Rezension

Aufstieg des Rechtspopulismus und Krise der Ökonomie

BONN. (hpd) Die Publizisten Joachim Bischoff, Elisabeth Gauthier und Bernhard Müller legen mit dem Buch "Europas Rechte. Das Konzept des 'modernisierten' Rechtspopulismus" eine "Flugschrift" zum Thema vor. Der informative Band stellt zutreffend auf Folgen der sozioökonomischen Krisenentwicklung ab, argumentiert dabei aber trotz gegenteiliger Bekundungen mitunter etwas zu "ökonomiezentriert".

Der Blick in die meisten europäischen Länder zeigt: Fast überall können Parteien, die als "rechtspopulistisch" bezeichnet werden, erstaunliche Wahlerfolge verbuchen. Während es derartige Entwicklungen in Belgien oder Frankreich schon seit Jahrzehnten gibt, lässt sich ein solcher Trend auch in Deutschland oder Schweden als bislang diesbezüglich unbelastet geltenden Regionen ausmachen. Welche Faktoren erklären dies, welche Gründe können konstatiert werden?

Über diese Frage wird in Alltagsgesprächen wie in Feuilletons ebenso wie auf Konferenzen und in Sammelbänden diskutiert. Einen Beitrag zu dieser Debatte liefern auch Joachim Bischoff, Elisabeth Gauthier und Bernhard Müller in ihrer "Flugschrift" mit dem Titel "Europas Rechte. Das Konzept des 'modernisierten' Rechtspopulismus".

Bischoff ist Mitherausgeber und Müller Redakteur der Zeitschrift "Sozialismus", Gauthier arbeitet als Direktorin von "Espaces Marx". Demnach wählen die Autoren auch eine marxistische geprägte Analyseperspektive mit einer Fixierung auf die sozioökonomische Entwicklung.

Gleichwohl warnen sie bereits zu Beginn vor eindimensionalen Erklärungen: "Allerdings ist vor dem Mythos zu warnen, dass der Rechtspopulismus eine direkte Auswirkung des ökonomisch-sozialen Krisenmodus ist" (S. 6). Man müsse nationale Eigentümlichkeiten der politischen Kultur ebenfalls berücksichtigen. Darüber hinaus gehe es bei den Anhängern um die gefühlte, weniger um die tatsächliche Krise.

Indessen wird doch als zentrale These formuliert: "Im Zuge der tiefen Krise, die seit 2008 die europäischen Ländern sowie die EU als Ganzes erfasst hat, sind auch die politischen Systeme der Mitgliedsländer in eine tiefe Krise geraten" (S. 9). Als eine Folge davon erkläre sich auch der Aufstieg des "Rechtspopulismus". Diesen deuten die Autoren als Form der "modernisierten Rechten". Diese gehe nicht mehr mit einen positiven Bezug zum Faschismus, sondern mit einer proklamierte Abkehr davon einher. Auch lehne man die Demokratie nicht mehr offen ab, sondern befürworte taktisch mehr "direkte Demokratie".

Danach folgen einige Basisinformationen zu Aufstieg und Wahlerfolgen einschlägiger Parteien in Europa, die sich auch als Folge eine Krise des politischen Systems erklärten. Verstärkt werde diese Entwicklung noch durch die Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung: Gerade der anwachsende Bevölkerungsanteil im unteren sozialen Bereich beteilige sich immer weniger an Wahlen – oder wenn doch in Richtung eben der "Rechtspopulisten". Darüber hinaus breite sich ebendort und auch woanders eine Neigung zu Vorurteilsstrukturen immer mehr aus, wofür als Beleg die Forschungen im Kontext von "Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" zitiert werden. Bezogen auf die Bedingungsfaktoren heißt es: "Damit der Populismus zum Tragen kommt, muss zu den ... ökonomischen und kulturellen Bedingungen als politisches Moment ein Vertrauensverlust in das politische System und seine Akteure ausgebildet sein" (S. 64). Am Ende skizzieren die Autoren einige Gegenstrategien für die Linke und präsentieren kurze Länderstudien (Deutschland, Frankreich, Schweden).

In der Gesamtschau hat man es mit einem interessanten Band mit Inhalten auf engem Raum zu tun. Dabei wirkt die Abhandlung etwas fragmentarisch, was sich wohl mit der unterschiedlichen Arbeitsteilung der Autoren erklärt. Es gibt sowohl Argumentationslücken wie Wiederholungen. Entgegen der Betonung, dass nicht der ökonomische Gesichtspunkt allgemein die politische Entwicklung bewirke, neigen Bischoff, Gauthier und Müller denn dann doch zu dieser Deutung. So erklären sich aber nur Aversionen gegen die politische Elite und das politische System, aber nicht notwendigerweise auch die Orientierung in Richtung des Rechtspopulismus. Man müsste so etwa die Frage beantworten, warum trotz einer massiven Krise in Spanien einschlägige Parteien dort keine Wahlerfolge verbuchen. Besser wäre es für die Gesamtanalyse gewesen, einzelne Bereiche zunächst gesondert und dann in ihrem Wechselverhältnis genauer und systematischer zu betrachten: politische Akteure, soziökonomische Bedingungsfaktoren, gesellschaftliche Einstellungen, politische Kultur.

Joachim Bischoff/Elisabeth Gauthier/Bernhard Müller, Europas Rechte. Das Konzept des "modernisierten" Rechtspopulismus, Hamburg 2015 (VSA), 131 S., ISBN 978-3-89965-663-3, 11,00 Euro