Nachdem der letzte Exorzist des Bistums 2020 starb, hat die Suche nach einer Nachfolge nun ein Ende. Jedoch nicht, weil der passende Kandidat gefunden wurde, sondern weil Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur und Humanmediziner, diese Position für überflüssig hält. Der Ansatz, Menschen, die sich besessen glauben, medizinische, psychologische und psychotherapeutische Hilfe zukommen zu lassen, wird in der Schweiz vielfach begrüßt. Nicht überzeugt jedoch sind der Vatikan und Menschen, die Verzweifelten mit Scharlatanerie das Geld aus den Taschen zu ziehen versuchen.
Wurde Chur vor fünf Jahren im SRF, Schweizer Radio und Fernsehen, noch als Exorzismus-Mekka bezeichnet, welches sogar Menschen von außerhalb der Schweiz, die in ihren Gemeinden keinen Exorzismus erhielten, anzog, scheint dies nun ein Ende zu haben. Im Jahr 2020 starb der Schweizer Christoph Casetti, welcher in Chur für Exorzismen zuständig war, und hinterließ keinen Nachfolger. Der 2021 von Papst Franziskus zum Bischof ernannte Joseph Maria Bonnemain, im früheren Beruf Humanmediziner, erklärte nun im SRF, die Position des Exorzisten abschaffen zu wollen. Bonnemain ist überzeugt, dass medizinische, psychologische und psychotherapeutische Hilfe Menschen weit mehr helfen kann als die Gebete und das Weihwasser eines Exorzisten.
Für seine Entscheidung erntet Bonnemain viel Lob. Unter anderem von der Präventionsbeauftragten des Bistums Chur, Karin Iten, und Sabine Zgraggen, der Leiterin des Seelsorgedienstes für Krankenhäuser und Kliniken, Zürich, die selbst schon mit der Bitte um Exorzismen durch Patient*innen betroffen war.
Obwohl Bonnemains Entscheidung menschenfreundlich und entgegen der Ansicht Papst Franziskus' steht, der Exorzismen für unentbehrlich hält, sind es nicht alle Ansichten des Bischofs. Die Ehe für alle oder das Adoptionsrecht für Homosexuelle beispielsweise lehnt er ab.
Selbst wenn Chur als Vorbild für andere Bistümer dient, gehen die Kurse in der römischen Hochschule päpstlichen Rechts weiter und gelten Exorzismen als Heilmittel.
Dies bedeutet unter anderem große Gefahr für kranke Menschen, die selbst glauben, von einer dämonischen Besessenheit befreit werden zu müssen, oder denen andere mittels Exorzismus glauben helfen zu müssen. So zum Beispiel der Fall eines Bibel-Camps in Kanada in diesem Sommer. Dort wurde ein Jugendlicher mit einer Exorzismus-Show gequält, statt medizinische Hilfe zu bekommen. Jedoch ist es nicht nötig, bis nach Kanada zu schauen. Wer im Netz nach einem Exorzismus in Chur sucht, wird sofort mit Werbeanzeigen konfrontiert. Diese versprechen Hilfe bei Besetzungen durch zum Beispiel Geister, die sich unter anderem durch Allergien, Müdigkeit, Kältegefühl,Konzentrationsschwäche, Beziehungsprobleme, Sucht, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und so weiter zeigen können. Wer sich jetzt verwundert denkt, dass das doch Probleme sind, die alle Menschen immer mal betreffen, hat schon den ersten Schritt im Scharlatanerie-Business durchschaut. Menschen übernatürliche Ursachen für allzu Menschliches einreden und auch gleich die Lösung bieten, für die gern per Vorauskasse gezahlt werden darf.