In Birmingham errichtet eine lokale Charity-Organisation eine rund 5 Meter große Skulptur für Migrant*innen, um Frauen mit Hijab sichtbar zu machen. Sie gilt als erstes Denkmal dieser Art weltweit. Teheran ist voll des Lobes.
Ist es Zufall gepaart mit purer Ignoranz und Taktlosigkeit oder wollte die Organisation, die sich für Anliegen von Migrant*innen einsetzt, mit der Wahl des Zeitpunktes bewusst ein provokantes Zeichen setzen? Ausgerechnet in jenem Monat, in dem man weltweit des Todes von Mahsa Amini vor einem Jahr und der niedergeknüppelten Protestbewegung von Frauen gedachte, die sich gegen religiöse Bekleidungsgebote auflehnen und um ein kleines Stückchen Freiheit kämpfen, wird dieses Denkmal als vermeintliches Symbol für Emanzipation enthüllt. Doch abgesehen von der bedauerlichen Wahl des Zeitpunktes stellt sich generell die Frage nach der Legitimität eines solchen Denkmals.
Die imposante Stahlstruktur mit einem Gewicht von rund einer Tonne des Künstlers Luke Perry zeigt in scharfen Konturen den Kopf einer muslimischen Frau mit grimmigem, entschlossenem Gesichtsausdruck, die einen Hijab trägt. Auf dem Fundament, das die Skulptur trägt, stehen die Worte "Es ist das Recht einer Frau, geliebt und respektiert zu werden, was auch immer sie trägt".
Berichten der lokalen Zeitung Birmingham Mail zufolge schöpfte der Künstler seine Inspiration für dieses Werk aus Gesprächen mit örtlichen muslimischen Frauen, die sich unterrepräsentiert fühlten. Sein Kunstwerk werde muslimischen Frauen Sichtbarkeit verschaffen und zeigen, dass auch sie "mächtig, schön und stark" seien.
Mit wie vielen Musliminnen mag der Künstler wohl gesprochen haben, um sich sicher sein zu dürfen, einen dringenden Wunsch der Community zu erfüllen? Hat er auch mit jenen muslimischen Frauen gesprochen, die kein Kopftuch tragen wollen? Darüber schweigt sich der Bildhauer aus. Doch interessanterweise ist noch kein Jahr vergangen, als auch in Birmingham eine Solidaritätskundgebung der iranischen Gemeinde anlässlich der brutalen Niederschlagung der Demonstrationen in ihrem Heimatland stattfand. Für viele iranische Frauen ist das Kopftuch kein religiöses Symbol mehr, sondern vielmehr ein Zeichen ihrer Unterdrückung. Während der spontanen Revolte im Iran haben muslimische Frauen den Hijab öffentlich verbrannt, solange das repressive Regime machtlos erschien. Das Hijab-Denkmal berücksichtigt die Anliegen dieser Frauen nicht, sondern ignoriert die damit verbundene Problematik vollständig. Der Künstler bleibt auch auffallend schweigsam hinsichtlich einer argumentativen Begründung, die aufzeigen würde, wie die Verschleierung von Frauen ihre vermeintliche "Stärke" und "Macht" unterstreicht. Ohne inhaltliches Sachvorbringen handelt es sich bei all diesen Statements um inhaltsleere Worthülsen.
Deutlicher wird die eigentliche Absicht des Bildhauers in folgender Äußerung erkennbar: "Sie möchten ihren Kindern Dinge in der Umgebung zeigen können, die ihnen das Gefühl geben, verbunden und wichtig zu sein und die sie stolz machen. Nicht nur endlose Geschichte über reiche weiße Männer." Erneut darf die Frage gestellt werden, warum Frauen sich stolz und wichtig fühlen dürfen, wenn sie sich, wenn auch nicht gänzlich, verhüllen? Welchen essentiellen Beitrag leisten sie in dieser Weise für die Gesellschaft von Birmingham? Inwiefern zeigen sie Solidarität mit Frauen, die Gesundheit, Freiheit und nicht selten sogar ihr Leben riskieren, um den Hijab nicht tragen zu müssen? Oder noch deutlicher formuliert: Aus welchen Gründen haben sich Frauen mit Hijab ein Denkmal für ihre Sichtbarkeit verdient?
Wenn man keine Geschichten über "reiche weiße Männer" hören möchte, dann erzählt doch Geschichten über erfolgreichen Musliminnen, die der Geschichte ihren Stempel aufgedrückt haben, aber verherrlicht nicht ihre freiwillige Unterwerfung unter eine männliche Doktrin.
Der Verfasser dieser Zeilen hat schon in vielen Beiträgen betont, dass er – abgesehen von bestimmten Kontexten wie hygienischen Operationssälen, Kindergärten und Schulen – gegen generelle Verbote von islamischen Bekleidungsvorschriften eintritt, weil er in einer liberalen Gesellschaft leben möchte, die die Freiheit aller Menschen als höchstes Gut achtet. Nicht nur als Menschenrecht, was in Demokratien eine Selbstverständlichkeit ist, sondern als politisches Programm, als Philosophie wie auch als Lebensgefühl ist die Freiheit hochzuhalten. Ein Leben in Freiheit ermöglicht jedem Menschen die Entfaltung seiner Persönlichkeit und individuelle Selbstverwirklichung. Die Freiheit ist der Stoff, aus dem die Menschenwürde gewebt ist. Jedes gesetzliches Verbot oder Gebot, aus welchem guten Grund auch immer, schränkt diese Freiheit ein und sollte nur aus sehr sorgfältigen Überlegungen heraus und als ultima ratio verhängt werden.
Das Recht, ein Denkmal für Musliminnen mit Hijab zu errichten, ist zweifellos eine Manifestation einer freien Gesellschaft. Diese fragwürdige Aktion befürworten oder unterstützen muss man aber nicht. Zu Beginn wurde die Frage aufgeworfen, ob die Wahl des Zeitpunkts für die Enthüllung des Denkmals ein zufälliger Akt war oder bewusst getroffen wurde. Die Antwort darauf lautet: Es war pure Absicht, denn aus der Berichterstattung der Birmingham Mail geht hervor, dass das Denkmal noch nicht am Bestimmungsort im Raum Smethwick aufgestellt wurde, ja noch nicht einmal vom Künstler endgültig abgeschlossen worden ist. Dass daher das Denkmal ausgerechnet jetzt den Medien vorgestellt wurde, lässt nur den Schluss zu, dass den Organisatoren der Tod von Mahsa Amini und die zahlreichen anderen Opfer im Iran gleichgültig sind und sie ihre Ziele mit dem Memorial geradezu verhöhnen wollen. Zur Erinnerung: Mahsa Amini war eine 22-jährige Frau, die wohl durch die Hand der iranischen "Sittenpolizei" starb, weil sie den Hijab nicht ordnungsgemäß trug. Sie wurde mutmaßlich misshandelt und verstarb an den schweren Kopfverletzungen.
Eine in Stahl gegossene Kampfparole des Islamismus
Die verblendete Ideologie, die hinter der Aktion steht, zeigt sich letztlich auch im Titel der Skulptur, den der Künstler gewählt hat: "Die Stärke des Hijab". Die künstlerische Gestaltung der Figur erinnert zudem an stalinistischen Heroenkitsch und scheint darauf abzuzielen, bestimmte Emotionen zu wecken, was eine weitere plumpe Berechnung des Bildhauers darstellt.
Angesichts dieses Hintergrunds ist es schwierig, die behauptete Absicht der Denkmalinitiatoren wohlwollend anzuerkennen. Natürlich ist es von Bedeutung, dass die Gesellschaft auch Frauen mit Kopftuch respektiert. Und sie sollen sich, wie es der Künstler für sie einfordert, auch geliebt und keinesfalls verachtet fühlen. Noch mehr, sie verdienen unser tief empfundenes Mitleid. Sie leben in einer Blase, die sie höchstwahrscheinlich nie verlassen werden. Ihr Denken wird nie frei von Dogmen sein, ihr Leben nie frei von religiösen Zwängen. Sie teilen dieses Los mit allen Menschen, die einer Ideologie, welcher Art auch immer, hoffnungslos verfallen und somit resistent gegenüber Argumenten und überzeugenderen Denkkonzepten sind.
Es ist jedoch grundlegend falsch anzunehmen, dass das Recht von Frauen, sich aus religiösen oder traditionellen Gründen freiwillig zu verschleiern, ein Zeichen ihrer Emanzipation ist. Vielmehr ist es äußerst bedauerlich, dass Frauen solch ein Verlangen für sich selbst empfinden. Für das Ziel einer Gesellschaft, die vom Gedanken der Freiheit durchdrungen ist, wäre es wünschenswert, dass immer weniger Frauen diese Wahl treffen. Das Hijab-Denkmal in Birmingham ist kein Denkmal für Emanzipation und Sichtbarkeit, sondern vielmehr ein unfreiwilliges Mahnmal für die Ungleichbehandlung von Frauen aufgrund religiös geprägter Traditionen. Ein Artikel der Neuen Zürcher Zeitung bezeichnet es zu Recht als "Monument der Ignoranz".
Beifall erhält der Künstler, wenig überraschend, aus dem Iran, wo die Zeitungen die Statue unisono als Symbol der islamischen Kultur und Identität preisen.
Scharf kritisiert wird das Denkmal von der britischen Feministin Megan Manson. In einem Beitrag für die National Secular Society schreibt sie:
"Man kann sich eine solche Statue im Zentrum einer islamistischen Theokratie wie Iran oder Afghanistan vorstellen – wenn der radikale Islam die Darstellung von Menschen, geschweige denn von Frauen natürlich, nicht verbieten würde – als Erinnerung und Warnung für Frauen, die es wagen, darüber nachzudenken, die Prinzipien dieser Länder zu missachten. […] Es scheint, als wäre es ein Akt des Triumphs gegen Irans mutige Frauen, die es wagen, ihre Haare zu zeigen. Es fühlt sich an wie eine Hommage an die Moralpolizei, die jeden Tag die Rechte der Frauen unter ihren Füßen zerschmettert."
Ihr wichtigster Kritikpunkt ist aber, dass das Denkmal den Druck auf Musliminnen, die keinen Hijab tragen wollen, erhöhen wird. Konservative Muslime propagieren oft, dass alle muslimischen Frauen, die keinen Hijab tragen, keine "echten" Musliminnen seien und ihren Glauben verloren hätten. Das Denkmal wird den Druck, den sie bereits verspüren, noch verstärken, sich mit den fundamentalistischeren Mitgliedern ihrer Gemeinschaft zu verbünden und das Kopftuch zu tragen, obwohl sie eigentlich nicht wollen.
Es lohnt sich, eine Parallele zu einer anderen Skulptur zu ziehen, die nicht viele Menschen im Westen kennen: das Denkmal mit dem Titel "Freiheit", das in den 1960er Jahren in Baku, Aserbaidschan, von Fuad Abdurahmanov geschaffen wurde. Die Statue zeigt eine Frau, die den Schleier öffentlich ablegt. Das öffentliche Abnehmen des Schleiers soll den Übergang der aserbaidschanischen Frauen von der Abgeschiedenheit zur Teilhabe an der sowjetischen Gesellschaft symbolisieren. Eine solche kommunistische Utopie will kein Mensch, der die Freiheit liebt, aber ein modernes und ausgewogenes Denkmal, frei von Ideologien und Glaubenssätzen, das allen Musliminnen der islamischen Gemeinschaft in Smethwick Tribut gezollt hätte, wäre bei guten Absichten anders gestaltet worden. Warum wurde zum Beispiel nicht ein Denkmal mit einem Doppelkopf geschaffen, der sowohl Frauen mit als auch ohne Hijab darstellt, um das Gemeinschaftsgefühl der Musliminnen zu stärken?
Die traurige Realität ist, dass dieses Denkmal offensichtlich nicht dazu gedacht ist, die tatsächlichen Anliegen der muslimischen Frauen angemessen zu würdigen. Stattdessen stellt das Hijab-Denkmal eine in Stahl gegossene Kampfparole des Islamismus dar, die sich in einem Mantel der Emanzipation und Diversität zu verbergen versucht. Smethwick sieht sich jetzt mit einem Denkmal der Ignoranz und Heuchlerei konfrontiert, das die tragischen Ereignisse in Iran zynisch verspottet.
7 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Genau wie es der Artikel benennt, ein Denkmal welches die tragischen Ereignisse im
Iran zynisch verspottet und die mutigen Frauen im Iran beleidigt und disqualifiziert.
Roland Fakler am Permanenter Link
Absurder geht es nicht mehr. Der Beifall aus dem Iran sagt alles. Bleibt zu hoffen, dass das nur ein übler kurzweiliger Scherz sein soll.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Da fällt mir nur das ein: Folge der Spur des Geldes !
Angelika wedekind am Permanenter Link
Man muss die Stadtoberen angreifen, weniger den durchgeknallten Künstler. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bevölkerung sich das " Denk- mal!" ... gefallen lässt. Hoffen wir das Beste-.
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Dass diese Riesen - Statue auf einem öffentlichen Platz inmitten der alten englischen Arbeiterstadt Birmingham nichts anderes als ein Zeichen demonstrativer Religionsbekundung darstellt, ist wohl unstrittig.
Hat der aufklärerische Begriff politischer Öffentlichkeit in Birmingham überhaupt noch Platz?
David Z am Permanenter Link
Man könnte fast meinen, es gäbe eine islamisierung der Europäischen Staaten - etwas, was lange Zeit ja fröhlich geleugnet wurde.
Schade. Viel schöner wäre es, wenn die Entwicklung in die andere Richtung ginge und Muslime und ihre westl. Apologeten erkennen würden, wieviel positive Gedanken unsere moderne westl. Gesellschaft anderen Kulturen anbietet - im gesellschaftlichen, politischen, sozialen und philosophischen Bereich.
Dirk Winkler Sä... am Permanenter Link
Vielen Dank für den Bericht. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ein solches Denkmal / Lob der Frauenunterdrückung in einer westlichen Stadt möglich ist.