NSA-Untersuchungsausschuss

"Regin" und der geheimste aller Ausschüsse

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BERLIN. (hpd) Gestern tagte der NSA-Untersuchungsausschuss und kaum jemand nahm das noch wahr. Als er im März dieses Jahres eingesetzt wurde, haben alle Medien darüber ausführlich informiert. Dabei hat das Thema keineswegs an Brisanz verloren.

Erst am vergangen Sonntag enthüllte Symantec, ein auf Anti-Viren-Software spezialisiertes Unternehmen, dass eine neu entdeckte Spionage-Software über Jahre Unternehmen, Behörden und Forschungseinrichtungen vor allem in Russland und Saudi-Arabien ausgespäht hat. Dieser Trojaner mit dem Namen “Regin” soll zunächst von 2008 bis 2011 aktiv gewesen sein; zwei Jahre später sei dann eine neue Version aufgetaucht.

In der ersten Symantec-Meldung ist noch die Rede davon, dass nicht klar ist, aus wessen Softwarelabor Regin stammt. Klar war nur, dass es sich aufgrund der Komplexität des Programms um eine staatliche Stelle handelt, die hinter dem Trojaner steckt.

Inzwischen verdichtet sich der Verdacht, dass Regin ein Werkzeug der Geheimdienste der USA und Großbritanniens ist. Der Chef des niederländischen Sicherheitsunternehmens Fox IT, Ronald Prins, ist sich dessen sogar sicher. “Prins sagt, die Analysten seines Unternehmens hätten die mächtige Schadsoftware schon in Aktion beobachtet - offenbar, nachdem man sie auf den Rechnern eines Fox-IT-Kunden gefunden hatte.”

Das wurde inzwischen auch von Symantec und weiteren Sicherheitsfirmen wie Kapersky Lab und F-Secure bestätigt. Die Erkenntnisse der drei Unternehmen lassen sich jetzt miteinander verknüpfen und auswerten. Danach wird klar: Regin ist offenkundig ein zentraler Bestandteil der Überwachungs- und Spionagearchitektur von NSA und GCQH, “theoretisch längst bekannt, aber bislang nie klar identifiziert”.

Es spricht Bände, dass diese Enthüllungen durch Unternehmen und Medien erfolgen. Die Politik - und hier leider auch der NSA-Untersuchungsausschuss - hüllen sich in tiefes Schweigen und geheimdiensteln. Selbst den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses wird untersagt, ihre in den Sitzungen angefertigten Notizen zu behalten. Sie dürfen sie nach der Befragung “nicht behalten, sondern müssen sie ”in einer so genannten ‘Geheimhaltungsstelle’ abgeben“ meldet die Tagesschau. Es ist auch jetzt schon klar, dass ”besonders brisante“ Informationen im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses nicht stehen werden - denn sie dürfen es nicht. Denn ”eine Veröffentlichung von ‘streng geheim’ eingestuften Informationen könne das Staatswohl gefährden."

Das mag in einigen Ausnahmefällen der Fall sein; doch stellt sich die Frage, was schwerer wiegt: das Ausspionieren aller Bürger eines Landes - oder die Gefahr, das offen zuzugeben.

Die Regierung versucht auch alles, um die Arbeit des Ausschusses zu erschweren. In der vergangenen Woche wurde die umstrittene Geheimhaltungspraxis noch verschärft. “Nach Angaben der Ausschussmitglieder von Grünen und Linke ließ sie die Vernehmung eines hochrangigen BND-Mitarbeiters mit der höchsten Geheimhaltungsstufe ‘streng geheim’ einordnen.( Dies bedeutet laut Geheimschutzordnung des Bundestags, dass Kenntnisse der Vernehmung durch Unbefugte den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würde”. (…) Selbst Vertreter der Ministerien mussten zunächst die Sitzung verlassen, weil sie nicht die erforderliche Sicherheitsüberprüfung vorweisen konnten."

Das IT-Portal Golem schreibt weiter: “Die Abgeordneten von Linke und Grünen vermieden am Dienstag vor Journalisten jede Andeutung, was den Inhalt der Vernehmung betrifft. Zu groß ist die Furcht, dass die Regierung ihre Drohung durch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) wahrmachen könnte und Strafanzeige wegen Geheimnisverrats stellt.”

Da wundert es nicht, dass Medien über diese Inhalte nicht informieren und nicht informiert werden. Das ist nicht nur - wie die Tagesschau vermutet - eine gewisse "Ermüdung der Debatte. Wenn selbst die Tatsache, dass der Generalbundesanwalt nun doch nicht wegen der Überwachung des Kanzlerin-Handys ermitteln will, kaum noch ein mediales Echo hervorruft, stehen die Chancen gut, dass sich die Aufregung um den gesamten Skandal irgendwann von ganz alleine legt.

Auch, wenn Thorsten Denkler in der Süddeutschen Optimismus verbreitet: “Es könnte für BND und Bundesregierung ein Kampf auf verlorenem Posten sein. ‘Obwohl die Regierung versucht, im Ausschuss voll durchzubremsen, lassen sich die Dinge nicht unter der Decke halten’, sagt von Notz [Grünen-Obmann im Ausschuss]. Dafür habe Edward Snowden mit seinen NSA-Akten ‘zu viel Substanz an die Öffentlichkeit getragen’.”