Statt jährlich steigender Staatsleistungen:

Abschaffung der Staatsleistungen an die Kirchen

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Die religionspolitischen Sprecher*innen von Grünen, Linke und FDP stellen am 13. März 2020 den gemeinsamen Gesetzentwurf ihrer Parteien zur Ablösung der Staatsleistungen vor.

Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke stellten am 13. März den Entwurf für ein Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen der Öffentlichkeit vor. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die jährlich an die Kirchen gezahlten Staatsleistungen abzuschaffen sind – gegen eine Ablösesumme von gut 10 Milliarden Euro. Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e. V. fordert schon seit Jahren, dass die jährlichen pauschalen Leistungen an die Kirchen abzuschaffen sind, und zwar entschädigungslos.

Stattdessen aber überweist der Staat den Kirchen jährlich immer mehr Geld. Diese Leistungen sind unabhängig von der Kirchensteuer und von Zahlungen für kirchlich erbrachte Dienste wie in Kindergärten oder Altenheimen. Die Haushaltspläne der Länder sehen für die evangelische und die katholische Kirche 2020 nahezu 570 Millionen vor. Im vergangenen Jahr waren es noch 549 Millionen Euro; das entspricht einer Steigerung von 3,8 Prozent. Die jährliche Anhebung ist eine Folge der in den meisten Staatskirchenverträgen enthaltenen Klausel, wonach die Zahlungen an die Kirchen automatisch der Entwicklung der Beamtenbezüge angepasst werden. Der weitere Rückgang der Anzahl von Kirchenmitgliedern – im vergangenen Jahr vermutlich um rund 600.000 Personen – hat dagegen auf die Höhe der Staatsleistungen keinen Einfluss.

Auf die evangelische Kirche entfallen im laufenden Jahr rund 332 Millionen Euro, auf die katholische Kirche "nur" 237 Millionen Euro, obwohl die Zahl der katholischen Gläubigen (Stand: Ende 2018) mit 23 Millionen Mitgliedern deutlich über der Zahl der Protestanten (21,1 Millionen) liegt. Diesen Unterschied erklären die Länder und die Kirchen ebenso wenig wie die frappierenden Unterschiede zwischen den Bundesländern: Während Hamburg und Bremen nichts zahlen, erhalten die Kirchen in Baden-Württemberg 132 Millionen Euro und in Bayern 102 Millionen Euro. Nimmt man als Maßstab die Einwohnerzahl der Länder, dann liegt Sachsen-Anhalt mit 16,53 Euro je Einwohner*in an der Spitze, vor Rheinland-Pfalz mit 15,36 Euro, Thüringen mit 12,61 Euro und Baden-Württemberg mit 11,90 Euro. Am Ende der Skala liegen das Saarland mit 0,69 Euro und das Nordrhein-Westfalen mit 1,32 Euro je Einwohner*in. Etwa im Bundesdurchschnitt (6,86 Euro) befinden sich Sachsen und Niedersachsen. Seit 1949 haben die Kirchen rund 19 Milliarden Euro Staatsleistungen von den Ländern erhalten.

Bei den Staatsleistungen handelt es sich um zweckbindungsfreie staatliche Zahlungen an die evangelischen Landeskirchen und die katholische Kirche. Die Verwendung der Gelder können die Rechnungshöfe nicht prüfen. Nicht zu verwechseln sind die Staatsleistungen mit den leistungsgebundenen staatlichen Zahlungen an Kirchen beziehungsweise kirchliche Träger für sozial-karitative und sonstige Aktivitäten, etwa den Betrieb von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Beratungsstellen sowie für Entwicklungshilfe oder Denkmalpflege.

Die 1919 in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung (Artikel 138) sowie das Grundgesetz (Artikel 140) schreiben als Folge der Trennung von Staat und Kirche seit über 100 Jahren die Ablösung der Staatsleistungen, also die Beendigung dieser Zahlungen vor. "Dieser Verfassungsauftrag ist bislang nicht umgesetzt worden, obwohl die Kirchenleitungen dazu mehrfach ihre Bereitschaft erklärt haben", so Johann-Albrecht Haupt, Beiratsmitglied der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union. Vor einem Beschluss über den dazu jetzt von FDP, Grünen und Linken vorgelegten Gesetzentwurf muss dringend in Öffentlichkeit und Parlament breit über die Staatsleistungen diskutiert werden. "Keinesfalls darf nur mit den Kirchen gesprochen werden", sagt Johann-Albrecht Haupt. "Die Kirchen haben ein natürliches Eigeninteresse an einer möglichst hohen Entschädigungsleistung. Bis heute fehlt es nicht nur an einer verlässlichen Aufstellung der abzulösenden Rechtstitel der Kirchen, sondern auch an einer Begründung für die Notwendigkeit weiterer Entschädigungsleistungen, nachdem die Länder ungeachtet der Trennung von Staat und Kirchen schon mehr als hundert Jahre die Kirchen substanziell mitfinanziert haben", so Johann-Albrecht Haupt weiter.

Die Humanistische Union e. V. veröffentlicht seit 2011 jährlich die Höhe der Staatsleistungen an die evangelischen und katholischen Kirchen.

Die Entwicklung der Staatsleistungen seit 1949 ist ausführlich im aktuellen vorgänge-Heft dokumentiert, das die Humanistische Union herausgibt.

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