Aufklärungsversuche in der Ewigen Stadt

gbs-Aktivist gedenkt Opfern des Christentums

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David Farago im Petersdom

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Blumen im Petersdom

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Gedenken am Petersplatz

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Sicherheitsbeamte schreiten ein

David Farago, Aktionskünstler und Aktivist der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), hat in Rom auf die Opfer der christlichen Kirche aufmerksam gemacht. Neben dem Denkmal des Namensgebers der Stiftung besuchte er den Petersdom und legte an beiden Orten Blumen nieder.

Finster blickt er unter seiner Kapuze hervor in Richtung Vatikan. Die Hände sind verschränkt, in einer hält er ein Buch, einen Finger hat er als Lesezeichen zwischen die Seiten gesteckt. Über dem lebenslustigen Campo dei Fiori ("Blumenfeld"), einem der wenigen Plätze Roms ohne Kirche, über Marktständen, Cafés und Straßenmusikanten thront das Denkmal Giordano Brunos. Im Jahre 1600 wurde der ehemalige Mönch, Astronom und Philosoph hier als "Ketzer" verbrannt, nachdem er unter die Räder der "Heiligen Inquisition" geraten war. Seit 1889 erinnert die Bronzestatue an den unbequemen Denker und Kritiker, der seiner Zeit weit voraus war. Gegen den Widerstand christlicher Machthaber, die es unter anderem als "schwarzes Schiff des Satans" bezeichneten, wurde das Mahnmal errichtet. Erst Johannes Paul II. räumte im Jahre 2000 ein, die Hinrichtung Brunos sei aus kirchlicher Sicht unrechtmäßig gewesen. Vollständig rehabilitiert ist er bis heute nicht.

Hinter einem am Sockel angebrachten Bronzekranz stecken verwelkte Rosen. Auch nach über 400 Jahren ist der Namensgeber der gbs nicht vergessen. Er ist ein Anlaufpunkt für Freigeister in Rom. David Farago, Mitarbeiter der gbs, hat ebenfalls einen Strauß rote Rosen dabei, und ein Schild mit der Aufschrift: "Im Gedenken an Giordano Bruno, ein Opfer der christlichen Kirche, die seit jeher gegen Fortschritt und Wissenschaft kämpft" auf Deutsch, Italienisch und Englisch. Er steckt das Schild unter den Kranz und legt die Rosen davor. Dann verharrt er einen Moment. "Hier wollte ich schon immer mal her", sagt er sichtlich bewegt.

Beispielbild
Am Giordano-Bruno-Denkmal, Foto: © Gisa Bodenstein

Es dauert nicht lange, bis sich die nächsten Besucher mit Blumen nähern. Sie kommen aus Frankreich und bezeichnen sich selbst als Giordano-Bruno-Fans. Einer übersetzt für die anderen das Schild, er lobt die Aktion. Als nächstes kommt ein Ehepaar aus Boston vorbei, um das Denkmal des Aufklärers zu fotografieren. Sie nicken anerkennend, als sie das Schild sehen. Die Frau sagt, ein Freund von ihr sei gar ein Nachfahre des Wissenschaftlers. Ein Katholik aus Australien findet es "ungerecht, was Giordano Bruno passiert ist" und macht ein Foto samt Aktivist.

Nachdem er des Einzelfalls Giordano Bruno gedacht hat, will David Farago nun auch im Herzen der Macht des Christentums ein Zeichen setzen. Mit drei Schildern im Gepäck, auf denen jeweils dreisprachig "Im Gedenken an die Abermillionen Opfer der christlichen Kirche" zu lesen ist, sowie Rosen in rot und weiß, macht er sich auf Richtung Vatikan.

Das erste "Paket" platziert er auf dem Sockel des Obelisken auf dem Petersplatz. Danach geht es hinein in den letzten Gottesstaat Europas. Der Petersdom wirkt wie eine eigene Dimension, fern ab von der Realität. Eine protzige Traumwelt, die einen klaren Machtanspruch widerspiegelt. Erbaut mit dem unermesslichen Reichtum einer Kirche, die sich trotzdem nicht scheut, in jedem Winkel ihres Tempels Opferstöcke aufzustellen, durch die sie die Besucher um einen "Peterspfennig" bittet. Um Jesus und Gott geht es hier nicht, hier beweihräuchert sich das Papsttum selbst.

Auf die zentrale "Spardose" vor dem Hochaltar, der von Berninis bronzenem Baldachin überragt wird, legt David Farago weiße Rosen und das zweite Schild. Außenherum strömen die Touristenmassen, einige lesen es oder machen Fotos. Sie nehmen es zur Kenntnis, scheinen sich aber weder bestätigt noch gestört zu fühlen. Nach einigen Minuten kommt ein Sicherheitsbeamter, um zu überprüfen, was es mit dieser Abweichung von der Normalität auf sich hat. Er überfliegt die Zeilen, dann nimmt er das Schild sofort an sich. Er zeigt es seinen Kollegen, es wird hektisch telefoniert. Ein Mann im Anzug erscheint. Der Aufpasser kehrt zurück, holt nun auch die Blumen und übergibt beides dem Anzugträger. Danach verschwinden sie alle hinter einer Tür.

Ein letztes Mal will David Farago der Opfer der Kirche gedenken, diesmal wählt er den Zaun vor dem Dom mit Blick auf den Petersplatz. Kaum sind Schild und Rosen an Ort und Stelle, steuert derselbe Sicherheitsbeamte auf ihn zu und fragt ihn, ob die Corpora Delicti ihm gehören. Er verneint. Stattdessen sagt er, beides sei schon dort gewesen, er habe es nur fotografiert. Der Mann fragt ein weiteres Mal, erkundigt sich bei Umstehenden, ob sie etwas gesehen haben. Als ihn das nicht weiterbringt, darf Farago von Dannen ziehen, während die Securities die unerhörten Objekte ein weiteres Mal zügig verschwinden lassen. Hätte der gbs-Aktivist die Wahrheit gesagt, hätten die Bilder der Aktion die vatikanischen Mauern womöglich nicht mehr verlassen. 

Für David Farago bleibt die Erkenntnis, dass die Kirche auch im 21. Jahrhundert noch das gleiche Problem hat: Aufklärung ist unerwünscht. Denn im Vatikan ist die Welt der Kirche noch in Ordnung, hier hat sie noch die Entscheidungsgewalt über den Umgang mit ihrer Geschichte, hier werden normalerweise keine kritischen Gedanken geäußert. Mit seiner Gedenkaktion möchte Farago dieser fehlenden Vergangenheitsbewältigung eine Auseinandersetzung mit der Kriminalgeschichte des Christentums entgegenhalten. Dass dies für manche eine Provokation darstellt, ist für ihn kein Hindernis. "Im Gegenteil – ich würde mich freuen, wenn andere meinem Beispiel folgen und ähnliche Aktionen machen würden", so der Aktionskünstler.