Rezension

Der IS und Al-Qaida – Rivalitäten im globalen Dschihad

BONN. (hpd) Hassan Abu Hanieh und Mohammad Abu Rumman, zwei Islamismus- und Terrorismus-Experten aus Jordanien, erörtern in ihrem Buch "IS und Al-Qaida. Die Krise der Sunniten und die Rivalität im globalen Dschihad" die Entstehung des "Islamischen Staates" aus dem Konflikt mit der "Mutterorganisation" der "Al-Qaida". Auch wenn viele Details der Auseinandersetzung noch gar nicht bekannt sind, gelingt den Autoren eine überzeugende Darstellung der Entwicklung der Rivalität, immer verbunden mit einer dann aber gelegentlich etwas einseitig wirkenden Fixierung auf die "sunnitische Krise".

"Al-Qaida" und der "Islamische Staat" stehen für den islamistischen Terrorismus: Beide Gruppen ermorden Menschen, um eine Diktatur im angeblichen Namen ihrer Religion zu etablieren. Dabei bildete "Al-Qaida" in der Entwicklungsgeschichte die Grundlage für den "Islamischen Staat", war demnach sogar so etwas wie eine "Mutterorganisation" für diesen Terrorismus. Gleichwohl stehen sich beide Gruppen in Rivalität gegenüber. Warum ist das so, und was bedeutet dies?

Derartigen Fragen wird in der hektischen Medienberichterstattung kaum nachgegangen. Dabei wären Antworten von herausragender Bedeutung für die Gefahrenpotentialanalyse wie für Gegenstrategien. Darauf machen Hassan Abu Hanieh und Mohammad Abu Rumman, zwei Fachleute aus Jordanien, in ihrem Buch "IS und Al-Qaida. Die Krise der Sunniten und die Rivalität im globalen Dschihad" aufmerksam. Die Friedrich Ebert-Stiftung hatte den Auftrag an die Autoren für das arabische Original erteilt und auch für den J. H. W. Dietz-Verlag die deutsche Übersetzung gefördert.

Bereits zu Beginn machen Abu Hanieh und Abu Rumman darauf aufmerksam, dass der "Islamische Staat" (IS) angesichts der Fixierung auf dessen Gewaltanwendung in den Medien "von einem Schein des Unerklärlichen umgeben" (S. 16) sei. Es werde darüber hinaus der kulturelle, politische, religiöse, soziale und wirtschaftliche Kontext ausgeblendet. Auch im arabischen Bereich fänden die Binnenfaktoren für dessen politischen Erfolg kaum nähere Aufmerksamkeit. Dem gegenüber wollen die Autoren die Entwicklung beider Gruppen im Lichte von deren Rivalität nachzeichnen. Dabei gehen sie sowohl historisch-chronologisch wie analytisch-reflektierend vor.

Am Beginn stehen Ausführungen zu Entstehung, Entwicklung und Wandel des IS. Dabei arbeiten Abu Hanieh und Abu Rumman als entscheidende Konfliktpunkte einerseits die Einstellung zur Frage, ob ein "islamischer Staat" im Irak ausgerufen werden sollte, und andererseits die Fixierung des Handelns auf die Sunniten, die mit den Schiiten nicht nur religiös im Konflikt standen, heraus.

Danach geht es um Gründung und Niedergang der Nusra-Front und danach um die Entwicklung bis hin zum "Kalifat". Hierzu heißt es: "Der soziologische Faktor, die Krise der Sunniten von Irak über Syrien bis Libanon, ist der entscheidende Faktor, um die Kraft zu erklären, die die IS-Miliz entwickelte ... Der goldene Schlüssel, der den Nebel des Magischen auflösen kann, der den IS und seine Schlagkraft umgibt, liegt im Schlagwort 'Sunnitische Krise'" (S. 119). Dem folgen Ausführungen zur Spaltung von "Al-Qaida", zum Kampf um die Ideologie des Dschihadismus und zur Struktur des IS. Letzteres macht die Existenz einer komplexen Organisation mit entwickelter Rekrutierungs- und Propagandaarbeit deutlich. Gegen Ende äußern sich die Autoren noch gesondert zu Gegenstrategien. Dabei thematisieren sie auch die Fehler des Anti-IS-Bündnisses. Ein Sieg über den IS könne nicht nur militärisch sein, gelte es doch "die politischen Voraussetzungen zu verändern, die ihn und vergleichbare Milizbewegungen begünstigt haben" (S. 192).

Abu Hanieh und Abu Rumman legen ein inhaltlich kenntnisreiches und gut strukturiertes Buch zum Thema vor. Allein durch Erkenntnisinteresse und Systematik hebt es sich positiv von den anderen journalistischen Werken ab. Als "Serviceleistung" für den Leser sind Fazite am Ende jeden Kapitels und Erläuterungen zu den Führungsfiguren im Anhang präsent. Bei vielen Details in der Geschichte des IS gibt es noch ungesichertes Wissen. Insofern darf man die Ausführungen von Abu Hanieh und Abu Rumman gelegentlich nur vorbehaltlich so lesen. Gleichwohl liefern sie einen anschaulichen und durchdachten Einblick in die Entwicklung der beiden Gruppen. Die besondere Gewaltkomponente des IS, die in anderen Darstellungen überbetont wird, findet hier indessen weniger Aufmerksamkeit. Auch hätte man sich noch genauere Ausführungen zu den Gründen für die Massenakzeptanz gewünscht. Die "sunnitische Krise" ist sicherlich ein bedeutsamer Faktor, aber auch nicht allein entscheidend. Insgesamt handelt es sich um ein gelungenes Buch für eine lohnende Lektüre.

Hassan Abu Hanieh/Mohammad Abu Rumman, IS und Al-Qaida. Die Krise der Sunniten und die Rivalität im globalen Dschihad, Bonn 2016 (J. H. W. Dietz-Verlag), 239 S., 19,90 Euro