Franziskus und sein Anti-Missbrauchs-Dekret

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

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Bei einer Papstmesse auf dem Petersplatz in Rom.
Auf dem Petersplatz in Rom

Papst Franziskus zieht Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal: Ein neues Gesetz verlangt, dass alle Fälle sexuellen Übergriffen von Kirchenleuten gegenüber Minderjährigen oder Schutzbedürftigen zur Anzeige kommen – allerdings nur intern, die Staatsanwaltschaft soll weiterhin außen vor bleiben. Kritikern geht das nicht weit genug.

Fast sah es so aus, als machte der Vatikan endlich reinen Tisch. Wie Papst Franziskus bekannt gab, müssen Kleriker und Ordensleute ab Juni jeden Missbrauchsfall anzeigen. Das Gleiche gilt für Versuche, entsprechende Taten zu vertuschen. Dies geht aus dem apostolischen Schreiben "Vos estis lux mundi"(lat.: "Ihr seid das Licht der Welt") hervor, das am Donnerstag veröffentlicht wurde. Darin verpflichtet Franziskus außerdem alle katholischen Diözesen weltweit, bis Juni nächsten Jahres "ein oder mehrere dauerhafte und der Öffentlichkeit leicht zugängliche" Anlaufstellen für Anzeigen einzurichten. Bei dieser internen Regelung will der Vatikan die Sache offenbar belassen. An keiner Stelle erwähnt das Dekret eine Meldung der Straftaten an staatliche Stellen.

Während kirchliche Kreise die päpstlichen Anordnungen als positives Signal feiern, kommt Kritik von Bundesjustizministerin Katharina Barley. Der SPD-Politikerin geht das Dekret nicht weit genug, sie fordert eine Aufarbeitung aller noch nicht verjährten Fälle durch staatliche Gerichte. "Die schrecklichen Missbrauchstaten sind keine interne Angelegenheit der katholischen Kirche", so Barley.

Erheblichen Verbesserungsbedarf sieht auch der Verband "Eckiger Tisch", der sich als Interessenvertretung von Betroffenen sexualisierter Gewalt an Schulen des Jesuitenordens versteht. Dazu Sprecher Matthias Katsch: "Ein gut gemeintes ist noch nicht ein gut gemachtes Gesetz. Die Kirche darf nicht weiter versuchen, alles alleine ermitteln zu wollen, sondern sobald ein Verdacht glaubhaft besteht, müssen die Staatsanwaltschaften eingeschaltet werden."

Auf Twitter fordert Katsch eine "Pflicht zur Anzeige durch Vorgesetzte, wenn sie vom Missbrauchsverdacht gegen einen Mitarbeiter (=Priester) erfahren." Und weiter: "Eine solche strafbewehrte Pflicht ist überfällig. Ausnahmen natürlich für Beratungsstellen, Anwälte des Opfers."

Dagegen entdeckt Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung, in dem Schreiben "begrüßenswerte Standards" für die Weltkirche.

Das Papier geht auf den Anti-Missbrauchs-Gipfel zurück, der im Februar im Vatikan stattgefunden hatte und aufgrund seiner mauen Ergebnisse heftig kritisiert wurde.

Immerhin stellte Franziskus wenige Wochen später ein eigenes Anti-Missbrauchs-Gesetz für den Vatikanstaat auf. Als erster Papst verfügte er, das bei allen Fällen von sexuellem Missbrauch die Staatsanwaltschaft des 800-Einwohner-Staates eingeschaltet werden soll. Optimistische Beobachter hatten sich davon eine "Signalwirkung für die Kirche in anderen Ländern" erhofft.