Junge entgeht nur aufgrund psychischer Störung der Genitalverstümmelung

Beschneidung nur eine Bagatelle?

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Das Züricher Obergericht untersagt es einer Mutter, ihren Sohn aus religiösen Motiven beschneiden zu lassen. Eine Entscheidung, die jedoch nur halbwegs befriedigt.

Ein achtjähriger Junge – er ist durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) in einem Kinderheim untergebracht – soll nach dem Willen seiner Mutter beschnitten werden. Die KESB untersagt der Mutter die Beschneidung jedoch. Die Behörde ist der Ansicht, die Beschneidung gefährdet das Wohl des Jungen, weil er bei jedem Arztbesuch erhebliche psychische Störungen zeigt. Die Mutter legt gegen diesen Entscheid Beschwerde ein und gelangt damit bis ans Zürcher Obergericht. Dieses hat den Entscheid der KESB in einem rechtskräftigen Urteil nun bestätigt. Der Junge wird nicht beschnitten.

Aus kinder- und menschenrechtlicher Sicht kann man mit diesem Urteil aber nur halbwegs zufrieden sein, denn aus dem Urteil geht hervor, dass der Junge nur dank seiner psychischen Störungen der Beschneidung entgangen ist. Das bedeutet: Wäre der Junge gesund gewesen, hätte er prinzipiell beschnitten werden können. Doch ist es in der Schweiz tatsächlich legal Kinder zu beschneiden?

Beschneidung eine Bagatelle?

Das Gericht stützt sich bei seinem Urteil auf ein "Rechtsgutachten über die männliche Beschneidung" des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR). In diesem Rechtsgutachten stellen die Autorinnen fest, dass die Amputation der Vorhaut zwar eine einfache Körperverletzung darstellt, jedoch eine derartige Bagatelle sei – vergleichbar mit dem Stechen eines Ohrlöchleins – dass das Kindeswohl dadurch nicht gefährdet werde. Eine Beschneidung sei daher, je nach Beurteilung im Einzelfall, rechtlich zulässig.

Diese Darstellung der männlichen Beschneidung ist aus medizinischer Sicht jedoch völlig falsch. Die männliche Vorhaut ist ein integraler Bestandteil des Penis. Sie hat schützende, immunologische und mechanische Funktionen und ist insbesondere ein hochsensibles erogenes Gewebe, das für eine normale Sexualfunktion notwendig ist. So sagt zum Beispiel auch der Deutsche Kinder- und Jugendärzteverband: "Die Amputation der Vorhaut hat keinen überzeugenden Nutzen, jedoch langfristige Nachteile insbesondere im urologischen, sexuellen und psychologischen Bereich."

Eine unzulässige Körperverletzung

Die rechtlichen Schlussfolgerungen im Gutachten des SKMR sind durch die völlig falsche Darstellung der männlichen Beschneidung also eigentlich absolut unbrauchbar. Trotzdem stützt sich das Gericht auf genau diesen Bericht. Das erstaunt, weil es auch andere Rechtsgutachten gibt, welche von korrekten medizinischen Fakten ausgehen. Und nimmt man die korrekten medizinischen Fakten als Ausgangslage, wird schnell klar, dass die männliche Beschneidung nach geltendem Recht zweifelsohne eine unzulässige Körperverletzung darstellt und diese weder durch das Erziehungsrecht der Eltern noch durch Religion oder ähnliches gerechtfertigt werden kann. Warum aber wird die Beschneidung von Jungen in der Schweiz somit nicht geahndet?

Angst vor der Auseinandersetzung

Die Bagatellisierung – exemplarisch zu sehen im Rechtsgutachten des SKMR – und die damit einhergehend Tabuisierung der männlichen Genitalbeschneidung führen dazu, dass diese systematische Verletzung von Kindern nicht nur bei den Strafbehörden, sondern auch in der Gesellschaft weitgehend ausblendet wird. Zudem hat man, so zeigen die Erfahrungen immer wieder, eine tiefsitzende Angst vor der konkreten Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Die Auseinandersetzung mit der männlichen Genitalbeschneidung gleicht in weiten Teilen denn auch der Auseinandersetzung mit den sexuellen Missbräuchen in der Kirche.

Das Urteil des Züricher Obergerichts ist einerseits erfreulich, weil es einen Jungen vor der Beschneidung bewahrt hat. Es ist andererseits aber auch bedauerlich, weil die männliche Beschneidung einmal mehr bagatellisiert und dadurch völlig falsch beurteilt wurde.