Münster

Farce um städtische Sachleistungen für Katholikentag 2018

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Ratssaal von Münster mit der Forderung der Aktionsgruppe "Das 11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!"
Moses in Münster

Im westfälischen Münster steht die Entscheidung über die Höhe der städtischen Sachleistungen für den Katholikentag 2018 an. 2015 hatte der Rat der Stadt deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt, weil er dem Katholikentagsveranstalter einen Barzuschuss in Millionenhöhe verweigert hatte. Lediglich Sachleistungen wollte man ihm zur Verfügung stellen. Ein Novum in Deutschland.

In Münster wird im Mai 2018 der 101. Katholikentag stattfinden. Der Katholikentagsveranstalter erhoffte sich für das katholische Glaubensfest einen Finanzzuschuss in mehrfacher Millionenhöhe vom Bund, vom Land NRW und von der Stadt Münster. Eine nicht unberechtigte Hoffnung, da Bund, Land und Städte in den vergangenen Jahrzehnten stets ohne Murren und weiteres Nachfragen ein Drittel bis die Hälfte der Kosten von Kirchentagen übernahmen. Im Rat der Stadt Münster jedoch regte sich vor drei Jahren erstmals Widerstand gegen diese Finanzierungspraxis. Mit der Ratsmehrheit von SPD und Grünen verweigerte die Stadt Münster dem Katholikentagsveranstalter ZdK im März 2015 den Barzuschuss von 1,2 Millionen Euro. Stattdessen wollte man dem Veranstalter Sachleistungen zur Verfügung stellen wie beispielsweise die unentgeltliche Nutzung des städtischen Nahverkehrs sowie von Turnhallen als Schlafquartier. Der Wert für die notwendigen Sachleistungen wurde nach der Ablehnung des Barzuschusses beim Katholikentagsveranstalter erfragt und auf 982.000 Euro beziffert. Schon 2015 stellten einige erstaunt fest, dass dieser Wert um ein Drittel unter dem noch im Jahr 2014 ursprünglich beantragten, angeblich zur Durchführung des Katholikentags notwendigen Finanzzuschuss von 1,5 Millionen Euro lag. Doch auch Sachleistungen im Wert von 982.000 Euro erschienen damals der Ratsmehrheit zu viel. Insbesondere die Grünen forderten vehement eine Verringerung der Summe.

Gut zwei Jahre lag die Frage hinsichtlich der Höhe der städtischen Sachleistungen für den Katholikentag nun auf Eis. Inzwischen hat sich im Rat der Stadt Münster einiges getan. Grüne und SPD haben sich überworfen und die Grünen haben eine politische Zusammenarbeit mit der CDU vereinbart. Das kniffelige Thema "Sachleistungen für den Katholikentag" wurde bis zum Schluss aus den Verhandlungen ausgespart, um die politischen Flitterwochen nicht zu gefährden. Doch der Katholikentagsveranstalter machte Druck, denn schließlich findet das Event bereits in 10 Monaten statt. Für die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause in der kommenden Woche wurde das leidige Thema deshalb nun auf die Tagesordnung gesetzt. CDU und Grüne leisteten sich hierzu in den vergangenen Wochen einen erneuten kurzen medialen Schlagabtausch. Konkret ging es um die Frage, ob eine durch den Katholikentagsveranstalter von der Sparkassen-Stiftung eingeworbene Spende in Höhe von 100.000 Euro auf den Betrag, der durch städtische Sachleistungen erbracht werden soll, anzurechnen ist oder nicht. Die Führungsspitzen von CDU und Grünen verhandelten – "ein kleines Clübchen", wie aus informierten Kreisen zu hören ist – und die Verwaltung verwandelte ihren politischen Willen nun in eine Beschlussvorlage, über die der Rat der Stadt Münster am 12. Juli abstimmen wird.

Die derzeit der Öffentlichkeit noch nicht zugängliche Beschlussvorlage V/0582/2017 vom 03.07.2017 ist – je nach Betrachtungsweise – eine Farce oder eine politische Glanzleistung. Der darin benannte Beschlussvorschlag lautet wie folgt:

"1. Der Rat nimmt zur Kenntnis, dass eine Finanzierung von Sachleistungen und vergleichbaren Leistungen in einer Höhe von bis zu 982.000 € erforderlich ist.

a. Die Stadt Münster unterstützt den Veranstalter des 101. Deutschen Katholikentages mit einer Finanzierung von Sachleistungen in Höhe von 682.00 Euro.

b. Die Stadt Münster unterstützt den Veranstalter darüber hinaus die Deckungslücke von 300.000 Euro zu schließen, vorrangig durch die Akquise weiterer Finanzierungsmittel wie Sponsorenmittel, Spenden etc.

2. Die Hinweise zur Kostenbeteiligung werden, wie in der Begründung dargestellt, zur Kenntnis genommen."

Auf den ersten Blick wirkt es so, als hätten sich die Grünen durchgesetzt und den Sachleistungsbetrag deutlich nach unten gehandelt. Die Grünen hätten damit ihre Wählerschaft und die eigene Fraktion milde gestimmt, in der Gerüchten zufolge einige die Meinung vertreten, der Katholikentag solle nicht mehr Geld erhalten als das Stadtfest, das wesentlich mehr Besucher in die Stadt lockt. Für dieses hatte der Rat eine Fördersumme von lediglich 70.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Der zweite Blick jedoch verrät, dass es die CDU ist, die sich auf ganzer Linie durchgesetzt hat. Diese hätte gern bereits vor drei Jahren dem Katholikentagsveranstalter die beantragte Finanzspritze in Höhe von 1,5 Millionen gegeben und war nach dem Sachleistungsbeschluss stets bemüht, für den Katholikentag so viel Geld wie möglich aus dem Stadtsäckel locker zu machen.

De facto wird der Rat nämlich nicht über Sachleistungen in Höhe von 682.000 Euro abstimmen, sondern nach wie vor über Sachleistungen in Höhe von 982.000 Euro. Die Formulierungen der Beschlussvorlage versuchen geschickt, genau das zu verschleiern, indem davon die Rede ist, dass die Stadt dem Katholikentagsveranstalter beim Einwerben von Spenden und Sponsorenmitteln in Höhe von 300.000 Euro behilflich sein wird. – Wobei man fragen muss, wie es sein kann, dass städtische Bedienstete, die mit öffentlichen Geldern bezahlt werden, keine Arbeit für die Stadt, sondern Handlagerdienste für eine kirchlich finanzierte Organisation wie das ZdK machen. Auch rechtlich ein höchst problematisches Konstrukt.

Doch die spannende Frage ist: Was geschieht, wenn keine weiteren 300.000 Euro eingeworben werden können? Was auf der Frontseite der Beschlussvorlage nur zu erahnen ist, wird in der Begründung der Vorlage recht deutlich formuliert: Sollte es mit der Einwerbung nicht klappen, springt die Stadt für die fehlenden 300.000 Euro ein.

"Die Stadt Münster bekennt sich daher mit dieser Vorlage dazu, den Katholikentag bei der Finanzierung von maximal 982.000 Euro zu unterstützen. Hierfür sind nach aktuellem Stand der Planungen mindestens 682.000 Euro explizit in den Haushaltsplan 2018 aufzunehmen (…). Für die darüber hinausgehenden kommunalen Finanzierungsbedarfe in Höhe von 300.000 Euro soll vorrangig nach anderen Finanzierungswegen gesucht werden. Hierbei ist an Sponsorenmittel und institutionelle Spender zu denken. Um die Finanzierung des 101. Katholikentags sicherzustellen, unterstützt die Stadt den Veranstalter bei der Deckung dieses erforderlichen Finanzierungsbeitrags."

Für eine Beschlussvorlage, die den Eindruck erweckt, als müsste die Stadt nur 682.000 Euro locker machen, während das Kleingedruckte verrät, dass es in Wahrheit 982.000 Euro sind, ließen sich wohl einige unfeine Begriffe finden. Umso mehr, als die Begründung der Vorlage noch weitere pikante Details enthält. Der bindende Beschluss des Rates von 2015, dem Katholikentagsveranstalter keinen Barzuschuss zu geben, sondern lediglich Sachleistungen zur Verfügung zu stellen, wird aufgeweicht.

"Hierfür sind nach aktuellem Stand der Planungen mindestens 682.000 Euro explizit in den Haushaltsplan aufzunehmen (…) Die Auszahlung an den Veranstalter erfolgt in Tranchen gemäß den vorgelegten Nachweisen."

Wie kommt es auf einmal zu diesen Zahlungen und gegen welche Nachweise sollen sie erbracht werden? Vor diesem Satz ist in der Beschlussvorlage von notwendigen Komplementärzahlungen zwischen Stadt und städtischen Gesellschaften die Rede. Was verständlich ist, da städtische Gesellschaften zur wirtschaftlichen Geschäftsführung verpflichtet sind. Komplementärzahlungen der Stadt an eine städtische Gesellschaft sind deshalb beispielsweise für die Reinigung der zum Schlafen genutzten Turnhallen oder die städtischen Verkehrsbetriebe für den Transport der Katholikentagsbesucher notwendig. Doch wieso bekommt auf einmal der Katholikentagsveranstalter Geld ausgezahlt, wenn doch die Komplementärzahlungen direkt zwischen Stadt und städtischen Gesellschaften erfolgen?

Von den erstaunlichen finanziellen Aspekten abgesehen bietet die Beschlussvorlage auch noch weitere spannende Details:

Zum einen wird hier keine konkrete Besucherzahl mehr genannt, es ist lediglich die Rede davon, dass "mehrere zehntausend Gäste" erwartet werden. Kritiker der Katholikentagsfinanzierung hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass Besucherzahlen im Vorfeld der Kirchentage zu hoch angesetzt werden und dass der Umsatz am Veranstaltungsort unter anderem deshalb wesentlich geringer ausfällt, als vom Kirchentagsveranstalter prognostiziert. Vom wirtschaftlichen Nutzen, den der Katholikentag der Stadt bringen soll, ist in der Beschlussvorlage schließlich gar nicht mehr die Rede. Auch diesbezüglich hatten Kritiker immer wieder auf unzutreffende Annahmen hingewiesen.

Stattdessen ist schwarz auf weiß nachzulesen, dass es sich bei dem Event um ein christliches Glaubensfest handelt:

"Katholikentage sind somit ein Ort, an dem sich Katholiken den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Zeit stellen und nach Wegen suchen, die Welt aus ihrem Glauben heraus zu gestalten."

Ein Argument, warum der Katholikentag trotzdem massiv mit städtischen Mitteln gefördert werden soll, fehlt deshalb in der Beschlussvorlage. Möge die Ratsherren und -frauen in der Ratssitzung am kommenden Mittwoch hieraus ihre Schlüsse ziehen.