Nachdem bereits knapp 520.000 Menschen in Brasilien an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben sind, schwindet der Rückhalt für Präsident Jair Bolsonaro. Dieser hatte die Gefährlichkeit des Coronavirus stets heruntergespielt, den Schutz der Bevölkerung behindert und auf medizinisch fragwürdige Beratung gesetzt. Nun wurde der Präsident von drei Senatoren angezeigt. Er soll über einen Impfstoffdeal mit massiv überhöhten Preisen Bescheid gewusst und ihn nicht gemeldet haben. Eine Verurteilung könnte ihn sein Amt kosten.
Der Gegenwind für Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro wird stärker. Immer wieder hatte er eine Infektion mit dem Coronavirus als kleine Grippe bezeichnet, Schutzmaßnahmen der Gesundheitsminister und Senator*innen blockiert und die Wirkung von Impfungen und Schutzmasken bezweifelt. Medizinischen Rat holte er sich aus bisweilen zweifelhaften Quellen, die zum Beispiel auf Hydroxychloroquin als wirkungsvolles Medikament zur Behandlung einer Covid-19-Erkrankung setzen. Über eine halbe Million Tote sind die Folge einer Politik, bei der große Auftritte und laute Reden beim Bad in der Menge wichtiger sind als der Schutz der Menschen vor einer potentiell tödlichen Krankheit. Dass Minderheiten wie zum Beispiel die indigene Bevölkerung oder Homosexuelle ihm genauso egal sind wie die Umwelt hat er ebenfalls immer wieder deutlich gemacht.
Das fällt Bolsonaro in seinem Wahlkampf um das Amt des Präsidenten 2022 auf die Füße und könnte seinem Gegenkandidaten, dem Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, Stimmen bringen. Bereits Ende Mai waren Bolsonaros hohe Reisekosten von 18,5 Millionen Brasilianischen Dollar (knapp 1,4 Millionen Euro) aufgefallen. Besonders bitter: viele Reisen trat er ohne eine Mund-Nasenbedeckung an und sorgte regelmäßig für eine Anhäufung von Menschen, so zum Beispiel bei seinem kostspieligen Besuch des Karnevals in São Francisco do Sul.
Anfang Juni kam es zu für Bolsonaro unrühmlichen Szenen, als er ein Flugzeug bestieg und ihm statt allgemeinem Jubel auch das ein oder andere "Bolsonaro raus" samt hervorgerecktem Mittelfinger entgegenschlug. Kurz darauf erhielt der Präsident in São Paulo eine Geldstrafe, weil er gegen die dortige Maskenpflicht bei einer Veranstaltung verstoßen hatte. Diese betrug 110 Brasilianische Dollar (etwa 18 Euro), eine für ihn sicherlich lächerlich geringe Summe, für alle anderen war es ein weiterer Beleg dafür, dass Bolsonaro als Vorbild in der Pandemie versagt hat.
Ende Juni nun verurteilte der Bundesgerichtshof in São Paulo Teile der Regierung, die Union, bestehend aus dem parteilosen Präsidenten Bolsonaro, Wirtschaftsminister Guedes und Familienministerin Alves, zur Zahlung von fünf Millionen Brasilanischen Dollar (knapp 850.000 Euro) wegen diskriminierender und abwertender Kommentare gegen Frauen.
Aus Wut vor allem wegen der vielen zu betrauernden Toten der Corona-Pandemie protestierten zehntausende Brasilianer*innen auf der Straße gegen den amtierenden Präsidenten. Die Korruptionsvorwürfe rund um einen wie es scheint überteuerten Einkauf des indischen Impfstoffs Covaxin kosten weiteren Rückhalt. Auch die Unterstützung der bisher treuen Evangelikalen schwindet. Standen im Februar noch 38 Prozent der Evangelikalen hinter ihm, sind es heute nur mehr 29 Prozent. Ein Wert, der noch sechs Prozent über der Unterstützungsquote der anderen Wähler*innen liegt, von denen ihn nur mehr 23 Prozent wählen würden. Ebenso schwindet der Rückhalt beim Militär, welches er zu Beginn seiner Regierung noch mit zahlreichen Posten bedacht hatte.
Im Skandal um den Einkauf von 20 Millionen Impfdosen Covaxin für 324 Millionen Brasilianische Dollar (etwa 55 Millionen Euro), bei dem eine Dosis etwa 1.000-mal teurer als bei anderen Einkäufen gewesen wäre, hatte ein ehemaliger Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums ausgesagt. Er hatte erklärt, den Präsidenten bereits am 20. März darüber informiert zu haben, dass außergewöhnlicher Druck auf ihn ausgeübt worden sei, den Vertrag trotz seiner Zweifel über die Höhe der Kosten abzunicken. Die von Bolsonaro zugesagte Meldung des Vorfalles sei nicht erfolgt.
Jair Bolsonaro, angetreten als der Mann, der die Korruption im Land beenden wollte, steht nun im Zentrum einer Korruptionsuntersuchung. Drei Senatoren, Randolfe Rodrigues, Jorge Kajuru und Fabiano Contarato, haben dem Obersten Gerichtshof Unterlagen zum Fall zukommen und die Untersuchungen einleiten lassen. Eine Verurteilung könnte Bolsonaro bereits vor der Wahl 2022 das Amt kosten. Doch selbst wenn es nicht zur Verurteilung kommt, sorgt der Skandal um mögliche Korruption der Regierung Bolsonaro für einen Stimmgewinn für Gegenkandidat Lula.