Nachdem die ARD sich dazu entschlossen hat, die umstrittene Dokumentation "Auserwählt und ausgegrenzt: Der Hass auf Juden in Europa" zu senden, nimmt auch Arte die ursprünglich abgelehnte TV-Dokumentation wieder in sein Programm.
Die ARD sendet am heutigen Mittwochabend die ursprünglich für Arte produzierte Dokumentation über neue Formen des Antisemitismus. Im Anschluss, um 23:45 Uhr, diskutiert "Maischberger" über das Thema. Dabei sollen auch die vom WDR beanstandeten handwerklichen Mängel der Dokumentation thematisiert werden. Zu Gast wird unter anderem der Psychologe und Islamismusexperte Ahmad Mansour sein, der das Verhalten von arte im Vorfeld kritisierte und schon länger vor dem Problem des muslimischen Antisemitismus warnt.
Der deutsch-französische Kulturkanal arte hatte sich gegen eine Ausstrahlung der Dokumentation entschieden, da sie angeblich zu stark vom "ursprünglichen Sendekonzept" abgewichen sei. In einer Pressemitteilung von Arte heißt es dazu, dass "entgegen dem Auftrag der Fokus nicht auf europäische Länder sondern auf den Nahen Osten gerichtet wurde."
Mit Blick auf die öffentliche Diskussion und um einen identischen Kenntnisstand des Arte-Publikums in Frankreich und Deutschland zu ermöglichen, habe man sich nun aber doch dazu entschlossen, die Dokumentation zeitversetzt auszustrahlen. Laut arte kursieren im Internet zahlreiche fehlerhafte Versionen der Doku.
16 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Gemäß der ARD-Sendung (in der Tat nicht - nur - auf Europa fokussiert) erscheint die Situation in Nahost verfahrener und vertrackter als alles sonst, von dem ich weiß.
Und ich habe nicht im Ansatz eine Lösung - außer, dass sich alle Seiten auf so etwas wie eine offene Gesellschaft einigten, um eine (gerechte?) Zwei-Staaten-Lösung zu schaffen. Wohl zu schön gedacht.
Immerhin passend zum Thema "in Europa" war das ausführliche Filmzitat von Julius Streicher, wo er sich im Prozess bzgl. der Judenverfolgung unter Hitler auf Luther berief.
Und wie sich die Rechte (nicht nur in Europa) auf vordergründige und fadenscheinige Ersatzbegriffe (z.B. 'int. Finanztum' statt 'int. Finanzjudentum') verlegt...
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Hallo Hans,
"Und ich habe nicht im Ansatz eine Lösung ..."
Ich auch nicht, aber ich habe gestern einige Vermutungen meinerseits bestätigt bekommen, warum man sich mit einer Lösung so schwer tut. Dank der guten Verknüpfung religiöser Gruppen mit Medien bei uns bleibt allzu deutliche Kritik an den Monotheismen vor den Pforten der Sendeanstalten etc.
Nun benennt die zunächst komplett zensierte Doku zwei Wurzeln des Antisemitismus: das Christentum und den Islam. Das darf jedoch nicht sein. Warum tun sich z.B. alle Sender in D so schwer, eine Doku um Luthers christlichen Judenhass zu zeigen? Warum werden unsere Übertragungen der judenfeindlichen Schriften Luthers nicht auf breiter Ebene besprochen - im LUTHER-Jahr? Ansonsten hecheln die Medien jedem Aufhänger nach, mit dem man wenigstens 100.000 Zuschauer mehr erreichen kann.
Meine Antwort ist: Wir greifen durch unsere Arbeit das Christentum an. Luther war kein Alien, der vom Himmel fiel und exotisches Zeug geschrieben hätte. Er stand in einer antisemitischen Tradition, die erst nach 1945 einen deutlichen Dämpfer bekam. Durch den Holocaust, der die Vernichtung des Judentums (ein christliches Ziel) zu einem perversen Höhepunkt trieb, der zumindest in demokratischen Ländern nicht mehr toleriert werden könnte.
Davor gab es "durch die Jahrhunderte antisemitische Presseerzeugnisse" (Julius Streichen), gab es Pogrome gegen Juden, Mord und Todschlag im Namen Jesu Christi. Würde man also im Fernsehen offen Luthers Antisemitismus thematisieren, würde zwangsläufig das Christentum in ein negatives Licht gerückt. Und das wollen die Lobbyverbände der Geistergläubigen auf keinen Fall zulassen.
Aber auch den Islam muss man aus den gleichen Gründen vor allzu viel Aufklärung schützen. Doch gerade beim Islam ist es viel einfacher, dessen strukturellen Antisemitismus zu erkennen: einfach den Koran lesen.
Würden diese beiden Hürden - Kritikverbot an Christentum und Islam (was sich in anderem Kontext auch auf das Judentum bezieht) - medial überwunden und eine Kritik offen geäußert, dann käme man zu des Pudels Kern: dem Monotheismus-Prinzip, das wechselseitige Anerkennung (nicht Toleranz) der Monotheismen verbietet. Es kann nur einen geben!
Erst wenn sich Politik traut, hier heranzugehen und die Religionsgemeinschaft zur Aufarbeitung und Lösung dieses unhaltbaren Zustandes bewegt, wird sich der Nahe Osten entspannen können. Egal welche Lösung möglich ist - Zwei-Staaten-Lösung oder ein großer "Nahost-Staat" -, sie wird nur dann Erfolg haben können, wenn die Monotheismen ihr grundlegendes Monotheismus-Prinzip aufgeben.
Das jedoch ist augenblicklich reinste Utopie...
Rudi Knoth am Permanenter Link
Allerdings wurden nicht nur das Christentum und das Judentum, sondern auch Philosophen wie Voltaire und Hegel in dem Film genannt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Alle Menschen in religiös geprägten Gesellschaften hatten mehr oder weniger deutlich antisemitische Tendenzen.
Deshalb dauert das ja so lange mit der Überwindung des Geisterglaubens...
Rudi Knoth am Permanenter Link
Dies ist sicherlich insoweit richtig, daß das Feindbild in Europa die Juden waren. Allerdings kann die Begündung auch säkular sein. Siehe z.B. Wilhelm Marr, der den Begriff Antisemitismus prägte.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich will das hier nicht zu sehr vertiefen (obwohl es ein interessantes Thema ist), doch - kurzgefasst - ich bin kein Anhänger monokausaler Zusammenhänge.
David Z am Permanenter Link
"Alle Menschen in religiös geprägten Gesellschaften hatten mehr oder weniger deutlich antisemitische Tendenzen."
Diese Behauptung ist in dieser Pauschalität nachweislich falsch.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Diese Behauptung ist in dieser Pauschalität nachweislich falsch."
Ich bitte um Belege.
David Z am Permanenter Link
Mayas und Azteken bildeten eine sehr religiös geprägte Gesellschaft, zeigten aber keine antisemitischen Tendenzen. Mehr?
Frank Nicolai am Permanenter Link
Etwas mehr Sachlichkeit bitte.
David Z am Permanenter Link
Entschuldigung, ich bin es nicht, der hier unsachlich ist.
Im zitierten Kommentar stecken zwei Behauptungen:
A. Alle religiös geprägten Gesellschaften lassen Menschen antisemitische Tendenzen ausbilden.
B. Alle Religionen sind mehr oder weniger gleichwertig ursächlich für die Ausprägung antisemitischer Tendenzen.
Ad A. Um die Behauptung widerlegen zu können, bräuchten wir zum Vergleich Gesellschaften, die nicht religiös geprägt waren. Da es diese nicht gibt, ist die zitierte Behauptung gemäß Falsifikationismus wissenschaftlich nicht haltbar.
Ad B. Diese Behauptung impliziert, dass alle Religionen in Anzahl und Ausmaß ihrer schlechten Ideen gleich sind. Sie sind es nicht. Genau so wenig wie alle Ideologien gleich sind.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"reinste Utopie..." Siehste.
malte am Permanenter Link
Die Doku ist sicherlich nicht nur auf Europa fokussiert, aber ich finde es ungerechtfertigt, den Autoren daraus einen Vorwurf zu stricken.
Luisa am Permanenter Link
Die Doku war ein Propaganda-Werk erster Güte. Es wurde ohne Differenzierung die Antisemitismuskeule ausgepackt, es wurde suggestiv und manipulativ argumentiert und Gruppen die den Jüdisch-Orthodoxen, bzw.
malte am Permanenter Link
"Propaganda" kann ich in der Doku nicht erkennen. Sie hat eine aufklärerische Stoßrichtung, die Propaganda von BDS und ähnlichen Gruppen wird dort mit der Realität im Nahen Osten konfrontiert.
https://diekolumnisten.de/2017/06/23/donald-schoenborn-und-der-wilde-westen/
http://www.audiatur-online.ch/2017/06/22/der-wdr-faktencheck-zur-antisemitismus-doku-im-faktencheck/
Eigentlich ist nichts, was in der Doku erzählt wird, wirklich neu. Wer sich ernsthaft und unvoreingenommen mit dem Nahostkonflikt auseinandergesetzt hat, dem ist das meiste bekannt. Tilman Tarach hat das alles schon vor Jahren in seinem Buch "Der ewige Sündenbock" zusammengetragen.
David Z am Permanenter Link
Und schon haben wir ein aktuelles Beispiel exakt von dem, was die Dokumentation beschreibt:
https://www.welt.de/politik/deutschland/article165846965/Knesset-Abgeordnete-auf-Podium-in-Humboldt-Uni-niedergebruellt.html
Und nein, es geht hier nicht um die üblichen Verdächtigen wie Glatzen in Springerstiefeln.