzbund
Kleine Anfrage im Bundestag
Pressemitteilung der Bundestierärztekammer