Keineswegs hat das Christentum eine Deutung der kosmischen Konstellationen mit ihrem Einfluss auf das Schicksal der Menschen und alles Geschehen auf der Erde durchgängig abgelehnt. So etwa war Alfons X. (der Weise) von Kastilien (1221–1284) nicht nur ein damals bedeutender Astronom, sondern betätigte sich auch als Astrologe.
Papst Julius II. (1443–1513), erfolgreicher Kriegsherr und Politiker, Förderer der Künste und Wissenschaften, größter Bauherr Roms, Begründer des Kirchenstaates, der Bramante (1444- 1514), Michelangelo (1475–1564) und Raffael (1483–1520) förderte, das 5. Laterankonzil einberief, übrigens aus kleinen Verhältnissen stammte, folgte ausschließlich astrologischen Erkenntnissen. Die von ihm errichteten Bauwerke haben bis heute Bestand.
Papst Paul III. (1468–1549), der Bestätiger des Jesuitenordens, bewährt als kluger Diplomat, der Michelangelo zur Vollendung der Peterskirche beauftragte, der Gelehrte und Künstler beschützte und mit dem Konzil von Trient eine entscheidende, bis heute gültig gebliebene Weichenstellung bewirkte, war ein überzeugter Anhänger der Astrologie.
Aus der Geschichte der Astronomie sind die im Folgenden aufgeführten Gelehrten, die gleichzeitig auch als Astrologen arbeiteten, nicht wegzudenken: Paracelsus (1494–1541), der als erster den Zusammenhang von Kosmologie und Medizin erkannte und somit die Analogie von Makrokosmos und Mikrokosmos. – Tycho Brahe (1546–1601), der als Astronom zugleich Astrologe Friedrichs V. von der Pfalz (1596–1632) und Kaiser Rudolfs II. (1576–1612) war.
Johannes Kepler (1571–1630), der Wallenstein beriet und in Schillers Trilogie als Astrologe Seni erscheint, stellte fest “Die Wirkung der Gestirnaspekte ist so klar, daß nur der sie leugnen kann, der sie nicht selber geprüft hat.”
Isaak Newton (1643–1727) konterte während einer Diskussion über Astrologie gegen den geringschätzigen Einwurf eines Astronomen: “Der Unterschied zwischen Ihnen, Mr. Halley (1656–1742) und mir ist, daß ich mich damit beschäftigt habe und Sie nicht.”
Schließlich sei noch Ernst Jünger (1895–1998) zitiert, der die zutreffende Feststellung traf: “Unsere Wissenschaft läßt sich ohne weiteres und ohne Rangminderung im astrologischen System unterbringen, nicht aber umgekehrt.”
Dieser Abschnitt sei mit zwei Fragen an den Leser abgeschlossen:
Welche Wissenschaft außer der Astronomie und der Kosmologie hat nicht ihr Wissen von gestern heute über Bord werfen oder zumindest korrigieren müssen und denkt sich nicht morgen selbst zu überflügeln? Ist Realität nur dann Realität, wenn sie wissenschaftlich nachgewiesen und erklärt worden ist?
Verantwortung als ethisches Postulat
Welches Fazit ist folgerichtig und konsequent aus dem bisher Erkannten und Gesagten zu ziehen? Wir müssen den freien Willen bestreiten, die Willensfreiheit des Menschen, den Indeterminismus und haben den Determinismus, ja Fatalismus als Weltgesetz erkannt. Wir sind aus den gewonnenen Einsichten ebenfalls genötigt, das Kausalitätsgesetz zu bestreiten und leugnen somit jegliche Kausalität, also das Gesetz von Ursache und Wirkung, weil jede Kausalkette ins Unendliche, Grenzenlose führt wie die Abfolge von Zeit und die Ausdehnung des Raumes. Wenn aber Willensfreiheit und Kausalität entfallen, so entfällt folglich auch jede Schuld, ist die Schuldfähigkeit des Menschen zu bestreiten. So stünde der konsequent denkende Determinist vor theoretisch und praktisch unlösbaren Problemen; denn welche Begründung sollte es nun noch für das Postulat der Verantwortung und Verantwortlichkeit geben, wenn es nicht ein anderes, meist übersehenes und somit im Denken vernachlässigtes Gesetz gäbe, nämlich das der Synchronizität, der Analogie, der Entsprechungen, das den gesamten Kosmos und das in ihm existierende Leben und Geschehen im Sinne eines einzigen zusammenhängenden, in sich in allen Einzelheiten miteinander verbundenen und gleichsinnig funktionierenden Organismus. In dieser Sicht sind zum Beispiel Tat und Strafe eins, die Tat enthält schon in sich die Strafe, und zwar nicht im Sinne einer übergeordneten oder gesetzmäßigen Gerechtigkeit, sondern als kosmisch bedingter Mechanismus, besser gesagt: Funktionalismus.
Und wenn die Tat unentdeckt und somit eine Bestrafung ausbleibt, leidet der Täter unter ihr umso mehr. Nicht selten hat diese innere Belastung schon manchen Täter zum freiwilligen Geständnis gedrängt, weil er sich durch äußere Bestrafung von der inneren Last befreien wollte.
Thomas Mann (1875–1955) greift diesen Gedanken auf in seinem “Zauberberg”, wo es heißt, “daß der Begriff der Schuld durch den Determinismus nicht nur nicht abgeschafft werde, sondern sogar durch ihn noch an Schwere und Schaudern gewönne.” Und weiter: “Der Verbrecher sei von seiner Schuld durchdrungen wie von sich selbst. Denn er sei, wie er sei, und könne und wolle nicht anders sein, und das eben sei die Schuld. … Der Mensch sei, wie er habe sein wollen und bis zu seiner Vertilgung sein zu wollen nicht aufhören werde; er habe eben ‘für sein Leben’ gern getötet und bezahle folglich mit seinem Leben nicht zu hoch. Er möge sterben, da er die tiefste Lust gebüßt habe.” [3]
Auch Bosheit zum Beispiel ist schon an sich Bestrafung für den Boshaften oder Bösartigen; denn sie zieht für ihn notwendig Böses nach sich, das im Keim bereits enthalten, also latent vorhanden war. Sie ist ein schicksalshaft gegebenes Defizit und enthält linear im Sinne einer organischen Funktion die Folgen, die in ihr bereits vorhanden sind wie die Pflanze im Samenkorn, wie die Henne im Ei. Schon im Säugling liegt der Keim des fertigen Menschen in seinem Entwicklungsgang. Die Volksweisheit: Es wurde ihm bereits in die Wiege gelegt, enthält diese Erkenntnis, und diese gilt für den Verbrecher ebenso wie für den Philologen, den Ethiker wie den Moralisten.
Jeder Ablauf ist unausweichlichen Gesetzen in Synchronizität unterworfen wie etwa der Ablauf der Jahreszeiten in Entsprechung zum Sonnenstand zur Erde oder eigentlich des Erdumlaufs um die Sonne. Vergleichbare Entsprechungen erkannte Ernst Kretschmer (1881–1964), wenn er aus dem Körperbau Charaktereigenschaften abzuleiten vermochte oder Ludwig Klages (1872–1956), der feststellte: “Der Leib ist die Erscheinung der Seele, und die Seele ist der Sinn des lebendigen Leibes”. Zur Verdeutlichung möchte ich hier modifizieren: Die Seele erfüllt den Sinn des lebendigen Leibes.
Notabene: auch der “Zufall” im landläufig gebräuchlichen Sinne ist nach dem Erkannten folgerichtig zu bestreiten. Zufall ist – wörtlich zu nehmen - das, was mir zufällt, was mir vom Schicksal bestimmt ist. Im Lichte des das Synchronizitätsgesetz einbegreifenden Determinismus ergibt sich aber ein weiteres Problem, nämlich das der Gerechtigkeit, die von den meisten ethisch wie moralisch denkenden, besonders aber von religionsgebundenen, einen Gott voraussetzenden Menschen für unverzichtbar und damit unabdingbar gehalten wird. Wir haben jedoch bei unvoreingenommener Beobachtung alles zurückliegenden Geschehens – und so auch im Hinblick auf das künftige – zu konstatieren, dass es keine Gerechtigkeit gibt, dass es sich bei dieser zwar um ein ehrenwertes Postulat, in Wirklichkeit aber um eine bloße Fiktion, um ein Phantom handelt. Wo sie aber gleichwohl angestrebt wird, ist sie in der Regel gleich wieder zum Scheitern verurteilt.
Dafür seien nur wenige Beispiele angeführt. So schließt die von Politikern und anderen Phantasten angestrebte Gleichberechtigung von Mann und Frau jede Gerechtigkeit aus, weil damit beide Geschlechter, vor allem aber die Frauen, benachteiligt werden. Nur eine Andersberechtigung, von der nie die Rede ist, könnte den Betroffenen in etwa gerecht werden. Oder wenn ein Lehrer alle Kinder seiner Schulklasse gleich behandeln würde, eben um allen gleicherweise gerecht zu werden, so würde er gegen alle, ihre jeweilige Individualität vernachlässigend, ungerecht sein. (Auch ich bin hier schon allen Lehrerinnen der Welt nicht gerecht geworden, weil ich die Lehrerinnen sogar an erster Stelle hätte nennen müssen!)
Kein Entscheidungsträger, ob Eltern, Erzieher, Vorgesetzte, Richter, vermag ständig gerecht zu sein, so sehr er sich auch darum ehrlich bemühen mag.
Hier ist ins Auge zu fassen, dass die Natur selber keine Gerechtigkeit kennt; im Gegenteil verfährt sie gegen Schwächeres und Schwächere in aller Regel rücksichtslos und grausam. Wenn etwa ein kleines ahnungsloses Kind sich aus natürlicher Neugier die Hand an der Flamme einer Kerze verbrennt, nach der es in verständlicher Wissbegier greift, um sie zu begreifen, so wird es ohne jede Schuld mit Verbrennung bestraft.
Auf anderer Ebene, und freilich unter ethischen Gesichtspunkten, sind aber auch Täter und Tat eins, sind identisch wie der Mensch und sein Schicksal. Der Täter begeht die Tat zwanghaft aus unwiderstehlichem inneren Antrieb, er ist zu ihr determiniert. Das wird insbesondere deutlich an der Regelmäßigkeit der Straftaten rückfälliger Täter. Welcher Verbrecher zum Beispiel entschließt sich denn wirklich zur Tat, insbesondere wenn er die lange qualvolle Zeit der Inhaftierung kaum hinter sich gebracht hat und sich wieder frei fühlen darf.
Gerade in Fällen schwerer Verbrechen, in denen der Täter die ihn niederdrückenden Folgen aus Erfahrung kennt, ist er offensichtlich gegenüber der neuen Untat machtlos, merkwürdig dumpf und triebhaft, dabei in der Regel auch blind und völlig unempfindlich für Gefühle und Rücksichten, aber meist absolut klar bei der Planung und Durchführung. Er wird offenbar unwiderstehlich, wie magnetisch angezogen, die Tat allen Überlegungen und guten Vorsätzen zum Trotz zu begehen.
Er ist insofern unschuldig, ihn trifft wegen übermächtiger Zwänge, denen er nicht widerstehen kann, keine Schuld. Wie aber kann man ihn dennoch verantwortlich machen und bestrafen? Freilich wäre hier zunächst weiterhin statt des veralteten inhumanen Strafrechts ein Maßnahmenrecht zu fordern, das die Gesellschaft vor ihm zu schützen geeignet wäre, indem man ihn selbst vor weiteren “Straftaten” sicherte, so wie es Fritz Bauer (1903–1968), Helga Einsele (1910–2005), Heinrich Hannover (geb. 1926), Birgitta Wolf (1913–2009) u.a. schon vor vielen Jahren vergeblich gefordert haben. Eins jedoch ist und bleibt unverzichtbar, nämlich die Forderung nach Verantwortung für jede Handlung, erst recht für eine solche, die andere Menschen schädigt. Das erfordert unabdingbar der Rechtsgüterschutz, der auch ohne Vergeltung, ohne Rache, ohne Strafbedürfnis gewahrt sein kann und gewährt sein muss.
Täter und Tat sind nicht zu trennen, die Tat ist im Täter angelegt, und so wird der Täter nach dem Gesetz der Analogie nicht bestraft, weil er Böses tat, sondern weil er böse ist. Wir müssen die Folgen unseres Handelns auf uns nehmen, müssen dafür einstehen, was wir taten, wir müssen schicksalshaft dulden, was uns das Schicksal bestimmte und auferlegte.
Im Übrigen gibt es im alltäglichen Leben eine Unzahl von Beispielen, wo ohne Schuld verantwortet werden muss. Unter dem Gesichtspunkt der Regresspflicht können wir alle auch ohne Schuld zu Schuldnern und damit verantwortlich gemacht werden. So haften Eltern für ihre unmündigen Kinder, wir haften für unabsichtliche, versehentlich verursachte Schäden, worüber jede Versicherung in ihren Policen zahlreiche Fälle vorsieht; wir haften auch für unsere wohlgemeinten Irrtümer, für die Beschädigung entliehener Sachen durch Dritte.
So bedarf es nicht einmal einer Schuld, um zur Verantwortung gezogen werden zu können. Verantwortung aber ist unverzichtbar, jedoch sie ergibt sich nicht aus einer (grundsätzlich zu leugnenden) Schuld, sie ergibt sich aus dem uns zugeteilten Schicksal.
Die Talente sind ungleichmäßig verteilt, insofern ist uns Ungerechtigkeit schon in die Wiege gelegt worden. Es gehört zu unseren alltäglichen Beobachtungen, dass gute integre, charakterlich einwandfreie und auch hilfreiche Menschen mit fast unerträglichen Leiden “bestraft” werden, manche Schurken, Betrüger, rücksichtslose Egoisten, Machtmenschen, Tyrannen und Quäler ihrer Mitmenschen dagegen in einem scheinbar genussvollen Dasein schwelgen.
Ein uraltes Beispiel bietet die Geschichte des unschuldig leidenden Hiob aus der hebräischen Bibel, der dort von Gott auf Grund einer Wette mit Satan gequält und enteignet wird und dazu Vorwürfe und Verdächtigungen seiner Freunde über sich ergehen lassen muss. Der Ausgang dieser von vornherein absurden Geschichte, dass er nämlich gesund und durch Reichtümer entschädigt wird, erweist sich nur als eine fromme und zugleich verlogene Scheinlösung.
Es ist müßig, sich über solche und andere scheinbaren Ungerechtigkeiten zu empören oder gar unter ihnen mitfühlend zu leiden. Schon das subjektiv entlastende naheliegende Wunschdenken, dass diese Unmenschen dann doch wenigstens unter sich selbst, unter ihrer eigenen charakterlichen Missgestalt leiden möchten, enthält den heimlichen Gedanken der Rache, der wiederum nach Gerechtigkeit verlangen möchte.
Von allen diesen Emotionen bleibt der Kosmos samt seinen ehernen Gesetzen unberührt. Des denkenden Menschen aber ist würdig, Tatbestände zu erkennen und anzuerkennen, ebenso gesetzmäßige Zusammenhänge ohne Illusionen und Fiktionen, die auf fehlgedeuteten Beobachtungen beruhen, frei von Selbstbetrug klar zu durchschauen sowie die ihm gesetzten Grenzen zu akzeptieren oder, um es mit Goethe (Maximen und Reflexionen, Erkenntnis und Wissenschaft) gültig zu formulieren: “Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.”
Literatur:
Capra, Fritjof: Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild, München 1988
Goethe, Johann Wolfgang: Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band I Hamburg 1964, Band VII Hamburg 1965
Groos, Helmut: Willensfreiheit oder Schicksal? München 1939
Kühr, Carl Erich: Was steht in den Sternen? Astrologie am Scheideweg. Wien, Freilassing o.J. (1949)
Lehmen, Alfons S.J.: Lehrbuch der Philosophie auf der aristotelisch-scholastischen Grundlage zum Gebrauch an höheren Lehranstalten und zum Selbstunterricht. Zweiter Band, erster Teil: Kosmologie, hrsg. von Peter Beck S.J., Freiburg im Breisgau 1920
Nietzsche, Friedrich: Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwertung aller Werte. Stuttgart 1952
Schepper, Rainer: Gott beim Wort genommen. Das Alte Testament auf dem ethischen Prüfstand. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Horst Herrmann. Argenbühl-Christazhofen 1993
Schepper, Rainer: Warum die Justiz nicht resozialisieren kann. Ein Beitrag zur Frage der Strafvollzugsreform. In: Vorgänge 3–9, München 1971
Schepper, Rainer: Zum Postulat ethischer Befreiung aus den Fesseln der Moral. Begriffsbegrenzung – Individuelle und politische Konsequenzen. In: Carola Baumann / Nina Ulrich (Hrsg.): Streiter im weltanschaulichen Minenfeld. Zwischen Atheismus und Theismus Glaube und Vernunft Säkularem Humanismus und Theonomer Moral Kirche und Staat, Festschrift für Prof. Dr. Hubertus Mynarek, Essen 2009
Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung. Textkritisch bearbeitet und hrsg. von Wolfgang Freiherr von Löhneysen. Frankfurt am Main 1996
-
D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Abteilung 1, Schriften, Weimar 1883 ff, XVIII 720 f., zitiert nach: Hubertus Mynarek: Luther ohne Mythos. Das Böse im Reformator, Freiburg 2012, S. 92 ↩
-
Wolf Singer (Frankfurt Main): Selbsterfahrung und neurobiologische Fremdbeschreibung. Zwei konfliktträchtige Erkenntnisquellen. Ein epistemisches Caveat. In: Hilarion G. Petzold / Johanna Sieper (Hgg.): Der Wille, die Neurobiologie und die Psychotherapie. Band I. Zwischen Freiheit und Determination. Bielefeld und Locarno 2008, S. 225 ↩
-
Thomas Mann, Gesammelte Werke, Zweiter Band. Der Zauberberg, Berlin 1955, S. 651–652. ↩
4 Kommentare
Kommentare
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Ein lesenswerter Beitrag mit einer Fülle interessanter, auch historischer Verweise.
Bemerkenswert die Ausführungen zur Kausalität. Der klassische Begriff als einfache Beziehung zwischen einer Ursache und einer Wirkung wird ersetzt durch ein unüberschaubares, nicht eingrenzbares Geflecht von Ursachen, die ihrerseits wieder in eine unüberschaubare Menge weiterer Ursachen sich aufspalten. Dargestellt wird diese Überlegung an einem ganz einfachen Beispiel, dem Herunterfallen eines Glases.
Es gibt keine Schuld, wohl aber Verantwortung. Die Verantwortung wird dem Täter von der Gesellschaft zugeschrieben. Will die Gesellschaft in Frieden leben, muss sie sich vor Verletzung ihrer Spielregeln schützen. Die Ursache der Verletzung liegt im Täter begründet. Die Ursache der Regelverletzung muss daher beseitigt werden, und zwar durch Therapie, also durch Einfluss von dritter Seite. Bei Nichttherapierbarkeit schlimmstenfalls durch dauerhafte Isolierung des Täters.
Insgesamt ein überzeugendes Plädoyer auch für meine, andernorts ausführlich dargelegte These, dass wir »Bioautomaten« sind.
Oskar Degen am Permanenter Link
n.m.M. ebenfalls lesenswert zu diesem Thema:
Michael Schmidt-Salomon : "Jenseits von GUT und BÖSE"
Föderation des ... am Permanenter Link
Das Heisenberg-Zitat war doch Anlass genug für eine Recherche über den Zusammenhang: http://foederation.de.tf „Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik“.
Stefan Wagner am Permanenter Link
Ich habe doch mehrere Bedenken.
Punkt 1, zum Mond:
<blockquote>
Kapillarverhältnisse bei Vollmond und Neumond in den Pflanzen, Monatszyklus der Frau
</blockquote>
Frauen haben auch weder synchrone Regelblutungen, noch identisch lange Zyklen. Derartige Behauptungen sind m.W. Mythen.
Punkt 2, die Heisenbergsche Unschärferelation.
Diese gilt eben im Größenbereich der Photonen, aber nicht für das Glas, das runterfällt und vorhersagbar zerspringen wird. Ob Quantenphänomene im menschlichen Geist wirksam sind und relevant, oder ob die statistische Vorhersagbarkeit größerer Muster nicht auch hier zu theoretisch prognostizierbaren Wirkungen führt - nur theoretisch, weil wir selten an Meßgeräte angeschlossen sind, und es zu viele Daten wären, die ausgewertet werden müssten - das scheint mir zumindest nicht offensichtlich.
3. Die Freiheit zu wollen.
Ich weiß nicht ob Sie schon mal gezwungen waren mit einem Nachbarn, Kollegen oder Chef zu tun zu haben, oder mit Freunden von Freunden, die Sie sich nicht aussuchen konnten, und die Ihnen spontan unsympathisch waren. Mir ging es schon so, aber aus der Überlegung, dass ich dafür nicht meine Beziehung oder meinen Job aufgeben will habe ich sehr wohl schon die Entscheidung getroffen, mich auf die Person offen, positiv und tolerant einzustellen, und konnte so meine Vorurteile überwinden und Personen etwas abgewinnen - nicht weil sie mir gleich sympathisch waren, sondern weil es mein Wille war, sie sympathisch zu finden.
4. Was wäre denn Ihrer Ansicht nach ein Experiment um den freien Willen einer Person zu testen?
Wenn ich zum Eisverkäufer gehe, und 10 Sorten zur freien Wahl habe - manche Theoretiker lesen sich so, als müsse ich mich zufällig für eine Sorte entscheiden um Freiheit zu demonstrieren. Das wirft die Frage auf wer dieses Ich ist, was dazugehört und was nicht. Meine Vergangenheit und Vorlieben machen mich aus, und daher wird meine Wahl recht vorhersehbar bei Vanille, Schoko und Banane landen und selten bei Erdbeere, Zitrone oder Mango. Eine zufällige Wahl wäre m.E. gerade keine Entscheidung.
Aber was ist, wenn ich Diät halten will, und nicht am Eisstand vorbeikomme? Hier sind - nach psychoanalytischem Modell - unterschiedliche Instanzen meines Selbst involviert, die lustgesteuerte Wunschmaschine hier, das Vernunfts- und fremdgesteuerte Überich andererseits. Hier gibt es Menschen, die oft die Selbstbeherrschung haben auf das Eis zu verzichten und andere, die sie nicht haben.
Man kann aber kaum bestreiten, dass ein Starenkasten an der Ampel viele Fahrer davon abhält die Verkehrsregeln zu übertreten. Die drohende Strafe hat also eine Wirkung und das legitimiert sie meines Erachtens. Der Verkehrsteilnehmer antizipiert die Folgen seines Handelns und nimmt sie in seine Kalküle auf. Dass der Fahrer determiniert ist die rote Ampel zu überfahren, unabhängig von drohenden Strafen, erscheint mir abenteuerlich.
Natürlich hängt mein Wille von meiner Geschichte, von erworbenen Vorlieben, meinem Temperament und unzähligen Einflüssen ab - auch von erwarteten Konsequenzen die ich antizipiere, auch von nur kalkulatorischen, etwa ob ich bei täglichem Schwarzfahren und gelegentlichem Erwischtwerden mehr zahle als für eine Monatsmarke, auch von der zu erwartenden Scham, die mich befällt, wenn ich erwischt werden sollte.
Das Potpurri all der Einflüsse macht mein Ich aus, und den Unterschied, ob ich entscheide oder jmd. anderes - ob meine Ehefrau sagt, dass ich kein Eis zu mir nehme oder ob ich entscheide, ob die Verkehrsbehörde entscheidet wo ich parke, oder ob ich es bin, der sich über die Regeln hinwegsetzt. Nicht andere determinieren mich, sondern ich selbst bin es.
Dabei gibt es unwillkürliche Reflexe, die ich gar nicht mit der Vernunft steuere und sorgfältig überlegte Entscheidungen, in die ich viele Informationen einfließen lasse. Eventuell manövriere ich mich durch Drogenkonsum gewollt in eine Verfassung, in der der Einfluss der Vernunft gedämpft wird.
Die Komplexität der Frage macht es nötig den Begriff der Freiheit und des Willens möglichst präzise zu definieren, weil diese im alltäglichen Sprachgebrauch schillern, und wie vom Autor gezeigt, historisch sehr unterschiedlich betrachtet wurden.
Ich hätte noch ein Gedankenexperiment, welches man aber auch gerne in die Tat umsetzen kann, vorgestellt:
Man nehme eine Münze und setze sich an den Tisch. Jetzt wirft man diese 10x. Wirft man Wappen, dann klopft man mit der rechten Hand auf den Tisch. Wirft man Zahl, dann klopft man mit der linken Hand auf den Tisch.
Ich denke, der Leser wird mir zustimmen, dass man die Münze so werfen kann, dass man das Ergebnis nicht vorhersehen und beeinflussen kann. Es gibt aber keinen funktionalen Zusammenhang zwischen Wappen und rechts klopfen und Zahl und links klopfen. Führt man das Prozedere durch und klopft immer wie vereinbart - was sonst als der Wille dies gemäß der willkürlich aufgestellten Regel zu tun sollte es sein, dass die perfekte Korrelation bewirkt? Oder bezweifelt jemand, dass er das Experiment durchführen könnte?