BONN. (hpd) Die Erziehungswissenschaftlerin und Theologin Christa Mulack untersucht in ihrem Buch “Gewalt im Namen Gottes. Ursachen und Hintergründe im biblischen Monotheismus” den Zusammenhang einerseits von dem Glauben an nur einen Gott und andererseits von der Gewalt im Namen der Religion. Dabei geht die Autorin ausführlich auf die Frühgeschichte des Judentums mit beachtenswerte Ausführungen zu Detailaspekten ein, driftet aber im Laufe des Textes mit ihrer Frontstellung gegen das religiöse Patriarchat immer mehr in einen mythischen Feminismus ab.
Woher kommt die Gewalt, die im Namen der Religion legitimiert und praktiziert wird? Eine Debatte um diese Frage, die angesichts der Auffassungen des Ägyptologen Jan Assmann eben “Assmann-Kontroverse” genannt wird, geht dabei auf den Monotheismus ein. Denn mit dem Glauben an nur einen Gott, der eben den Glauben an einen anderen Gott oder mehrere Götter ausschließt, gehe Dogmatismus und Intoleranz – und dadurch häufig genug Gewalt und Terror einher.
Einen Beitrag zur Erörterung dieser These will auch die Erziehungswissenschaftlerin und Theologin Christa Mulack mit ihrem Buch “Gewalt im Namen Gottes. Ursachen und Hintergründe im biblischen Monotheismus” liefern. Dabei konzentriert sich die Autorin insbesondere auf den Glauben an den einen Gott im frühen Judentum, habe dieser doch großen Einfluss auf die Religionsgeschichte auch des Christentums und des Islam bis in die Gegenwart. Bei der damit einhergehenden Akzeptanz von Gewalt sei es zur Verdrängung des Weiblichen gekommen.
Diese beiden Aspekte bilden die thematische Klammer für das umfassende Werk. Es geht zunächst auf die Grundlagen und das Wesen des biblischen Monotheismus ein, wobei der Wahrheitsgehalt der biblischen Texte, die biblischen Propagandisten religiöser Gewalt und der Aufbruch in eine frauenfeindliche Symbolsprache im Mittelpunkt stehen. Danach behandelt Mulack die Ära des babylonischen Exils als historischen Durchbruch des Monotheismus, untersucht sie hie doch den Abschied von der Glaubensfreiheit und die Herausbildung des exklusiven Monotheismus. Damals gewann nach ihrer Auffassung eine fanatische Clique als “Verfasser die Verfügungsgewalt über jenen Teil des deportierten Volkes, der sich von diesen Texten beeindrucken ließ und die darin enthaltenen Gesetze akzeptierte. Obwohl die Texte allesamt von der Umsetzung der in ihnen angedrohten Gewalthandlungen ausgehen, gelten sie in der Theologie ganz allgemein als biblische Legenden, religiöse Propaganda, die lediglich der Einschüchterung diente” (S. 179).
Diesen Darstellungen und Einschätzungen folgen psychologische Betrachtungen, die den Gewalt- und Machtvirus des Monotheismus insbesondere im Patriarchat sehen. Priestersöhne, die vom Vater verletzt worden seien, gelten der Autorin als Wegbereiter eine kranken Gesellschaft. Und schließlich geht es um die biblischen Lehren jenseits der Gewalt, wobei besondere Aufmerksamkeit einem Text gewidmet wird: “Das Jonah-Buch legt wie kein anderes den Finger auf jene Wunden, die für Jahwe eifernde Propheten und Verfasser mit ihren Texten geschlagen haben. Danach mangelt es dem exklusiven Monotheismus an all jenen weiblich-mütterlichen Anteilen, die sie mit ihrem fanatischen Kampf gegen die Göttin-Religion verunglimpft und ausgeschaltet haben” (S. 291). Anschließend behandelt Mulack noch den Göttin-Kult im Alt-Europa und das Weibliche im Tao-te-king. Ihr Buch endet mit Erörterungen zu der Frage “Weshalb wir das mythische Denken brauchen”. Die Gaia-Hypothese von der “Großen Mutter” verbinde Mythos und Wissenschaft miteinander.
Ausgehend von einer beachtenswerten Fragestellung und durchaus kompetent in der Religionsgeschichte driftet die Autorin im Buch immer mehr in eine esoterisch-mystische Deutung des Weiblichen ab. Auf der letzten Textseite muss denn auch hervorgehoben werden, dass der Ausstieg aus der Atomkraft in “einsamer Entscheidung” von einer Frau, nämlich “Kanzlerin Merkel” als sie “einen entscheidenden Moment lang auf diese Stimmen der Vernunft hörte” (S. 368), vorgenommen wurde.
Ein derartiger mythischer Feminismus entwertet letztendlich das ganze Buch, das durchaus berechtigt auf frauenfeindliche Komponenten und gewaltbegründete Strukturen des Monotheismus verweist. Unangenehm fällt bei der einseitigen Fixierung auf das Judentum noch auf, dass an einigen Stellen inhaltliche Bezüge zum heutigen Israel vorgenommen werden, wolle man bestimmte Prägungen doch zur “Grundlage des jüdischen Rechts” (S. 157) machen. Derartige Auffassungen stehen zumindest für eine unterkomplexe Monokausalität.
Christa Mulack, Gewalt im Namen Gottes. Ursachen und Hintergründe im biblischen Monotheismus, Marburg 2016 (Tectum-Verlag), 382 S., ISBN 978–3–8288–3641–9, 17,95 Euro