Enteignungen geistlicher Besitztümer aus dem Jahre 1803 als Folge der napoleonischen Kriege haben noch heute staatliche Zahlungen von 480 Mio. Euro jährlich zur Folge. U.a. für die Gehälter von Bischöfen. Der aus der Weimarer Reichsverfassung übernommene Auftrag, diese Zahlungen abzulösen, ist aber bis heute nicht umgesetzt. Kirchliche Veranstaltungen werden mit zum Teil mehrstelligen Millionenbeträgen staatlich subventioniert. Es gibt nicht kündbare Verträge zwischen Staat und Kirche (Konkordate). Darunter das Reichskonkordat, das 1933 mit dem NS-Regime geschlossen wurde und noch heute gilt. Kirchen zahlen keine Körperschaftssteuer, Erbschaftssteuer, Umsatzsteuern und keine Zinsabschläge, die sich normalerweise aus der Kapitalertragssteuer ergeben würden. Finanzamt und Rechnungshof haben keine Prüfberechtigung. Mehrstellige Milliardenbeträge gehen an konfessionelle Schulen, Caritas und Diakonie. In diesen Einrichtungen gibt es kein Streikrecht, keinen Betriebsrat, dafür aber den Zwang zur Kirchenmitgliedschaft. Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht. Mit staatlichen Geldern gebaute Immobilien gehen in den Kirchenbesitz über. In NRW sind alle Krankenhäuser konfessionell gebunden. Lehnert vergleicht das mit der SED in der ehemaligen DDR, die als Überpartei in allen gesellschaftlichen und politischen Institutionen aktiv war. Der entscheidende Unterschied sei aber, dass sich dessen in der ehemaligen DDR alle bewusst waren, während man sich über die Omnipräsenz der Kirchen in Westdeutschland längst nicht so im Klaren ist.
Die personellen Verstrickungen der Mitglieder der Bundesregierung mit den Kirchen sind offenkundig. Zum Teil haben sie sogar kirchliche Ämter inne. Unter den Ministerpräsidenten gibt es nur einen Atheisten. Dadurch sitzen bei Verhandlungen zwischen Kirche und Staat häufig Kirchenvertreter auf beiden Seiten des Tisches. Bezeichnend auch, dass Manuela Schwesig erst als Politikerin der Kirche beitrat, weil es "schön sei zu Wissen, das jemand seine schützende Hand über uns hält". Führende Figuren des ZDF, Intendant Bellut, Chefredakteur Frey und Programmdirektor Himmler sind katholisch. Lehnert betont, dass die Kirche in allen gesellschaftlich relevanten Institutionen führende Vertreter sitzen hat und so in verdeckter Weise Einfluss ausübt.
Bei der anschließenden Diskussionen machte Lehnert deutlich, dass seine Kritik sich weniger gegen die Kirchen richtet, deren Wunsch nach Einfluss ja zu verstehen sei, sondern gegen den Staat der diese Einflussnahme zulässt.
Effektiver Altruismus - Wie wir mit kritisch-rationalem Denken hunderte Menschen und Tiere retten können
Am Freitag stellte Max Kocher die Prinzipien des effektiven Altruismus vor. Dabei geht es darum, den Altruismus durch besondere Fokussierung auf Rationalität effektiv zu gestalten. Emotionale Entscheidungen gelten dabei als irrational, wenn sie Handlungen mit vergleichbarer Wirkung unterschiedlich bewerten (Cognitive Bias). So skaliere die Spendenbereitschaft bei einem Unglück nicht linear mit der Zahl der Opfer (Scope Insensitivity Bias), sinkt aber mit steigender Distanz zum Ort des Geschehens. Eine aktive Schädigung von Personen zum Zweck des Gelderwerbs wird als schlimmer empfunden als fehlende Spendenbereitschaft (Omission Bias).
Es folgten Überlegungen zur Kosten-Effektivität verschiedener Aktivitäten. Beispielsweise seien Bettnetze, die eine Infektion mit Malaria verhindern, 10 mal billiger als entsprechende Medikamente. Da Forschung und Entwicklung zu nachhaltigen Problemlösungen führen können, spielt die Frage nach Investitionen in diesem Bereich auch für den effektiven Altruismus eine Rolle. Durch Extrapolation exponentielle Kurvenverläufe entwickelte Kocher einige sehr optimistische Zukunftsvisionen, wies aber auch auf die Schwierigkeiten hin diese zu kontrollieren.
4 Kommentare
Kommentare
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Zu meinem hier von einem Zuhörer referierten Vortrag zwei kleine Präzisierungen:
Die Zahl der hier erwähnten Theologiestudenten meint nur die Neueinschreibungen in einem neuen Studienjahr. Die konfessionellen Krankenhäuser in NRW werden überwiegend, in manchen Gegenden allerdings ausschließlich von der Kirche betrieben.
Dieser in Stuttgart gehaltene Vortrag »Die (un)heimliche Macht der Kirchen – Über den unverändert großen Einfluss der Kirchen in Deutschland« wird ab Mitte Juni unter folgender Internetadresse nachzulesen sein:
http://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/aktuelles/
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schön ausführlicher Bericht, Klaus; herzlichen Dank! Wäre gern dabei gewesen.
Zu "In NRW sind alle Krankenhäuser konfessionell gebunden" - das meint die Trägerschaft, wie ich es verstehe. Der unüblich verdächtigte Finanzier dürfte aber überwiegend der Staat sein?
Werner Koch am Permanenter Link
Bei Krankenhäusern sind die Krankenversicherungen die Hauptzahler.
Bei kirchlichen Trägern sollten nur die Andachtsräume und die Seelsorge aus Kirchenmitteln finanziert werden.
Andreas am Permanenter Link
Kommen die Vorträge auch bald im youtube-Kanal.