Österreich

Der Angriff auf die Arbeitslosen

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Wien: Warten auf die Bahn
Wien: Warten auf die Bahn

WIEN. (hpd) In Österreich sind fast 400.000 Menschen arbeitslos. Tendenz steigend. In dieser Situation bläst die ÖVP zum Kampf gegen die Arbeitslosen. Sie fordert, den Druck auf Betroffene zu erhöhen, eine neue Stelle anzunehmen.

Knapp 26.000 Stellen hat das österreichische Arbeitsmarktservice, das Pendant zum deutschen Arbeitsamt, den mehr als 390.000 Arbeitslosen anzubieten. Besserung ist nicht in Sicht.

Die Austeritätspolitik der deutschen Bundesregierung würgt die Konjunktur in der EU ab. Das schlägt auch auf Österreichs Arbeitsmarkt nieder. Zumal sich die christkonservative ÖVP, Juniorpartner in der rot-schwarzen Koalition, vehement gegen ernsthafte Entlastungsprogramme sperrt.

Wirtschaftsminister will längere Arbeitswege erzwingen

Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) fordert angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit, den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen, eine neue Stelle annehmen zu müssen. Geht es nach ihm, sollen Betroffene nur mehr Stellen ablehnen können, die weiter als 75 Minuten vom Wohnort entfernt sind, wollen sie ihr Arbeitslosengeld nicht verlieren. Bisher hatte eine Grenze von 60 Kilometer gegolten.

AMS-Vorstand Johannes Kopf setzt auf diese Forderungen eines drauf: Auch Ausnahmebestimmungen für alleinerziehende Mütter kleiner Kinder sollten aufgeweicht werden. Bisher konnten die Frauen nicht an Stellen mit mehr als 16 Stunden pro Woche zwangsvermittelt werden. Das sollte garantieren, dass sie die Betreuung ihrer Kinder sicherstellen können.

Kopf erscheinen 20 Wochenstunden zumutbar. Der ehemalige Mitarbeiter der Industriellenvereinigung sitzt auf einem ÖVP-Mandat im Vorstand des Arbeitsmarktservice.

Wirtschaftskammerchef für Jobs auch mit deutlich schlechterer Bezahlung

Auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl spricht sich für mehr Druck auf Arbeitslose aus. Freilich deutlich diplomatischer. Es geht nicht notwendigerweise um strengere Reglungen, sagt er gegenüber Medien. Um das dänische Modell einzufordern.

In Dänemark können Arbeitslose, anders als in Österreich, auch gezwungen werden, Jobs anzunehmen, die deutlich schlechter gezahlt als die alten sind und unter ihrer Qualifikation liegen. In Österreich können Arbeitslose Jobangebote ablehnen, wenn der Lohn weniger als 75 Prozent des letzten Einkommens ausmachen würde.

“Da wird ja die Milch sauer”

Leitls Diplomatie hat möglicherweise mit den Erfahrungen zu tun, die AMS-Vorstand Kopf machte. Seine Äußerungen riefen im größten Online-Forum des Landes, dem der Tageszeitung Standard, eine heftige Diskussion mit mehr als 1.600 Postings hervor. Die Begeisterung über die Kopfschen Vorstellungen war höflich formuliert enden wollend.

Kopf habe keine Ahnung von den Verhältnissen, unter denen Arbeitslose lebten und vergesse, dass Pendeln auch etwas koste, so der Grundtenor. Jemandem in einer privilegierten Position wie der seinen falle es leicht, Verschlechterungen für Andere einzufordern, deren Auswirkungen er sich gar nicht vorstellen könne.

Die Reaktion des Gescholtenen auf Twitter: Bei so viel negativer Energie werde ja die Milch sauer.

Auch ÖVP-Sozialsprecher für härtere Gangart

Auch der Sozialsprecher der ÖVP im Nationalrat, August Wöginger, gibt sich gegenüber Medien diplomatischer. Strengere Regeln seien nicht notwendig. Er habe den Eindruck, die aktuellen Regeln würden nicht zur Gänze ausgeschöpft. Seinen Schilderungen zufolge muten AMS-Mitarbeiter vor allem älteren Arbeitslosen keine überlangen Arbeitswege zu. Subtext: Das AMS solle Arbeitslosen gegenüber die volle Härte des Gesetzes anwenden.

Die Praxis kennt er freilich nur von Sprechtagen in seinem Heimatbezirk Schärding im Innviertel, an der Grenze zu Bayern.

Gewerkschaften, SPÖ: Njet

Bei Gewerkschaften und dem Koalitionspartner SPÖ stoßen die ÖVP-Pläne gegen Arbeitslose auf eher überschaubare Gegenliebe. Von Bundeskanzler Werner Faymann kommt ein klares “Nein”. Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer verweist darauf, dass es nicht am Arbeitswillen der Betroffenen scheitere, sondern schlicht daran, dass es nicht genügend Arbeitsplätze gebe.

Womit man wieder bei der Statistik des Arbeitsmarktservice wäre.