Sowohl der Bund für Geistesfreiheit (BfG) Bayern als auch die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) zeigten sich positiv überrascht über die Worte des Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert. Dieser hatte in einer Rede daran erinnert, dass auch heutzutage "Ungläubige" wieder bedroht sind.
Bundestagspräsident Lammert (CDU) ging in seiner Rede am 15. August 2016 auf der Insel Reichenau im Bodensee anläßlich des Festes Mariä Himmelfahrt auf die Frage ein, wie wichtig die Erinnerung an herausragende Ereignisse des kulturellen Erbes sei – und wie notwendig die kritische Betrachtung dabei bleiben muss.
So mahnte Lammert, dass bereits im "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" nichts von Heiligkeit zu spüren war. Die Christianisierung, die Karl der Große keineswegs mit der Bibel, sondern mit dem Schwert vorangetrieben habe, machte deutlich, welches Unrecht den sogenannten "Ungläubigen" wiederfahren war. Dass diese Gruppe auch heute wieder bedroht sei, zeige nicht nur die Verfolgung der Andersdenkenden durch den "Islamischen Staat".
Der Sprecher der HABO, Dennis Riehle, wies darauf hin, dass der Bundestagspräsident die Rechte derjenigen betont habe, die nicht glauben und keiner Konfession oder Religion angehörten. Es sei deutlich geworden, dass sie sich in vielen Ländern auch weiterhin dafür rechtfertigen müssten, ihre Überzeugung frei zu wählen und sich gegebenenfalls für ein atheistisches Lebensmodell zu entscheiden. "Das ist auch bei uns weiterhin ein Thema. In vielen Regionen ist es verpönt, nicht der Kirche anzugehören."
Dieser Aussage schließt sich der Vorsitzende des BfG Bayern, Erwin Schmid, an. Deshalb sei es gut gewesen, dass Lammert das Thema dort angesprochen habe. Riehle und Schmidt wiesen darauf hin, dass "Diskriminierungen von Menschen ohne religiöses Bekenntnis keine Seltenheit" sind. Riehle ergänzt: "Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten. Daher ist es wichtig, dass auf diesen Missstand auch weiterhin öffentlich aufmerksam gemacht wird. Norbert Lammert leistete einen guten Beitrag hierzu und betonte indirekt, dass Religionsfreiheit eben auch bedeute, frei von Religion sein zu dürfen. Die Nachwehen der grausamen Ausbreitung des Christentums zeigen bis heute, dass das wohl noch immer keine Selbstverständlichkeit ist."
10 Kommentare
Kommentare
Karin Resnikschek am Permanenter Link
Toll, der alte Lammert! Da die BRD den laizistischen Weg nicht geht, wäre das Mindeste die Gleichstellung der religiösen und laizistischen Bürger.
Danke, Lammert!
Guido W. Reichert am Permanenter Link
Chapeau! Wenn das mal nicht eine Empfehlung für das Amt des Bundespräsidenten ist - hier werden ja noch Kandidaten für die Nachfolge des „Staatspredigers” gesucht. :)
Wolfgang am Permanenter Link
Sehr schön, sie sind auf dem richtigen Weg. Es gibt allerdings noch viel zu tun, der Kriechgang entwickelt sich wieder zu einem aufrechten Gang.
Und das von der CDU! Wunder gibt es immer wieder....
Hans Trutnau am Permanenter Link
Lammert "betonte indirekt"..., nicht direkt? Wie muss ich mir das vorstellen? Gibt es einen Link zu der Rede? (Nein, der Link oben führt tatsächlich nur zu der Inselinfo.)
Hans Trutnau am Permanenter Link
Mal gesucht - und Link gefunden:
http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/reichenau/Bundestagspraesident-Norbert-Lammert-spricht-Klartext-beim-Muensterjubilaeum;art372456,8856778
>>Ein Festtag wie der auf der Reichenau sei wichtig, weil er zum Nachdenken über das Erbe anrege. In der karolingischen Zeit sei „das Zentrum von Macht und Kultur aus dem antiken Mittelmeerraum in das nordwestliche Europa gewandert“. Doch das Heilige Römische Reich deutscher Nation sei „weder eine Nation, noch römisch und ganz sicher nicht heilig“ gewesen. Die Christianisierungswelle Karls sei weniger mit Bibel und Kreuz, sondern mit Feuer und Schwert vor sich gegangen. Der Umgang mit Ungläubigen erinnere an die heutigen Verirrungen radikaler Islamisten. Doch es habe unter Karl auch eine Bildungsreform gegeben – für eine gemeinsame Sprache und systematische Bildung. Hier sei die Abtei Reichenau eine der ersten Schulen gewesen.
Lammert leitete dann zur heutigen EU über, wo eine Diskrepanz festzustellen sei zwischen den einst formulierten Zielen und dem Umgang miteinander. Lammert geißelte die Tendenzen zurück zum Nationalstaat, die „mit teils erschreckenden Parolen“ einhergingen. Da werde Gedankengut des 19. Jahrhunderts, das im 20. Jahrhundert „erbärmlichst gescheitert“ sei, wiederbelebt. „In Europa scheint man es für einen besonderen Clou zu halten, dass es keine Verbindlichkeiten gibt.“ Doch die europäische Gesellschaft lebe von der Kultur des Glaubens und der Kultur der Vernunft, zitierte er den Philosophen Jürgen Habermas und Josef Karl Ratzinger. Nur diese Verbindung verhindere Verirrung, meinte Lammert.<<
Karls Feuer und Schwert - das stimmt. Aber Bildungsreform? Oder später Kultur des Glaubens? Da irrt Lammert m.E. wie Ratzinger oder Habermas.
Kay Krause am Permanenter Link
Dazu nur ein kurzer Kommentar aus meiner "Bayern-Zeit":
Ich gab gegenüber einem Bayern offen zu, dass ich nicht katholisch sei.
Ihnen - sehr geehrter Herr Lammers - herzlichen Dank für Ihre Anmerkungen. Aus Ihrer politischen Ecke erwartet man das am allerwenigsten.
Matthias Wehrstedt am Permanenter Link
Die von Karl dem "Großen" zwangschristianisierten Sachsen waren doch keine "Ungläubigen" im Sinne von Agnostikern oder Atheisten.
annen nerede am Permanenter Link
Genau, die glaubten an Baumgötter, Sonnengötter, Wassergötter.Also auch mindestens 3 Götter, wie Katholiken
Klaus Bernd am Permanenter Link
Sosehr ich den persönlichen Mut von Norbert Lammert schätze, als CDU-Mitglied solche Töne anzuschlagen - hat er sich nicht auch schon zur Feier des Konstanzer Konzils kritisch geäußert ?
Volkmar H. Weber am Permanenter Link
Leider weist die Rede in die falsche Richtung, denn den Ungläubigen (zur Zeit Karls) wird ja unterstellt, dass sie nicht des christlichen Glaubens waren, sonders eines anderen Glaubens an hingen.