Für die Trennung von Kirche und Staat

150 Jahre Bund für Geistesfreiheit München

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Am 28. Oktober wurde der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München 150 Jahre alt. Anlässlich des Jubiläums findet am morgigen Samstag eine Feier mit buntem Programm im Münchner "EineWeltHaus" statt.

Gegründet 1870 als "Schutzgemeinschaft" von nicht-katholischen Bürger*innen, Andersgläubigen, Agnostiker*innen und Atheist*innen, reichen die Wurzeln des bfg München sogar noch weiter zurück – bis zum Vormärz und zur Revolution 1848/49. Und schon damals war eine der Hauptforderungen der "freireligiösen", später "freigeistigen", Bewegung die Trennung von Kirche und Staat.

Heute macht sich der bfg München zudem stark für die Bewahrung der Grund- und Menschenrechte sowie Frieden und Abrüstung. Er setzt sich ein für ein selbstbestimmtes Leben und für die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Beachtung ethischer Kriterien (Grundsatzprogramm).
Der bfg München versteht sich als eine Weltanschauungsgemeinschaft für Säkulare, Konfessionsfreie und Atheist*innen und orientiert sich dabei an Aufklärung und Humanismus. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist er den Religionsgemeinschaften rechtlich gleichgestellt.

Absolutes Tanzverbot an Karfreitag gekippt – Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht

Gerade in den letzten Jahren konnte der bfg München einiges bewegen. So erklärte das Bundesverfassungsgericht am 7. Oktober 2016 das Verbot der "Münchner Heidenspaß-Party 2007" und die entsprechenden Bestimmungen des Bayerischen Feiertagsgesetzes für nichtig. Damit folgte es einer Verfassungsbeschwerde des bfg München, der sich durch alle Instanzen geklagt hatte. In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass am "stillen" Karfreitag sehr wohl getanzt werden darf – unter der Bedingung, dass der Tanz Ausdruck einer klaren weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber dem Christentum ist. Daraufhin fanden in den letzten drei Jahren an Karfreitag Heidenspaßpartys im Münchner "Blitz Club", im Oberangertheater sowie in Regensburg und Erlangen statt.

Gedenken an Charlie Hebdo und Der Freche Mario

Jedes Jahr erinnert der bfg München am 7. Januar, dem Jahrestag des Attentats auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo, mit einer Gedenkveranstaltung an die Opfer. Mit der Veranstaltung, bei der Kabarettist*innen auftreten und Karikaturen gezeigt werden, soll darauf hingewiesen werden, dass die mühsam errungene Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit zu jeder Zeit mit Nachdruck verteidigt werden muss, wenn sie nicht verloren gehen soll.

Obwohl die Kunstfreiheit laut Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes ein Grundrecht ist, müssen auch hierzulande Karikaturist*innen und andere Kunstschaffende den sogenannten "Blasphemie-Paragrafen" 166 StGB ("Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften") fürchten. Die Forderung nach Abschaffung des Paragrafen 166 unterstützt der bfg München seit 2008 mit der alle zwei Jahre stattfindenden Ausschreibung des Kunstpreises Der Freche Mario, der alle Künstler*innen ermutigen möchte, sich mit den sogenannten ewig währenden religiösen Wahrheiten und Autoritäten zu befassen. Er zeichnet Kunstwerke aus, die sich mit Glauben und Religion, Kirche und Klerus auseinandersetzen und ist mit 3.000 Euro dotiert.

Klagen gegen Kreuzerlass und bayerisches Polizeiaufgabengesetz

Aktuell klagen der bfg München und bfg Bayern zusammen mit 25 Einzelpersonen, darunter der Liedermacher Konstantin Wecker, gegen den Kreuzerlass der bayerischen Staatsregierung. Alle Kläger*innen eint, dass sie auf Einhaltung der staatlichen, religiösen und weltanschaulichen Neutralität pochen und sich durch die Anbringung von Kreuzen im Eingangsbereich staatlicher Dienststellen in ihrer Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit verletzt sehen. Ziel der Klage ist, dass die bayerische Staatsregierung dazu verpflichtet wird, den Kreuzerlass zurückzunehmen und die Kreuze zu entfernen.

Auch gegen die Novellierung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) haben der bfg München und bfg Bayern Klage eingereicht. Aus Sicht der beiden Organisationen wurden noch nie so viele Grund- und Menschenrechte auf einmal verletzt wie beim bayerischen PAG. Vor allem der neue Rechtsbegriff der "drohenden Gefahr" gibt der Exekutive wegen der schwammigen und nicht näher definierten Begrifflichkeit eine viel zu große Auslegungs-, Zugriffs- und Eingriffsmacht in Grundrechte, ohne dass überhaupt eine Straftat geschehen wäre. Die überlange Ausdehnung des Unterbindungsgewahrsams von 14 Tagen auf drei Monate oder länger macht diese Präventivhaft zu einer Strafe auf Verdacht und zu einer vorbeugenden Strafe. Das darf es in einem Rechtsstaat nicht geben.

Aktivitäten, Bildungsveranstaltungen, Gottlosenstammtisch

Andere Forderungen und Themen, für die sich der bfg München engagiert, sind zum Beispiel "Ethikunterricht für alle", "historische Staatsleistungen abschaffen" oder "BR-Rundfunkrat den gesellschaftlichen Realitäten anpassen". Die Organisation unterstützt den Aktionskünstler Wolfram Kastner bei seinen Gerichtsverfahren wegen seiner Interventionen am "Ehrenmal" des Nazikriegsverbrechers Alfred Jodl auf der Fraueninsel im Chiemsee und setzt sich für die Entfernung sogenannter "Judensau-Plastiken" an Kirchen in ganz Deutschland ein.

Über das Jahr verteilt finden zahlreiche Bildungsveranstaltungen des bfg München statt, zum Beispiel in der Münchner "Seidlvilla" oder im "Kulturkeller" von "84 GHz". Außerdem ist die Organisation seit Jahren mit einer großen Bühne, dem "Platz für Humanist*innen", auf dem Münchner "Corso Leopold" vertreten. Noch viel länger – nämlich seit 22 Jahren – gibt es den monatlichen Gottlosenstammtisch, der sich derzeit jeden vierten Donnerstag im Monat im "Café Mariandl" trifft. Auch bei Radio LORA hat der bfg München seit nunmehr 15 Jahren einen monatlichen Sendeplatz.

Weitere Informationen über die Aktivitäten und Veranstaltungen des bfg München finden sich in den Tätigkeitsberichten 2019 und 2020.
Der bfg München ist eine von zehn Ortsgemeinschaften im Bund für Geistesfreiheit Bayern, zudem ist die Organisation aktiv im KORSO – Koordinierungsrat säkularer Organisationen.

150-Jahr-Feier im EineWeltHaus

Zum hundertjährigen Bestehen des Bundes für Geistesfreiheit (damals noch "Freireligiöse Gemeinde München") im Jahr 1970 gab es im Münchner Gewerkschaftshaus in der Schwanthalerstr. 64 einen Festakt am Vormittag mit Stücken von Beethoven, Haydn und Chopin sowie mit Vorträgen wie "Die Religion der Freireligiösen", "die Freireligiösen in unserer Zeit" oder "Warum kirchenfreie Organisation" – vorgetragen von der damaligen Vorsitzenden Emilie Schurig und dem Landesgemeindesprecher Walter Alexander.
Zum 150-jährigen Bestehen ist der bfg München mit einem bunten Programm ein paar Hausnummern weiter, nämlich in der Schwanthalerstr. 80 im Münchner "EineWeltHaus", Beginn ist um 19 Uhr:

  • Begrüßung: Assunta Tammelleo und Michael Wladarsch, Vorsitzende des bfg München
  • Wer sind die sogenannten "Corona Rebellen"?
    (Paul B. Kleiser, Politologe)

  • Bund für Geistesfreiheit München, von der Revolution 1848 bis heute
    (bfg München)

  • Weg mit den Paragrafen 218 und 219 – Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch!
    (Juliane Beck, Bayerisches Bündnis "#weg mit § 218")

  • Demokratie und Sicherheit feministisch denken
    (Brigitte Obermayer und Heidi Meinzolt, Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit)

  • Friedensmacht Europäische Union?
    (Thomas Rödl, Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinte Kriegsdienstgegner*innen)

  • "Corona"-Kabarett
    (Holger Paetz)

Beginn der Veranstaltung ist um 19 Uhr, inzwischen sind alle Plätze vergeben.

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