Rezension

Die Entdemokratisierung der Demokratie

Der Politikwissenschaftler und Autor Philip Mano analysiert in einem Buch mit dem Titel "(Ent-)Demokratisierung der Demokratie" die Gleichzeitigkeit von Demokratisierung und Entdemokratisierung dieses Ordnungsmodells. Dabei handelt es sich eher um einen Problemaufriss, der auch bezogen auf die Demokratie einige Schwächen und Widersprüche benennt, woraus in Kombination miteinander sein aufklärerischer Wert besteht.

"Die Populisten sind nicht das Problem der repräsentativen Demokratie. Sie zeigen nur an, dass sie eines hat" (S. 22). Das schreibt der Politikwissenschaftler Philip Manow, der als Professor an der Universität Bremen lehrt. In seinem neuen Buch "(Ent-)Demokratisierung der Demokratie" widmet er sich der Krise der Demokratie im Lichte des Populismus. Dies motivierte ihn auch zu der erwähnten Feststellung. Damit schließt sich der Autor der Deutung an, wonach für die Demokratie ein erfolgreicher Populismus auch als Warnsignal verstehbar ist. Ihm geht es indessen in dem genannten Band, der direkt an sein vorheriges Buch "Die Politische Ökonomie des Populismus" von 2018 anschließt, um die Gleichzeitigkeit einer Demokratisierung und Entdemokratisierung der Demokratie, was je nach dem damit konkret Gemeinten kein inhaltlicher Widerspruch sein muss. Indessen muss schon hier kritisch darauf hingewiesen werden, dass zunächst pauschal von "Demokratie" gesprochen und keine klare Begriffsbestimmung vorgenommen wird, was manche Irritationen beim Lesen erklärt.

Cover

Den Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet die Einsicht, dass Demokratie häufig im Namen der Demokratie insbesondere von Populisten delegitimiert, gleichzeitig aber auch die Repräsentationspraxis vom Souverän des Volkes ebenso stark problematisiert wird. Die Gleichzeitigkeit beider Phänomene lässt sich aber nur verstehen, wenn man zwei unterschiedliche Demokratieverständnisse damit in Verbindung bringt. Dies macht der Autor auch, indessen erst am Ende des Textes (vgl. S. 171 f.). So wird dann verständlicher, was er mit "Die Entdemokratisierung der Demokratie ist … nur eine andere Betrachtungsweise der Demokratisierung der Demokratie" (S. 23) meint. Die bereits zu Beginn formulierte zentrale These lautet dabei, "dass sich im Populismus zwei Prozesse bündeln. Der Populismus unserer Gegenwart konfrontiert uns mit der widersprüchlichen Gleichzeitigkeit, aber auch mit dem latenten Zusammenhang von zwei Entwicklungen, die sich Demokratisierung und Entdemokratisierung der Demokratie nennen möchte" (S. 13).

Bezogen auf die Demokratisierung der Demokratie geht es für Manow eigentlich um eine Krise der Repräsentation, sei die Demokratie doch historisch betrachtet immer von einer eher geringen Mitbestimmung des realen Volkes geprägt gewesen. Dies macht der Autor an einigen heute vergessenen Details und Entwicklungen deutlich. Wenn nun aber mehr Beteiligung eingefordert werde, so wirke dies dann plötzlich undemokratisch. Indessen gehe es hier um ein Problem für die Repräsentation, welche wiederum etwas mit der früheren Angst vor der breiten Masse zu tun habe. Kontrollverluste in der politischen Kommunikation und in politischen Parteien spielten dabei eine wichtige Rolle. Da nun aber ein demokratisches System auch von struktureller Unsicherheit geprägt sei, stiegen dadurch dort Entdemokratisierungstendenzen an: Dies meint einen drohenden Regelbruch, der einsetze, "wenn im Schatten eines solchen für möglich gehaltenen Regelbruchs nur noch über die, aber nicht mehr innerhalb der Demokratie gestritten wird" (S. 171).

Der Autor hat Elemente einer Paradoxie gut herausgearbeitet, welche in einer Demokratisierung wie Entdemokratisierung gleichzeitig bestehen. Dabei handelt es sich nicht um eine eindimensionale, sondern eine komplexe Entwicklung. Nur bei der Berücksichtigung beider Prozesse sowohl gesondert wie in ihrem Wechselverhältnis wird dies verständlich. Indessen hätten die genauen Bezugsebenen für Demokratie schon viel früher präsentiert und unterschieden werden müssen. Ansonsten hat man jeweils sein eigenes Demokratieverständnis im Kopf, wodurch es zu einer Fehlwahrnehmung des genau Gemeinten kommen kann. Viele Begriffe werden auch analytisch und weniger wertend genutzt, worauf der Verfasser indessen schon früh hinwies. Insofern sind manche Aussagen auch nicht als Populismusverteidigung missverständlich zu deuten. Bilanzierend liefert Manow eher einen Problemaufriss. Er hebt auch bezogen auf die praktische Demokratie ihre diversen Schwächen hervor. In beidem zusammen besteht sein Verdienst.

Philip Manow, (Ent-)Demokratisierung der Demokratie, Berlin 2020 (Suhrkamp-Verlag), 215 S., ISBN: 978-3-518-12753-7, 16,00 Euro

Unterstützen Sie uns bei Steady!