Ein journalistisches Portrait von Marine Le Pen

Vorbild für Rechtspopulisten

Die Journalistin Tanja Kuchenbecker legt mit "Marine Le Pen. Tochter des Teufels. Vom Aufstieg einer gefährlichen Frau und dem Rechtsruck in Europa" ein Portrait der rechtspopulistischen Politikerin vor. Als Einführung ins Thema ist das locker geschriebene, aber etwas oberflächliche Werk empfehlenswert.

Auch Adolf Hitler sollte man nicht einen "Sohn des Teufels" nennen. Die Diabolisierung durch Entmenschlichung trägt nicht zur Ursachenanalyse bei. Dies gilt auch gegenüber einer Formulierung, welche die Front National-Vorsitzende Marine Le Pen als eine "Tochter des Teufels" bezeichnet.

So hat die Journalistin Tanja Kuchenbecker auch ihr Buch betitelt: "Marine Le Pen. Tochter des Teufels. Vom Aufstieg einer gefährlichen Frau und dem Rechtsruck in Europa". Gleichwohl kann Entwarnung gegeben werden: Die Autorin beschränkt sich keineswegs auf dieses Etikett. Die Bezeichnung kommt im ganzen Buch nicht mehr vor. Dann fragt sich aber, warum ein solcher Untertitel angemessen sein soll.

Kuchenbecker will eigentlich Marine Le Pens Aufstieg mit dem Front National thematisieren. Und dabei spielt die Bezeichnung "Entdiabolisierung" eine Rolle, womit die Abkehr vom offenen Extremismus des früheren Parteivorsitzenden und Vaters Jean-Marie Le Pen in Kombination mit einer scheinbaren Mäßigung von großer Relevanz ist.

Zunächst geht es um den Aufstieg des Front National, wobei nach den gesellschaftlichen Gründen für diese Entwicklung gefragt wird. Dabei fallen bekannte Argumente wie die Hinweise auf Ängste vor Globalisierung, Anstieg der Arbeitslosigkeit, Aversionen gegen die Eliten, Furcht vor Flüchtlingen, Probleme mit Migration, Umbrüche in der Ökonomie. Dem folgen Ausführungen zu den Feindbildern und Vorbildern. Da ist es die EU und die Einwanderung, die Globalisierung und der Islam. Die Autorin macht hier auch deutlich, dass beim Front National die Forderung nach Laizismus in Muslimenfeindlichkeit mündet: "In Le Pens Strategie bedeuten das Festhalten am und die Betonung des Laizismus nicht mehr nur eine Garantie der religiösen Freiheit. Vielmehr wird die Forderung nach einer Trennung von Religion und Staat zu einer Waffe gegen Muslime" (S. 72). Es wird in diesem Kontext aber auch das chamäleonartige Agieren der Politikerin aufgezeigt, welche angepasst und wendig Positionen ändert und Wendungen vollzieht – alles um einer Machtstrategie willen.

Danach stehen die Familienbande im Zentrum: Kuchenbecker beschreibt zunächst den Lebensweg von Jean-Marie Le Pen vom folternden Soldaten bis zum erfolgreichen Parteivorsitzenden und danach den seiner Tochter Marine von der Jura-Studentin bis an die Spitze des Front National. Dem folgend behandelt die Autorin deren Präsentation in der Öffentlichkeit, also den Umgang mit Journalisten und Medien. "Publikumswirksam" und "telegen" sind hier die Stichworte.

Es geht Marine Le Pen bei all dem aber immer um eine kühl verfolgte Strategie, womit sie formal gemäßigt, substanziell aber unverändert nach der Macht strebt. Ein interessanter Nebenaspekt ist dabei, dass die Front National-Vorsitzende sich als "Freundin der Homosexuellen" gibt und dabei deren Angst vor Muslimen schürt. Und schließlich behandelt die Autorin Marine Le Pen im Kontext der Entwicklung des europäischen Rechtspopulismus, wo – wie bei der AfD in Deutschland - ihre Erfolge bei Wahlen häufig als Modell für eigene Zielsetzungen wahrgenommen werden.

Das Buch über Marine Le Pen ist ein journalistisches Buch – mit entsprechenden Vor- wie Nachteilen. Es ist einfach und locker geschrieben, man kann es schnell "runterlesen". Dafür ist es häufig nur beschreibend und wirkt nicht selten oberflächlich. Die Autorin stützt sich in ihrem Quellenverzeichnis häufig auf Internetfundstellen. So kann man natürlich einfach und schnell die einschlägigen Informationen zusammenfügen. Gelegentlich werden auch Fachwissenschaftlern zum Thema zitiert. Aber eine nähere Auseinandersetzung mit deren Deutungen findet nicht statt.

Es gibt mitunter Formulierungen wie: "Es heißt zudem, der Front National und Marine Le Pen hätten Karteikarten angelegt …" (S. 124). Ja wie denn nun, ist man versucht zu fragen. Ist das nun so oder ist das nun nicht so. Und warum folgt dann bei unsicherer Kenntnis eine solche Wortwahl. Kurzum, wer nach einer ersten Einführung ins Thema sucht, der ist mit dem Buch zufrieden zu stellen. Darüber hinaus Interessierte müssen bzw. sollten dann doch zu anderen Werken greifen.

Tanja Kuchenbecker, Marine Le Pen. Tochter des Teufels. Vom Aufstieg einer gefährlichen Frau und dem Rechtsruck in Europa, Freiburg 2017 (Herder-Verlag). 223 S.