Die Stabsstelle für Bürgerräte im Deutschen Bundestag wurde aufgelöst. Grund dafür ist, dass die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD sich nicht auf einen Bürgerrat einigen konnte. Die Präsidentin des Bundestags, Julia Klöckner, meint zudem, es müsse der Eindruck vermieden werden, die Bedeutung des Parlaments würde geschmälert.
Im Koalitionsvertrag fand sich noch folgendes Bekenntnis: "Ergänzend zur repräsentativen Demokratie setzen wir dialogische Beteiligungsformate wie zivilgesellschaftliche Bürgerräte des Deutschen Bundestages fort." Die Stabsstelle könnte wiedereingesetzt werden, wenn der Bundestag einen weiteren Bürgerrat initiiert und die Bundesregierung ihren Koalitionsvertrag einhält. Die Verweigerungshaltung der CDU und CSU gegenüber Bürgerräten macht dies jedoch in dieser Legislaturperiode unwahrscheinlich.
Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union kritisiert diese Abwendung vom Koalitionsvertrag. Die Auflösung der Stabsstelle und vor allem die Nichteinberufung weiterer Bürgerräte ist nicht nur das falsche Signal für die wachsende Anhängerschaft solcher Beteiligungsformate in der Zivilgesellschaft. Es zeigt auch das Desinteresse daran, Bürgerinnen und Bürger an politischen Prozessen in einer Form zu beteiligen, die über die Wahl von Abgeordneten hinausgeht. Bürgerräte führen nicht zu einem Macht- und Bedeutungsverlust von Parlamenten. Denn Bürgerräte sind lediglich Versammlungen von 30 bis 200 ausgelosten Bürgerinnen und Bürgern, die bei mehreren Terminen gemeinsam ein vorgegebenes Thema diskutieren und einem Parlament ihre Handlungsempfehlungen übergeben. Eine solche Empfehlung hat keinen bindenden Charakter und nimmt dem adressierten Parlament keine Entscheidungsbefugnis weg. Bestenfalls sind Bürgerräte eine Ergänzung repräsentativer Systeme, nicht ihre Konkurrenz.
Dass vom Bundestag einberufene Bürgerräte – bislang gab es nur 2023/24 den vom Bundestag initiierten Bürgerrat "Ernährung im Wandel" – die Macht des Bundestags als Gesetzgeber schwächen, ist also unzutreffend; dies wäre auch verfassungswidrig. Allein die Erarbeitung von Vorschlägen durch Bürgerinnen und Bürger gilt aber schon als Bedeutungsschmälerung. Wie fragil und dysfunktional muss ein Parlament sein, damit man daraus eine Bedrohungslage konstruiert?
In der Tat kann man kritisieren, dass solche dialogischen Beteiligungsformate politische Partizipation derzeit lediglich simulieren, wenn von Bürgerinnen und Bürgern erarbeitete Empfehlungen ignoriert werden. Dass eine so schwache Form der Beteiligung schon abgelehnt wird, offenbart ein elitäres Demokratieverständnis. Dagegen fordert die Humanistische Union eine Befassungspflicht mit den Empfehlungen von Bürgerräten durch die adressierten Parlamente. Zudem können Bürgerräte sinnvoll sein, um Volksentscheide vorzubereiten und damit den Bürgerinnen und Bürgern ihr Recht, zu wählen und abzustimmen (Art. 20, Abs. 2 GG), auch auf Bundesebene zu ermöglichen.






