Frauenbewegungen in Maghreb-Staaten

Früher ging es um Bildung und Wahlrecht, heute um Würde

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Alte Frau auf einem Markt in Tunesien
Frau in Tunesien

In Marokko, Tunesien und Algerien gab es seit den 1960er Jahren starke Frauenbewegungen. Anfangs waren diese feministischen Bewegungen säkular, inzwischen gibt es auch muslimische oder sogar islamistische Frauenbewegungen. Während die Frauen früher um Gleichberechtigung gestritten haben, kämpfen sie heute für die grundlegendsten Menschenrechte.

Die Organisationen Frauen für Freiheit e.V., die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Thomas-Dehler-Stiftung hatten eingeladen, um über Frauenbewegungen in Nordafrika zu sprechen. Der Fokus lag auf Marokko, Tunesien und Algerien. Als Expertinnen sprachen die Publizistin Sineb El Masrar und Naïla Chikhi, ein Gründungsmitglied der Initiative Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung. "Zum Beginn der Frauenbewegung ging es darum, Frauen an Bildung zu bringen und für ihr Wahlrecht zu kämpfen", sagte El Masrar zum Einstieg. "Die Frauenbewegung war säkular, die Bewegung war nicht islamisch konnotiert, es waren auch Jüdinnen und Christinnen dabei." Erst später sei der sogenannte "islamische Feminismus" dazugekommen, der versucht habe, die Religion mitzunehmen.

In Algerien und in Tunesien, erklärte Chikhi, habe es bis Ende der 1980er – als das Land noch sozialistisch war – eine Art Staatsfeminismus gegeben. Die Strukturen seien zwar immer noch patriarchal gewesen, man habe aber versucht, die Rolle der Frau im Sozialismus hervorzuheben. Das Ziel der Feministinnen sei es damals gewesen, die Gleichberechtigung in den jeweiligen Landesverfassungen zu verankern. "Dieses Ziel nach Gleichberechtigung wird heute torpediert vom Familiengesetz", sagte Chikhi.

Familiengesetze legitimieren Gewalt gegen Frauen

Seit dem "arabischen Frühling" formierten sich die Frauenbewegungen neu. Ein Hauptthema der jungen Frauen: die diskriminierenden Gesetze in den Ländern. Das Familiengesetz in Algerien lässt Frauen quasi nie volljährig werden. "Solange dieses Gesetz gilt, wird traditionsbedingte Gewalt legitimiert", sagte Chikhi. Immer wieder wird von Vergewaltigungen berichtet, teils sogar organisiert, wie in der "Stadt der Vergewaltigung", der algerischen Ölstadt Hassi Messaoud.

"Sexuelle Gewalt gab es immer, aber es ist heute schlimmer denn je", beschrieb Chikhi die Lage der Frauen in den Maghreb-Staaten. "Die Frauen haben heute in Algerien keinen Wert mehr; in den 80ern ging es noch um Gleichberechtigung, heute kämpfen die jungen Frauen für die Achtung ihrer Würde." Bei Gewalt gegen Frauen würden die Täter oft nicht verfolgt. "Das ist wie ein Freibrief für Gewalttäter", so Chikhi.

Islamistische Feministinnen für die Scharia

Zudem sei in den letzten Jahren ein neues Phänomen in den Maghreb-Staaten aufgetreten: Der islamistische Feminismus. Einen muslimischen Feminismus habe es schon länger gegeben, sagte El Masrar. Beim islamischen oder muslimischen Feminismus gehe es darum, den Koran "weiblich" zu lesen, aus Frauenperspektive. Es geht diesen Musliminnen um die theologische Gleichstellung von Mann und Frau. Die islamistischen Feministinnen fordern keine Gleichstellung, weder rechtlich noch theologisch. Ein islamistischer Feminismus sei zwar genauso widersinnig wie ein rechtsradikaler Feminismus, aber diese "Soldatinnen des Politischen Islam", wie Chikhi diese Frauen nannte, würden sehr gefördert – von den islamistischen Männern. Sie setzen sich ein für die Unterordnung der Frauen (und Männer) unter die Scharia.

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