Rezension

Eine assoziative Analyse der IS-Sprache

Der französische Philosoph Philippe-Joseph Salazar legt mit "Die Sprache des Terrors. Warum wir die Propaganda des IS verstehen müssen, um ihn bekämpfen zu können" eine Analyse zum Thema vor. Leider sind seine Betrachtungen mehr assoziativ denn systematisch, mehr essayistisch denn wissenschaftlich ausgerichtet, wodurch viele gute Ideen neben unverbindlichen Sätzen stehen.

Die Brutalität von Gewalttaten steht meist im Mittelpunkt der medialen Wahrnehmung, geht es um das Agieren von terroristischen Gruppen in der Welt. Dabei gerät aus dem Blick, dass eben diese Gewalttaten auch ein Kommunikationsmittel sind und die Sprache von Terroristen verstanden werden sollte. Dies gilt auch gegenüber dem "Islamischen Staat" (IS), der mit einer ausgefeilten Medienstrategie vorgeht.

Darauf macht der französische Philosoph Philippe-Joseph Salazar, der als Professor für Rhetorik an der Universität Kapstadt lehrt, in seinem Buch "Die Sprache des Terrors. Warum wir die Propaganda des IS verstehen müssen, um ihn bekämpfen zu können" aufmerksam. Es erhielt in der französischen Originalausgabe den Prix Bristol des Lumières und auch in englisch- und italienischsprachigen Medien positive Rezensionen. Als Fragestellung formuliert Salazar einleitend: "Wie lassen sich die Wortgewalt und die Überzeugungskraft des Dschihadismus und vor allem des Kalifats nachvollziehen?" (S. 12). Damit entwickelt er eine bedeutsame Perspektive.

Der Autor macht zunächst auf die Besonderheiten der arabischen Sprache aufmerksam, werde hier doch häufiger in Analogien, Bildern und Symbolen gesprochen. Dies müsse berücksichtigt werden, wolle man die Rhetorik der Eroberung mittels der Kalifatsidee verstehen. Danach geht es um die Erörterung des Kontextes von Terrorismus und Territorium, die Koranisierung der Sprache über das Thema, die Internetnutzung des IS und seiner Gegner und die Macht des Appells. Für die Öffentlichkeit im Westen empfiehlt er: "Wir sollten über des Kalifat und seine Milizionäre nur in unserer Sprache sprechen und uns jeglicher Arabisierung und Koranisierung unseres Wortschatzes verweigern ... Wir sollten eine genaue und folglich anspruchsvolle Sprache sprechen. Eine bewaffnete Sprache" (S. 60). Dem folgen Ausführungen zur dschihadistischen Ästhetik, zum Frauenbild im Kalifat, zur Huldigung kriegerischer Männlichkeit, zu dem Gewaltkult und den Opferriten, zur terroristischen Begründungskette und zur Deutung des IS als Partisanenguerilla.

Seine Argumentation und Erkenntnisse formuliert Salazar in eigenen Worten in folgender Zusammenfassung:

Das Kalifat ist eine Form von radikaler Feindschaft, weil es weder das konventionelle Spiel der politischen Formen noch das formale Spiel des Krieges, noch das Spiel der Menschenrechte mitspielt. Es agiert außerhalb aller Formen. Es lehnt alle weltweit geltenden Regeln ab, die die Sphäre des Politischen, so wie wir es seit etwa fünfzig Jahren praktizieren, bestimmen und begrenzen. Das Kalifat hat eine radikale Distanz zwischen "uns" und sich selbst etabliert, und zwar durch die Art und Weise, wie es das Humane (die Beziehung zur Menschheit) definiert, durch sein politisches Glaubensbekenntnis (das Wesen des Staates), seine Rekrutierung von Zivilisten und Militärs (das Wesen der Gesellschaftsorganisation) und seine Kriegsstrategie (Gegenstand und Methode einer aggressiven Defensive). Mit dieser Distanz reagiert das Kalifat auf das radikale Unrecht, das ihm seiner Meinung nach die Feinde des Islam zufügen. (S. 182)

Die Einschätzung zu "Die Sprache des Terrors" fällt ambivalent aus, was auch an formalen Aspekten liegt. Salazar argumentiert mehr assoziativ als systematisch, mehr essayistisch als wissenschaftlich. Daher reihen sich beachtenswerte Ideen an dahingeworfene Sätze, pointierte Erklärungen an sprachliche Unverbindlichkeiten. Dass die von ihm selbst formulierte Bilanz seiner Erörterungen gar nicht genau zu seiner einleitend formulierten Fragestellung passt, steht für diese kritische Wertung. Mit einer ausführlichen und systematischen Analyse der Diskursstrategie anhand von Fallstudien wäre man hier vielleicht weitergekommen.

Bei aller damit einhergehenden Kritik kann man Salazar aber nicht hoch genug loben für seine folgende Aussage: "Gegen den freiwilligen Idealismus unserer jungen Dschihadisten bieten wir nur den Dialog und die Psychologie auf, aber keine aufrüttelnden alternativen Werte. ... man kann auf den Appell des Kalifats nur dann mit einem entsprechenden, ebenso mächtigen Appell reagieren, wenn ihm Werte vorausgehen und folgen" (S. 88).

Philippe-Joseph Salazar, Die Sprache des Terrors. Warum wir die Propaganda des IS verstehen müssen, um ihn bekämpfen zu können, München 2016 (Pantheon), 224 S.