BERN. (hpd) Worauf basieren unsere Entscheidungen – die weniger wichtigen, aber insbesondere auch die “grossen” und folgenreichen Entscheidungen? Welche Kriterien evaluieren wir bei Entscheidungsvorgängen, und wie genau gehen wir dabei vor? Üblicherweise gehen wir davon aus, dass unsere Entscheidungen auf den von uns als entscheidungsrelevant wahrgenommenen Aspekten basieren. Weshalb auch nicht?
Tatsächlich suggerieren die Ergebnisse entsprechender wissenschaftlicher Experimente, dass dies keineswegs der Fall sein muss. Sind es also vielleicht oft vielmehr Faktoren, die wir prima vista als entscheidungsirrelevantbetrachten würden, die unsere Handlungen – zu womöglich grösseren Teilen, als uns lieb wäre – bestimmen? Eine zentrale Einsicht der verhaltensökonomischen und -psychologischen Forschung ist der Fakt, dass wir die Qualität unserer Entscheidungsfindung generell deutlich überschätzen. Dan Ariely, Vehaltensökonom und Autor von Predictably Irrational, verwendet kognitive Illusionen, um aufzuzeigen, dass wesentliche Aspekte unsere Entscheidungsfindungsprozesse oft gar systematisch irrational sind. Damit knüpft er im Wesentlichen an die Forschung von Daniel Kahnemann an, den Entdecker der sogenannten „Biases“.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Einige Länder weisen Organspender-Quoten von (nicht selten) bis zu 100% auf, während andere Länder lediglich Werte von 28%, 12% oder (meistens) gar noch weniger aufweisen. Wie kann das sein? An kulturellen Unterschieden, wie man vielleicht vorerst vermuten könnte, liegt es nicht. Es lassen sich nämlich jeweils diverse kulturell homogene Länderpaare finden, die sich in der Spenderquote deutlich unterscheiden. Und ebenso gibt es auch zahlreiche Länderpaare, die kulturell heterogen sind, aber sehr ähnliche oder gar identische Bevölkerungsanteile von Organspendern aufweisen. Auch systematische öffentliche Ermunterungen zum Organspenspenden vermögen die Unterschiede nicht zu erklären. In einem Land wurde gar an jeden einzelnen Haushalt ein Brief mit der Bitte versandt, sich zur Organspende bereit zu erklären – und obwohl diese Massnahme durchaus eine gewisse Wirkung hatte, findet sich dieses Land in der Gruppe mit den vergleichsweise signifikant tieferen Werten. Woher rühren also diese beträchtlichen Unterschiede?
Die Erklärung liefert Dan Ariely in seinem TED Talk mit dem Titel “Haben wir Kontrolle übere unsere Entscheidungen?”. Nur so viel sei gesagt: Die Antwort findet sich in einem vermeintlich irrelevanten Detail. Dass diese „Kleinigkeit“ aber höchst folgenschwere Entscheidungen – schliesslich stehen dabei Leben auf dem Spiel! – zu beträchtlichen Teilen beeinflussen kann, wirft Fragen auf, und zwingt uns, an unserer generellen Entscheidungsqualität zu zweifeln. Die gute Nachricht ist: Wenn wir uns dieser systematischen Irrationalitäten bewusst werden, und uns antrainieren, sie als solche zu erkennen, dann können wir sie auch zu umgehen lernen. In dieser Hinsicht ist im Übrigen auch Dan Arielys Forschung motiviert.
Zuerst veröffentlicht auf dem Blog der Giordano-Bruno-Stiftung Schweiz
4 Kommentare
Kommentare
Patrick Neumann am Permanenter Link
Was genau ist jetzt also die Erklärung? Was soll die Andeuterei?
Ich persönlich betrachte meine Entscheidung für eine Organspende schon als rational begründet... Kann natürlich sein, dass ich sie mir hinterher nur rechtfertige - aber wäre dann ja interessant zu wissen, was wirklich der Grund ist.
Thomas Reutner am Permanenter Link
Wenn deine Entscheidung bezüglich der Organspende wirklich gut begründet ist, dann fällst du zumindest in dieser Sache, dem im Video dargestellten Prinzip der irrationalen Entscheidungen, heraus.
Und ansonsten wäre die Antwort auf die Frage nach dem Grund: Es gibt keinen (vernünftigen) Grund. Die Entscheidungsfindung ist zu komplex und zu schwierig, deshalb lässt man lieber andere entscheiden - deshalb lässt man das Häkchen so wie es ist, egal welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das offenbar (?) 'relevante Detail' ist mir leider entgangen. Sry.
C.Scherg am Permanenter Link
Man liest erstaunt und fragt sich, was das Neue an der Erkenntnis ist, dass wir allen Grund haben "an unserer generellen Entscheidungsqualität zu zweifeln"?!
Und "die gute Nachricht" des Autors, dass wir erfolgreich gegen unsere Irrationalität angehen können, wenn wir uns ihrer "bewusst werden und uns antrainieren, sie als solche erkennen", ist als Erkenntnis ebenso alt wie die oben erwähnte dritte Kränkung der Menschheit - nichts anderes hat Freud und die Psychoanalyse gelehrt. Dass man sich jetzt bezüglich Rationalität aus verhaltenspsychologischen Sicht gerne von Mr. Spock distanzieren möchte ist verständlich, bleibt aber unglaubwürdig.