Wie Olga Koch in Frauenfeld der Satan ausgetrieben wurde

Eingesperrt und eingeschüchtert

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"Somebody Call an Exorcist!"
"Somebody Call an Exorcist!"

Die Freikirche "Touch The Love Ministries" zeigt sektenhafte Züge, wie die persönliche Erfahrungen eines Ex-Mitglieds zeigen. Ein Bericht über psychischen Druck, Isolation und die Flucht aus der Gemeinschaft.

Sie musterte mich bei unserer ersten Begegnung eingehend durch ihre Brille und wirkte ein wenig misstrauisch. Zu oft wurde sie in ihrem Leben in eine Falle gelockt, zu oft missbraucht, verletzt und ausgebeutet. Seelisch, geistig und körperlich. Doch bald fasste sie Vertrauen und erzählte ihre dunkle Geschichte temperamentvoll.

Nennen wir die reifere Frau Olga Koch. Durch den frühen Tod ihrer Mutter erlebte sie schon als kleines Mädchen ein Trauma. Als Jugendliche wurde sie sexuell missbraucht. Auch diese Narbe schmerzt sie heute noch. Religiös erzogen und geprägt wurde sie durch ihre Familie im strengen christlichen Glauben der Heilsarmee. Dort erlebte sie ebenfalls körperlichen Missbrauch.

Vor ein paar Jahren drängte sie eine Freundin zum Besuch eines Gottesdienstes bei der Freikirche "Touch the Love Ministries" Frauenfeld (TLM). Sie gab dem Frieden zuliebe nach, doch sie konnte mit dem enthusiastischen Lobpreis Gottes und der aufgeheizten Stimmung wenig anfangen. Deshalb umgarnten sie ihre Freundin und das Pastoren-Ehepaar Hartmut und Marietta Olschewsky.

Gott habe sie zu ihnen geführt, er er habe Großes mit ihr vor, und durch sie würden viele neue Leute zum richtigen Glauben bei ihnen finden, sagten sie ihr. Schließlich gab sie dem moralischen Druck nach und besuchte die Gottesdienste regelmäßig.

Der Verrat

Die hohen Ansprüche und der religiöse Eifer des Pastors setzten ihr zu, sie fühlte sich eingeengt und bedrängt. Es kam ihr wie eine Gehirnwäsche vor. Sie vertraute sich nach einem Gottesdienst einer Frau an, die ihr Unbehagen gegen ihren Willen sofort dem Pastor meldete.

Seine "Diagnose": Da muss der Satan seine Finger im Spiel haben. Die "Therapie" war rasch gefunden: Der Dämon musste ausgetrieben werden.

Das Pastoren-Ehepaar und ein paar Gläubige des Kernteams bildeten einen Kreis, Olga Koch musste sich in der Mitte postieren. Der Pastor legte ihr die Hand auf und begann in Zungen zu reden.

Sie verstand nichts und fühlte sich zutiefst unwohl. Schließlich redeten alle durcheinander in Zungen, die Stimmung empfand sie als aufgeheizt, die Situation kam ihr unheimlich und beängstigend vor. Dazwischen schrie der Pastor: "Im Namen Jesus von Nazareth: Satan verlasse diese Frau!"

Wie sie später erfuhr, soll der Heilige Geist durch Visionen und Bilder zu den Gläubigen gesprochen und sie mit seinen Kräften gesegnet haben. "Es war beklemmend, und ich kämpfte gegen die Panik", sagte Olga Koch. Das Satansritual dauerte mehrere Stunden. Um endlich erlöst zu werden, behauptete Olga Koch, der Teufel sei von ihr gewichen. Alle riefen "Halleluja!" Zitternd und erschöpft lag sie am Boden.

Unter dem göttlichen Schutz

Um sicher zu gehen, dass sie gegen weitere Anfechtungen des Satans standhaft bleiben würde, musste sie zwei Wochen lang abwechselnd beim Pastoren-Ehepaar und bei einer Glaubensschwester wohnen. Man nahm ihr das Handy und die Schlüssel ab. Sie schlossen auch die Haustür ab. "Ich war eingesperrt und konnte das Haus nur in Begleitung verlassen", erzählte sie.

Als Grund für die Isolation gab der Pastor an, es sei wichtig, dass sie weiterhin unter dem göttlichen Schutz bleibe. Bei einem Kontakt mit der ungläubigen Außenwelt könnte Satan bei ihr wieder ein Einfallstor finden.

Der Pastor führte mit ihr in seiner Wohnung weitere Austreibungen durch, bei denen es laut Olga Koch zu körperlichen Kontakten kam, die sie als bedrängend empfand. Sie hätte längst zur Arbeit gehen müssen, hatte sie doch eine Vollzeitstelle in einem Architekturbüro. Weil sie unentschuldigt fernblieb, verlor sie den Arbeitsplatz.

Der Pastor verlangte von Olga Koch, dass sie sich strikt an seine Abmachungen halte. Diese hielt er schriftlich fest. Dazu gehörte die "Achtung und Wertschätzung gegenüber der Leiterschaft". Diese müssten sich "in Taten und Worten" zeigen.

Und Gott verschenkt Autos

Der Pastor des TLM lehrt das in Freikirchen weit verbreitete Dogma des Wohlstandsevangeliums. Während die meisten Gläubigen früher ein bescheidenes, asketisches Leben führen mussten, soll Gott die Rechtgläubigen heute mit materiellen Gütern beschenken.

In einem Schreiben von TLM mit dem Titel "Papa Gott verschenkt Autos" beschreibt eine Gläubige das Phänomen so: Ein Referent habe bei der Herbstkonferenz von TLM das prophetisches Wort von Gott verkündet, wonach dieser "Autos verschenken würde". Bereits zwei Tage danach habe sich die Verheißung bei ihr erfüllt, erklärte sie. Ein Bekannter habe ihr aus heiterem Himmel ein Auto geschenkt.

Belastend für Olga Koch waren auch die Heilungsgottesdienste, bei denen Gläubige von Krankheiten und Süchten befreit werden sollten, die der Satan bewirkt habe. Der Pastor habe dabei jeweils in theatralischen Szenen den Teufel beschworen und auf den Boden gestampft.

Wenn er den Gläubigen die Hand aufgelegt habe, seien diese manchmal wie von Sinnen nach hinten auf den Boden gefallen. Zwei Helfer seien bereitgestanden und hätten die Leute aufgefangen, erzählte Olga Koch.

Als Vorbereitung für ein Heilungsseminar empfahl das Pastoren-Ehepaar: "Schreibe deine Erwartungen auf und bring sie schon jetzt im persönlichen Gebet Papa Gott." Und weiter: "Stell dir jetzt schon bildlich vor, wie Jesus dich liebevoll berührt … Erwarte Großes."

Die Flucht

Doch zurück zur persönlichen Situation von Olga Koch, die immer noch von der Außenwelt abgeschnitten war. Sie verlangte ihr Handy, um ihre Kinder zu benachrichtigen. In einem unbeobachteten Moment rief sie ihre Freundin an und bat sie um Hilfe. Diese holte sie sofort mit dem Auto ab und brachte sie zur Opferhilfe Castagna in Zürich.

Dank der Unterstützung durch die Fachfrauen konnte sie sich von TLM befreien. Das war vor rund vier Jahren. Die Kraft, frei darüber zu sprechen, hat sie erst jetzt gefunden.

Zwar wurde sie von Gläubigen und dem Pastor immer wieder kontaktiert und zur Umkehr gemahnt, doch Olga Koch blieb standhaft. Und sie ist immer noch heilfroh, keine Satansbeschwörungen mehr über sich ergehen lassen zu müssen.

Blinder Glaube als Gegenleistung

Wie muss man TLM Frauenfeld einschätzen? Listet man die Eckpunkte von Olga Kochs Erfahrungen auf, stechen die sektenhaften Aspekte förmlich ins Auge. Da ist Gott, der zu Papa wird. Papa, der die Gläubigen tröstet und sie in die Arme nimmt, ihnen angeblich ein Auto schenkt und alle Krankheiten von ihnen nimmt. Die komplexe Realität auf einfache religiöse Muster reduziert.

Das kindlich-naive Gottesbild suggeriert, Gott begleite und beschütze die Rechtgläubigen und löse alle Probleme für sie. Als Gegenleistung wird blinder Glaube und Unterordnung verlangt. Der Alltag ist durchzogen mit Drohungen und Ängsten. Denn wer gegen die Dogmen und Anordnungen verstößt, versündigt sich gegen Gott und muss damit rechnen, von diesem fallengelassen zu werden.

Das ist klassische Indoktrination und führt zu Abhängigkeit und Unmündigkeit. Dazu trägt auch die aufgeheizte Gruppendynamik in den Gottesdiensten und bei den Exorzismen bei.

Was in Freikirchen gern als der wahre Glaube gepredigt wird, endet oft im Aberglauben. Auch die Heilsversprechen bei den Heilungsgottesdiensten sind problematisch und fördern geschickt die Abhängigkeit. Kranke oder gebrechliche Menschen setzen viel Hoffnung auf die vermeintliche Wunderheilung und tun oft alles, um gesund zu werden. Dazu gehört auch, sich exorzieren zu lassen.

Wenn dann suggeriert wird, Gott heile nur Gläubige, die den "richtigen" Glauben verinnerlicht haben, müssen sie alles glauben und akzeptieren, was die Freikirche vermittelt. Allein schon Kritik kann als Sünde verstanden werden.

Satanslehre und Exorzismus können traumatisch sein

Die radikale Form der Satanslehre und des Exorzismus ist sehr problematisch und eine psychische Keule. Der Aberglaube, Satan wüte ungehindert in Körper und Seele, kann Ängste bis hin zu traumatischen oder psychotischen Störungen auslösen. Es ist ein gefährliches Spiel mit der psychischen Gesundheit – und im religiösen Kontext hochgradig sektenhaft.

Mit den Erfahrungen von Olga Koch konfrontiert, antwortete Pastor Olschewsky nur allgemein. Die seelsorgerische Schweigepflicht verbiete ihm, konkrete Fragen zu einzelnen Personen zu beantworten, schreibt er (uns).

Er sei erstaunt, "dass wir die Freiheit von Menschen beschnitten und über ihren eigenen Willen hinweg agiert haben sollen", antwortete der Pastor. Sie würden die Freiheit der Gläubigen achten, sie in ihrer Würde erheben und nicht an sie binden. Sie würden auch nie einer Person gegen ihren Willen den Autoschlüssel wegnehmen. Es sei denn, die Person sei im Moment stark gefährdet, an ihrem Körper und Leben Schaden zu erleiden – wie zum Beispiel eine Person, die völlig alkoholisiert versucht, Auto zu fahren.

Es sei auch nicht ihre Art, das Wirken Satans hervorzuheben. Um den Menschen helfen zu können, würden sie mit Ärzten und Psychologen zusammenarbeiten. Sie hätten auch noch nie erlebt, dass jemand wegen eines Gebetes in Ohnmacht gefallen sei. Der Heilige Geist könne aber bewirken, dass Menschen zu Boden sinken würden. Deshalb stünden Personen bereit, diese aufzufangen.

Olga Koch brauchte viel Zeit, um die Erlebnisse in der Freikirche zu verarbeiten. Nach dem Ausstieg fehlte ihr die Kraft für eine Strafanzeige. Sie hatte Angst vor einer Konfrontation mit dem Pastor.

Nicht unbegründet, wie sich in den letzten Tagen gezeigt hat: Trotz wiederholter Aufforderung, keinen Kontakt mehr mit ihr aufzunehmen, wurde sie fast täglich mit Sprach- und Wortnachrichten bombardiert. Darin versuchte das Pastoren-Ehepaar, moralischen Druck aufzubauen und Olga Koch ein schlechtes Gewissen einzureden.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.