Der ehemalige TAZ-Redakteur Daniel Bax setzt sich in seinem neuen Buch "Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind" mit entsprechenden Deutungen auseinander. Dabei kritisiert er anschaulich allzu leichtfertige Erklärungen, wobei es aber auch zu Einseitigkeiten und Themenabweichungen kommt.
Politische Akteure, die allgemein als "Rechtspopulisten" bezeichnet werden, können nicht nur in Europa regelmäßig hohe Wahlerfolge verzeichnen. Es handelt sich demnach nicht um ein deutsches, sondern um ein internationales Phänomen. Wie erklärt sich diese Entwicklung? Als Antwort auf die Frage kursieren unterschiedliche Interpretationen. Doch wie angemessen sind diese Aussagen, beruhen sie nicht mitunter auch auf Fehlschlüssen? Daniel Bax, der Redakteur im Inlandsressort der TAZ in Berlin war, hat sich mit dieser Problemstellung ausführlicher beschäftigt. Das Ergebnis dieser Reflexionen findet sich in seinem neuen Buch "Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind". Darin fragt er laut eigenen Worten danach, "was die Gründe für das aktuelle Revival des Rechtspopulismus sind. Sind es wirklich die 'Abgehängten', die die rechten Populisten wählen? Ist es ein Protest gegen wachsende Ungleichheit, oder welche Motive treiben ihre Wähler an? Welche Rolle spielt die Frage der 'Identitätspolitik', der Globalisierung und der Migration?" (S. 14).
Bereits diese Aussagen machen deutlich, dass Bax sich viel vorgenommen hat. Die meisten Kapitel nehmen sich jeweils eines der Deutungsmuster vor, referieren dazu Auffassungen aus der politischen Debatte oder sozialwissenschaftlichen Forschung und münden dann in Kommentaren des Verfassers. Dabei hält sich dieser – um es bereits vorweg zu sagen – nicht immer an sein eigentliches Thema. Es gibt auch Kapitel, welche primär über Sachverhalte informieren. Dazu gehören beispielsweise die Ausführungen über die "Vordenker der Völkischen" (S. 116), die in der Neuen Rechten erblickt werden, oder über den "Aufstand alter Männer" (S. 135), womit Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin oder Roland Tichy gemeint sind. Gegen Ende fragt Bax "Was tun? Antworten auf den Rechtspopulismus", wobei er insbesondere darauf abstellt, dass sich die Gesellschaften "ihrer grundlegende Werte … vergewissern" (S. 255). Der Autor erörtert zuvor, inwieweit ein Links- den Rechtspopulismus überwinden könnte, was er indessen für einen falschen Ansatz hält.
Der Kern des Buches beschäftigt sich aber mit den erwähnten Deutungsmustern für "Rechtspopulismus". So betont der Autor etwa, dass es keineswegs die tatsächlich "Abgehängten" seien, welche in diese Richtung ihre Stimme vergeben würden. Laut der Forschung verführte dazu nicht die "objektive Lebenslage, sondern vor allem die subjektive Wahrnehmung" (S. 35). Es sei auch nicht so, dass bei entsprechenden Entscheidungen ein bloßes Protestmotiv dominiere, denn: "Die Wähler der AfD wollen wirklich, wofür diese Partei steht …" (S. 56). Bax macht außerdem in zwei Kapiteln zu den Medien deutlich, dass die Rechtspopulisten keineswegs "Opfer" dieser seien. Ganz im Gegenteil wäre das Verhältnis "nicht so antagonistisch und konfliktreich, wie sie es selbst gerne" darstellten. "Es ist teilweise sogar eher partnerschaftlich und symbiotisch" (S. 88). Zwar spielte die Internetnutzung eine wichtige Rolle bei der Propaganda, gleichwohl könne auch diese für sich allein genommen nicht das Phänomen "Rechtspopulismus" erklären.
Bax beschäftigt sich tagtäglich mit den angesprochenen Themen. Insofern kann er sich häufig auf eine Fülle von Detailerkenntnissen beziehen. Gleichwohl neigt er dazu, alle nur möglichen Aspekte aus seiner Beschäftigung mit dem "Rechtspopulismus" in das Werk zu packen. Dadurch passen manche Ausführungen nicht so recht zu seiner eigentlichen Problemstellung. Indessen lohnt auch hier die Lektüre zur kritischen Reflexion. Der Autor hinterfragt liebgewordene Deutungen, wobei er aber mitunter dazu neigt, mit seiner Kritik die ganze Position zu diskreditieren. So pauschalisierend und vereinfachend der Hinweis auf die "Abgehängten" sein mag, so lässt sich nicht leugnen, dass der Anteil von Arbeitslosen in der Wählerschaft überproportional hoch ist. Gleichwohl wählen nicht alle Arbeitslosen auch "rechtspopulistisch". Demnach muss ein solcher Erklärungsfaktor differenziert und gewichtend in ein Ursachenbündel integriert werden. Darüber nachzudenken, regt "Die Volksverführer" trotz schiefem Titel mit an.
Daniel Bax, Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind, Frankfurt/M. 2018 (Westend-Verlag), 288 S., 20 Euro
5 Kommentare
Kommentare
Helmut Lambert am Permanenter Link
Ich vermisse bei der Analyse der Gründe immer den Aspekt, dass die linke Programmatik am Ende ist.
Die linken Parteien haben kein funktionierendes Geschäftsmodell. Daher erleben wir das Ende des rotgrünen Deutungsparadigmas.
Peter Bordych am Permanenter Link
Ein Problem mit Artikeln über Bücher ist die Verkürzung und Selektion mancher Textpassagen aus jedwedem Kontext heraus.
rainerB. am Permanenter Link
Mal eine ketzerische Frage, die aber hoffentlich noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist (ja soweit ist es schon, dass man sich genötigt fühlt, darauf im Voraus hinzuweisen):
"Wenn Linke vlt. mal wieder 'so erfolgreich sind' - wird Herr Bax dann auch "Volksverführer" titulieren?
Man kann nicht oft genug daruf hinweisen, dass die mitlerweile Unzahl derartiger vornehmlich Rechtspopulismus-Analysen meist schon an Begriffsdurcheinander krankt: Ein Populist ist eben nicht automatisch ein VolksVERführer, sondern wertungsfrei - außer im deutschsprachigen Raum - ein sich auf Volksnähe Berufender.
Das Fremdwort für VolksVERführer ist heute Demagoge! (Obwohl selbst dieses früher wertungsfrei einen Volkführer bezeichnete, der sich auf Volksteile stützen konnte.
Wer also ein Buch über RechtsPOPULISMUS mit Volksverfüherer betitelt, hat schon in der ersten Zeile stillschweigend eine negative politische Wertung vorgenommen, der auch das Ergebnis folgen wird...
Um Rechtspopulismus trennscharf zu analysieren, sollte einfach mal auf den gegen das Aufkommen von Haiders FPÖ als Kampfvokabel eingeführten hießigen Populismusbegriff verzichtet werden. P. ist - wie im angelsächsischen Sprachraum gebräuchlich - ein Handeln, welches sich auf Volksnähe beruft bzw. an das Volk oder Teile von diesem adressiert ist. Vollkommen wertungsfrei und zwar zurecht. Denn die direkteste Art von Populismus sind Volksabstimmungen oder die Direktwahl von Amtsträgern, was legitimer Bestandteil jeder Demokratie sein sollte.
Und es ist durchaus demokratiefördernder P. denkbar, wenn man sich z.B. ein Volksbegehren zur Begrenzung von Amts- u. Mandatszeiten vorzustellen vermag. So etwas kommt im Negativkorsett eines Herrn Bax u.v.a. infolge ihrer P.-Definition gegen Rechts gar nicht vor. Genauso wie Volksabstimmungen, denn die sind ja = Brexit = Populismus.
Ich bin gepannt auf die nächste, gefühlt Xte Rezension zu diesem Thema vom immer gleichen Rezensenten, der die fragwürdigen Grundaxiome und Definitionen der Autoren stets zu teilen scheint.
Es ermüdet!
David am Permanenter Link
Ich bin grade etwas irritiert. Sind in letzter Zeit so wenige Bücher erschienen, dass Herr Pfahl-Traughber gezwungen ist, ein Buch von Daniel Bax zu rezensieren?
rainerB am Permanenter Link
Jaja, das frag ich mich auch.
Nun gut, der ist von vor zwei Jahren. Aber wenn das hier vorgestellte Buch wieder mit vergleichbar tendenziöser Feder geschrieben sein sollte - dann danke...
Ich glaube, wir hatten hier mal betreffs Antisemitismusdefinition kurz kommuniziert? Ich habe da jetzt mal infolge der jüngsten Anti-Corbyn-Kampagne recherchiert:
Ein Ursprung hier: https://de.wikipedia.org/wiki/3-D-Test_f%C3%BCr_Antisemitismus
Eingeflossen hier: https://www.holocaustremembrance.com/de/node/196
Allerdings muss hier zw. der Definition und den erläuternden Beispielen unterschieden werden, denn nur erstere wurde vom Plenum des IHRA verabschiedet.
Die Bundesregierung hat für DE noch einen folgenreichen Satz angehangen: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/kulturdialog/06-interkulturellerdialog/-/216610
Und eine Kritik hier: http://bds-kampagne.de/2017/12/20/sechs-gruende-warum-niemand-die-sogenannte-eumc-oder-ihra-arbeitsdefinition-von-antisemitismus-uebernehmen-sollte/