Chaos im NSA-Untersuchungsausschuss

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Plenarsaal des Deutschen Bundestages
Plenarsaal des Deutschen Bundestages

BERLIN. (hpd) Der Obmann der Unionsfraktion in NSA-Untersuchungsausschuss, Roderich Kiesewetter, sieht seine Arbeit vom BND kompromittiert. Deshalb trat er zum 1. März des Jahres zurück. Damit nicht genug, versucht der BND offenbar, den Ausschuss gezielt zu diffamieren.

Die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses trafen sich am vergangenen Freitag zu einer außerordentlichen Krisensitzung. Ihr Vorwurf: Der Bundesnachrichtendienst (BND) unterstützte sie bei der Aufklärung der Spähaffäre nicht. Im Gegenteil behindere er ihre Arbeit.

Das betrifft auch Roderich Kiesewetter, den Obmann der Unionsfraktion, der seine Arbeit vom BND kompromittiert sieht. Kiesewetter, der als "fleißig und sehr ehrgeizig" gilt, hatte als Begründung für seinen Rücktritt Arbeitsüberlastung und "aktuelle außenpolitischer Herausforderungen" angegeben. Tatsächlich scheint es jedoch so zu sein, dass der Auslandsgeheimdienst BND im Reservistenverband, dessen ehrenamtlicher Präsident Kiesewetter seit 2001 ist, zwei Führungsmitglieder platziert hat. "Wenn herauskäme, dass 'sein' Verband von indirekten Mitarbeitern des BND geführt wird, fürchtet er, wirkte seine Strategie, den BND im NSA-Untersuchungsausschuss zu verteidigen, plötzlich wie eine Auftragsarbeit. Deshalb gibt er den Obmann auf" schreibt die WELT.

Denn Kiesewetter verteidigte im NSA-Untersuchungsausschuss immer wieder die Linie der Kanzlerin. Der Ausschuss hat bisher gut Arbeit geleistet, wie auch die ZEIT anerkennen muss. "Bester Beleg dafür: Sowohl der Bundesnachrichtendienst (BND) als auch der britische Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) beschweren sich derzeit heftig über die Arbeit der Bundestagsabgeordneten. Sie fürchten, zu viel könnte dort bekannt werden."

Die Mitglieder des Untersuchungs-Ausschusses vermuten, dass sie durch einen Bericht im Focus und durch die Äußerungen von Kanzleramtsminister Altmaier - der dem Mitgliedern Strafe androhte - eingeschüchtert werden sollen. Sie haben sich jetzt darüber offiziell beschwert und am vergangenen Freitag eine entsprechende Protestnote an den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert geschickt.

Als bei einer als öffentlich eingestuften Anhörung am vergangenen Mittwoch BND-Chef Gerhard Schindler und der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, freimütig über eine bisher unbekannte Operation berichten, hieß es hinterher, dass von den Aussagen nichts an die Öffentlichkeit dringen darf. Auch dies lässt die Vermutung zu, dass nur darauf gewartet wird, dass ein Mitglied des Ausschusses darüber öffentlich berichtet, was in der Sitzung besprochen wurde, um ihn hinterher strafrechtlich zu belangen. Diese Drohgebärde führt zu einem Skandal: die Obleute verlassen den Raum und beschließen die Protestnote an den Bundestagspräsidenten.

Tags drauf berichtet der Focus über die Beratung.

Nach Angaben von netzpolitik.org drohte BDN-Chef Gerhard Schindler dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag, "dass dieser sich nicht zu sehr mit den kriminellen Machenschaften des britischen Geheimdienstes GCHQ beschäftigen sollte. Denn sonst wäre der Bundesnachrichtendienst blind."

Die Tech-Seite Golem vermutet gar, dass der GCHQ selbst hinter dem Druck steht, der auf den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags ausgeübt wird, "der sich bislang noch gar nicht mit deutsch-britischen Geheimdienstkooperationen befasst hat."

Der britische Geheimdienst steht auch im eigenen Land unter Druck: Das britische "Investigatory Powers Tribunal" hat entschieden, dass die Datensammlung über britische Bürger der vergangenen Jahre gegen die Menschenrechte verstößt. Das "Investigatory Powers Tribunal" ist das einzige Gericht in Großbritannien, das Untersuchungen über die britischen Geheimdienste MI5, MI6 und das GCHQ durchführen darf. Die Entscheidung des Gerichts könnte eine Klagewelle auslösen - die Angst davor könnte den GCHQ dazu veranlassen, nun in Berlin seine Muskeln spielen zu lassen.