Das Ding muss weg!

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Ein(e) künftige Minister(in) für Gesundheit sollte den "Spahn-Erlass" an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Herausgabe des Sterbemedikaments Natriumpentobarbital (NaP) an Suizidwillige zu blockieren, sofort aufheben.

Am 21. Juni 2018 schrieb ein Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums an den Präsidenten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte einen Brief (unten im vollen Wortlaut beigefügt), der folgendermaßen beginnt:

"Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr Professor Broich, Bürgerinnen und Bürger haben beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anträge auf Erteilung von betäubungsmittelrechtlichen Erwerbserlaubnissen jeweils für eine letale Dosis eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung gestellt. Nach intensiver Beratung im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) möchten wir Sie hiermit bitten, solche Anträge zu versagen. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein ...".

Andererseits hat am 26. Februar 2020 das Bundesverfassungsgericht den § 217 StGB (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung) als verfassungswidrig aufgehoben und in seiner Urteilsbegründung die somit wieder gültige, bisherige Rechtslage in ihrer vollen Tragweite beleuchtet. Es wäre somit ein Unding, wenn nach dem Wechsel an der Spitze des BMG die seinerzeitige Weisung aus dem Hause Spahn weiter gelten würde. Es ist ohne Aufwand möglich, diese umgehend durch ein neuerliches Schreiben an das BfArM aufzuheben. Was die Folgen eines solchen Schrittes wären, lässt sich nicht auf Anhieb beurteilen – abgesehen von einer Signalwirkung, die viele positiv und andere natürlich negativ bewerten würden. Vielleicht käme neue Bewegung in die Bemühungen, die Freigabe von NaP auf dem Gerichtswege zu erreichen; dies zu beurteilen, wäre Sache der damit befassten Juristen.

Zu fragen ist aber auch, ob sich folgendes Szenario realisieren ließe: Ein Arzt rezeptiert für einen Suizidwilligen (auf dem für Betäubungsmittel vorgesehen Formular) NaP zur Selbsttötung; eine kooperierende Apotheke besorgt das Medikament bei der Firma Fragon; meines Wissens der einzigen in Deutschland, bei der NaP erhältlich ist. Nachdem die Selbstötung geschehen ist, erfolgt eine Selbstanzeige des Arztes; es kommt zu einem Gerichtsverfahren, das in letzter Instanz beim Bundesgerichtshof (BGH) entschieden werden könnte. Hauptgrundlage für diese eventuelle Strategie wäre die Tatsache, dass die gegenwärtige Fassung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) Anfang 1981 in Kraft getreten war und die neueren Entwicklungen, insbesondere im Bereich Palliativmedizin, noch gar nicht abzusehen waren. Palliative Betreuung erlaubt heutzutage als ultima ratio auch die Beihilfe zum Suizid. Wie anders wäre es zu bewerten, dass vor etlichen Jahren die organisierte Ärzteschaft den Ärzten Beihilfe zum Suizid zu verbieten versuchte und – als Folge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum § 217 – diese Maßnahme derzeit wieder rückgängig gemacht werden muss (durch Umformulierung des betreffenden Passus in den Berufsordnungen)?

Man könnte hier einwenden, dass die das BtMG ergänzenden Angaben in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) ja aus jüngerer Zeit (letzte Aktualisierung Juli 2018) stammen. Aber dort scheint nicht alles exakt so formuliert zu sein, dass NaP von Ärzten nicht verordnet werden könnte. Eine der derzeitigen Bestimmungen lautet:

Betäubungsmittelgesetz § 4 Ausnahmen von der Erlaubnispflicht / Abs. 1:

"Einer Erlaubnis nach § 3 bedarf nicht, wer…. 3. in Anlage III Betäubungsmittel … auf Grund ärztlicher, zahnärztlicher oder tierärztlicher Verschreibung erwirbt."

In Anlage III des BtMG ("Verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel") wird explizit auch Pentobarbital aufgeführt, also die organische Säure, deren Natrium-Salz für die freiwillige Beendigung des Lebens verwendet werden kann.

In der BtMVV steht bei "§ 2 Verschreiben durch einen Arzt" unter Punkt a), dass er 25 aufgelistete Substanzen bis zu den explizit angegebenen Höchstmengen verordnen darf, und unter Punkt b), dass er auch ein in Anlage III des BtMG aufgelisteten Mittel verschreiben darf, "außer Alfentanil, Cocain, Etorpin, Remifentanil und Sufentanil". Natriumpentobarbital ist hiervon also nicht betroffen!

Von diesen Details noch einmal zurück zu der Weisung des Gesundheitsministeriums an das BfArM: Warum erfolgte sie? Zum einen wohl deshalb, weil man auch im Ministerium eine Verschreibung von NaP durch Ärzte für legal möglich hielt. Zum anderen, weil das BfArM offensichtlich einer Weisungsbefugnis des Gesundheitsministers unterliegt und es somit möglich war, seine politische Absicht auf eine Weise durchzusetzen, die vielleicht als Rechtsbeugung zu bewerten ist.

Es wäre aus Sicht des Autors gut, wenn der oder die neue Gesundheitsminister(in) sogleich beim Amtsantritt mit der Forderung "Das Ding muss weg" durch eine öffentliche Verlautbarung (zum Beispiel einen zu veröffentlichenden Brief mit vielen Unterschriften) begrüßt würde!

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