SRF zeigt "Reise ins Übersinnliche"

Die schlimmsten Befürchtungen bestätigt

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Screenshot aus der SRF-Sendung
Screenshot aus der SRF-Sendung

Das Schweizer Fernsehen wollte erstmals die Grenzen der Normalität ausloten, erfuhr dabei aber die eigenen engen Grenzen.

Schon die Ankündigung des Schweizer Fernsehens verhieß nichts Gutes: "Silvia Hollenstein, das Trancemedium, begibt sich innert Sekunden in einen anderen Bewusstseinszustand. Die Frau verändert das Aussehen und ein Geist spricht durch sie. Der Geist beantwortet alle Fragen zu allen Lebenssituationen und nimmt Kontakt mit dem Jenseits auf." Wie bitte? Aussagen ohne Konjunktiv. Als seien Geister allgegenwärtig und ihre Existenz beweisbar.

Als SRF1 dann am Donnerstagabend zur besten Sendezeit den 40-minütigen Film "Reise ins Übersinnliche" ausstrahlte, wurden die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der Dokumentarfilm glich phasenweise einer Realsatire.

Als Silvia Hollenstein in die vermeintliche Trance fiel, schien der Geist sie körperlich und geistig zu drangsalieren. Sie zitterte am ganzen Körper und schnitt Grimassen, dass es einem nur schon beim Zuschauen wehtat.

Und das Wesen, das angeblich durch sie sprach, gab in abgehackten Satzfragmenten "Weisheiten" von sich, die bestenfalls die Qualität von Plattitüden und halbseidenen Ratschlägen hatten. Ratschläge, die auch Tratschtanten bei einem Kaffeekränzchen hätten geben können. Am Geisteszustand des Geistes kamen jedenfalls erhebliche Zweifel auf.

Hollenstein erinnerte fatal an Uriella, die ähnliche Grimassen schnitt, wenn Jesus ihr Botschaften zukommen liess. Das angeblich multimedial begabte Trancemedium leitete auch Energien des Geistwesens weiter, die aus anderen Zeiten und Dimensionen stammen und die Selbstheilungen auslösen sollen. Ganz wie Uriella.

Die Auraheilerin Angelika Hunziker stand Hollenstein kaum nach. Sie schnitt zwar keine Grimassen, vollführte aber spastische Bewegungen, die nicht weniger komisch wirkten.

Sie stocherte mit ihren Händen in der (unsichtbaren) Aura ihrer Patientin herum, "operierte" die angeblichen Blockaden aus Körper und Hirn und entsorgte diese tatsächlich in einem grobstofflichen Salzwasser-Becken, um schließlich über den feinstofflichen Zweitköper frische Energie auf die inneren Organe zu leiten. So zumindest behauptete sie es.

Zwischen den verschiedenen Sequenzen stellte die Stimme aus dem Off immer wieder Fragen: Gibt es Hilfe aus einer anderen Dimension? Gibt es Geister? Können Steine heilen? Geht Heilen dank Trance? Oder sind paranormale Vorgänge nur Illusionen, generiert vom menschlichen Hirn?

Spannende Fragen. Doch keine wurde beantwortet. Nicht einmal im Ansatz.

Dafür wären die beiden "Experten" Peter Brugger, Neuropsychologe des Universitätsspitals Zürich, und Lucius Werthmüller, Parapsychologe und Aushängeschild der Schweizer Esoterikszene, zuständig gewesen. Sie hätten die Rituale der Heilerinnen und Heiler einordnen und kommentieren sollen.

Nur: Brugger befasst sich als Experte wissenschaftlich mit dem Hirn. Aura und Geister gehören eher nicht zu seinem Fachgebiet.

Sein einzig klares Statement war, dass der ganze Hokuspokus für ihn eine Illusion sei, die das Hirn produziere. Und somit ein Fake.

Mit dieser Einschätzung dürfte er richtig liegen. Eine fachlich qualifizierte Aussage, die verunsicherte FernsehzuschauerInnen hätte nachdenklich stimmen können, war es aber auch nicht. Statt kritische Aussagen zu machen, stellte er Werthmüller oft Verständigungsfragen. So entstanden vor allem kurze Diskussionen unter den beiden Männern. Der Aufklärungswert blieb klein.

Und Werthmüller? Der Parapsychologe glaubt felsenfest an alle Geister, die durch die Esoterikszene flattern. Als langjähriger Präsident des Basler Psi-Vereins hat er schon Hunderte Veranstaltungen organisiert, in denen es um Hardcore-Esoterik und geistiges Heilen ging. Er war quasi der Mentor der Geistheiler, der anwaltschaftlich ihre Interessen vertrat.

Kurz: Die Vertreter der Zunft des Obskuranten beanspruchten über 90 Prozent der Sendezeit. Die wenigen kritischen Einwände von Peter Brugger waren höchstens ein journalistisches Feigenblatt.

Die Sendung versuche erstmals, die Grenzen der Normalität auszuloten, schrieb SRF1. Was für eine Selbstüberschätzung. Vielmehr hat das Fernsehen seine eigenen Grenzen ausgelotet. Und muss nun erkennen, dass der Hag eng und der Erkenntnisgewinn klein ist.

Das Schweizer Fernsehen dürfte das Argument, einen Beitrag zur Volksverdummung geleistet zu haben, schwer entkräften können. Dumm nur, dass wir noch zwei weitere Folgen dieser übersinnlichen Geistreisen über uns ergehen lassen müssen. Zum Glück gibt es eine Fernbedienung. Und Bücher.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.