BRIG-GLIS (CH). (hpd) Werner de Schepper, der designierte Chef des "Katholischen Medienzentrums", probt die selektive Bibelauslegung.
SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal forderte auf 20 Minuten: “Als christliches Land wäre es unsere Pflicht, christliche Asylbewerber, die in ihrem Heimatland an Leib und Leben bedroht sind, bevorzugt zu behandeln.” Unter dem Titel “Asyl-Vorrang für Christen?” verurteilt der studierte Theologe und Journalist Werner de Schepper in der Aargauer Zeitung diese selektive Haltung und verweist dafür auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter in der Bibel. Diese Geschichte lasse “keine Zweifel offen, wie der Kern der christlichen Botschaft - die Nächstenliebe - gelebt werden soll: Egal, wer am Boden liegt, egal, ob man ihn kennt oder nicht, egal, was für eine Herkunft oder Religion das Opfer hat, entscheidend ist nur, ob man hilft oder nicht. Auch die Religion desjenigen, der hilft oder helfen sollte, spielt keine Rolle”.
Wer auch immer Erich von Siebenthal “den Floh ins Ohr gesetzt” habe, dass es Christenpflicht sei, zuerst Christen zu helfen, eines ist für de Schepper klar: “In allen in der Bibel erzählten Geschichten von Jesus Christus steht genau das nicht.” Ganz offensichtlich will sich de Schepper mit dieser Bibelexegese bei seinem neuen Arbeitgeber beliebt machen. Er übernimmt nämlich auf den 1. Januar 2015 die Redaktionsleitung des “Katholischen Medienzentrums der Deutschschweiz”. De Schepper war von 2003 bis 2007 Chefredaktor des “Blick” und zuletzt Chefredaktor von “TeleBärn”.
De Scheppers Bibelexegese ist sehr selektiv, denn in der Bibel findet man auch Stellen, wo Jesus die gnadenlose Ausgrenzung, ja sogar die Vernichtung von Ungläubigen beziehungsweise von Nicht-Christen predigt und auf die sich SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal berufen kann:
“Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.” (Mk 16,16)
“Doch diese meine Feinde, die nicht wollten, dass ich ihr König werde, bringt her und macht sie vor mir nieder.” (Lk 19,27)
“Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.” (Mt 15,24)
“Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.” (Mt 25,41)
“Und du, Kapernaum, wirst du bis zum Himmel erhoben werden? Du wirst bis in die Hölle hinuntergestossen werden.” (Mt 11,23)
“Der Menschensohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alles, was zum Abfall verführt, und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein.” (Mt 13,41–42)
“Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.” (Mt 18,6)
Fazit:
Mit der Bibel lässt sich alles begründen und auch das Gegenteil davon. Wieso nicht einfach zum Mittel der Aufklärung greifen, nämlich der Vernunft?
Nachveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autoren.
1 Kommentar
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Mit der Bibel lässt sich alles begründen und auch das Gegenteil davon."
Richtig! Dies gilt natürlich für jedes "heilige" Buch. Und das ist m.M.n. Programm, essentieller Bestandteil sogenannter "heiliger" Schriften. Denn Machtverhältnisse haben sich laufend geändert. Mal konnten die Religionsvertreter (als religiöser Arm der politischen Macht - wo dies überhaupt zu trennen war) vorpreschen, weil der Gegner schwach und unterlegen schien, mal ging man eher in die Defensive, weil sich der Widerstand mächtiger zeigt, als erhofft.
Nächstenliebe ist schön, solange man sich dadurch generös zeigen durfte. Die andere Wange hinhalten kann ich gerne, wenn die zu erwartenden Schläge nicht bedrohlich sind. Doch wehe, das Blatt wendet sich. Mal kommt Jesus mit der Liebe, mal mit dem Schwert, mal kommt Mohammed mit Barmherzigkeit, mal köpft er eigenhändig Gefangene.
Die Religionserfinder haben schon früh erkannt (oder alle anderen Systeme sind evolutionär ausgestorben), dass jeder Mensch auf einer anderen Ebene angesprochen werden muss. Der eine lässt sich besäuseln, der nächste liebt die härtere Gangart. Für jeden muss ein Spruch dabei sein. Sonst wären ja die "heiligen" Bücher auch nicht so dick.
Normal würde reichen: "Ich bin Gott, Sprechzeit von 0 - 24 Uhr (Gebetdauer/Person max. 8 min.), 365 Tage/Jahr seit 13,8 Mrd. Jahren, ihr seid mein Volk und müsst regelmäßig zu jedem 1. euren 10. abliefern, sonst gibt's Tsunamis! Untereinander macht was ihr wollt, Hauptsache die Kohle ist pünktlich!"
Doch das würde nicht ausreichen, weil sich die Menschen stets einander von der Existenz ihres jeweiligen Gottes überzeugen mussten. Da konnte schon passieren, dass sie einen mal kurz bei ihrem Gott vorbeischicken mussten, damit er ihn anerkennt. Dies geht leider nur durch Enthauptung oder sonstige Gräuel - worauf die anderen sich genötigt sehen, ihren Gott auch zu beweisen - genauso unmenschlich.
Also hat sich ein Sammelsurium aus widersprüchlichsten Aussagen angehäuft, die nun wahlweise zitiert werden dürfen - und sollen! Na ja, wer's glaubt, wird selig oder so...