"Der Buddler" Mirko Gutjahr bei Skeptics in the Pub Köln

Globuli, Kornkreis und dreimal schwarzer Kater

mirko_gutjahr_foto_knut_junker.jpg

Mirko Gutjahr
Mirko Gutjahr

"Skeptics in the Pub", das bedeutet: Wissenschaft bei Gerstensaft. Wer hätte da nicht Lust auf ein kühles Bier? Serviert in einem Glas, das vor Ihren Augen mit einer Klobürste gereinigt wurde. Nicht? Obwohl Sie zusehen konnten, wie man die Bürste dafür direkt aus der Originalverpackung genommen hat? Wem trotzdem der Appetit auf den Gerstensaft vergangen ist, der reagiert nicht rational. Dennoch lässt sich solch eine Abneigung nicht einfach ausschalten. Forscher sprechen vom contagion bias, der Voreingenommenheit gegenüber der Berührung von bestimmten Gegenständen. Das ist eine Form von magischem Denken, eine Wurzel abergläubischer Vorstellungen.

Bereits dieses einfache Experiment zeigt, dass die Zeiten des magischen Denkens gar nicht so weit weg sind, wie wir manchmal gern glauben möchten. Der Archäologe und Historiker Mirko Gutjahr, auf Twitter bekannt als @DerBuddler, findet bei seiner Arbeit immer wieder Hinweise auf abergläubische Vorstellungen, die Parallelen in der Gegenwart haben. Bei seinem Vortrag beim Kölner "Skeptics in the Pub" schenkte er nicht nur Kölsch ins klobürstengereinigte Glas ein, sondern präsentierte auch einige Beispiele für altes und neues magisches Denken.

Aber was ist das überhaupt, magisches Denken? Zur Annäherung an diese Frage hat der Referent eine Liste von Merkmalen zusammengestellt. Auch wenn sich die einzelnen Punkte nicht immer sauber voneinander trennen lassen, ist eine solche Übersicht dennoch hilfreich, um die Phänomene zu identifizieren und Parallelen zwischen historischen und modernen Erscheinungsformen zu entdecken.

Der contagion bias in einer bestimmten – diesmal positiv gedeuteten – Form lebt beispielsweise in den Berührungsreliquien in der katholischen Kirche weiter. Das sind Gegenstände, die ein Heiliger berührt haben soll oder die selbst mit einer "echten" Reliquie in Berührung gekommen sind. Selbst Vorstellungen, die sich gern wissenschaftlich geben, beruhen auf ähnlichen Ideen. So wies Gutjahr darauf hin, dass das gesamte Konzept der Homöopathie auf magischem Denken und Handeln beruht.

Ein verwandtes Element ist die "magische Fernwirkung", bekannt durch Voodoo-Puppen. Aus historischer Zeit kennen Archäologen wie Gutjahr "Liebeszauberpuppen", kleine Figuren aus Blei, mit denen man im 14. Jahrhundert, die Liebe an eine Person binden wollte. Und dann gibt es noch den Glauben an die "Kraft des Objektes". Er liegt wohl Fundstücken wie einer 35.000 Jahre alte Mammutfigur zugrunde, die wohl Jagdglück bringen sollte. Das erinnert an die Amulette, die auf jeder Esoterikmesse angeboten werden. Hier zeigt sich ein weiteres Element, der Glaube an die "Macht des Zeichens".

Wie sehr magisches Denken Trost spenden kann, zeigte der Referent am Beispiel des schweizerischen Wallfahrtsortes Oberbüren, wo ungetauft verstorbene Babys kurzzeitig "zum Leben erweckt wurden", um das Sakrament zu empfangen. Das rettete sie nach christlichem Glauben vor der ewigen Verdammnis. "Die Körper der Kinder wurden zunächst in einem Nebenraum erwärmt und anschließend in die Kirche gebracht, wo es kälter war. Hielt man dem Kind dann eine Feder über die Lippen, bewegte sie sich durch die ausströmende warme Luft – es schien wieder für eine Weile zu atmen."

Doch wo man gute übernatürliche Mächte wähnt, ist der Glaube an das Böse meist nicht weit. So erinnert Gutjahr daran, dass für Hagel und anderes Unglück Hexen verantwortlich gemacht wurden. Geradezu harmlos nehmen sich dagegen die modernen "Akasha-Säulen" aus, die vor "Chemtrails" schützen sollen – für einen vierstelligen Betrag im Internet erhältlich.

Und die Folgen des magischen Denkens? Auf der positiven Seite mag man hier an den Placebo-Effekt denken. Darüber hinaus können magische Vorstellungen in Krisensituationen emotional unterstützend wirken, etwa wenn gläubige Eltern ihr verstorbenes Baby im Himmel wähnen und durch diese Vorstellung getröstet werden, räumte Gutjahr ein. Andererseits wies er darauf hin, wie gravierend die negativen Folgen sind: Wer sich bei Krankheiten und Beschwerden auf Magie statt Medizin verlässt, setzt seine Gesundheit und manchmal sogar sein Leben aufs Spiel. Zu Recht weist der Historiker auch auf die verheerenden kulturellen und gesellschaftlichen Folgen herrschender magischer Denkstrukturen hin.

"Sie behindern den wissenschaftlichen Fortschritt und bereiten die Basis für Hexenverfolgungen und Pogrome. Nicht zuletzt dient magisches Denken zur Legitimierung von Machtstrukturen, etwa in der Kirche."


Zum Weiterlesen:

Arnold Muhl, Mirko Gutjahr (2013): Magische Beschwörungen in Blei. Inschriftentäfelchen des Mittelalters aus Sachsen-Anhalt. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.