Abseits der deutschen Öffentlichkeit vollziehen türkeistämmige muslimische Organisationen und Funktionäre muslimbrudernaher Gremien weitere Schritte aufeinander zu: Bei einer von der türkischen Religionsbehörde Diyanet organisierten Konferenz in Istanbul vor wenigen Wochen waren laut deren Abschlussbericht neben einschlägig bekannten Muslimbrüdern auch Vertreter des Islamischen Zentrums Aachen (IZA) mit von der Partie. Damit wurde die Annäherung der Diyanet, der ja auch die DITIB untersteht, an die Muslimbruderschaft weiter vorangetrieben. Auch wird vor dem Hintergrund solcher Aktivitäten immer unverständlicher, warum das IZA im NRW-Verfassungsschutzbericht schon seit Jahren nicht mehr benannt wird.
Ende September fand in Istanbul eine von der türkischen Religionsbehörde Diyanet organisierte Konferenz statt, bei der es vordergründig um die Absprache von Gebetszeiten ging. Solche Konferenzen sind bei jeder Religionsgesellschaft erst einmal als völlig normal und legitim zu betrachten. Fragwürdig sind hier jedoch die Organisatoren und Teilnehmer dieser Konferenz. So wurde diese in Kooperation mit dem European Council for Fatwa and Research (ECFR) organisiert. Das ECFR wird von den deutschen Verfassungsschutzbehörden der Muslimbruderschaft zugerechnet. Schon alleine damit ist diese Konferenz eine weitere Kooperation der Diyanet, der ja auch der deutsche Moschee-Dachverband DITIB untersteht, und der Muslimbruderschaft. Das ergab eine Auswertung der im Internet zu dieser Konferenz verfügbaren Dokumente.
Diese Handschrift zeichnete sich bei der Konferenz auch dadurch ab, dass bekannte Muslimbrüder mit von der Partie waren, etwa der ECFR-Funktionär Ali Al-Qaradaghi, der auch als wichtiger Vordenker der Muslimbruderschaft gilt. Auf Fotos der Veranstaltung ist auch Khaled Hanafy zu erkennen. Hanafy ist der Vorsitzende des deutschen Ablegers des ECFR und Dekan des in Frankfurt ansässigen Europäischen Instituts für Humanwissenschaften (EIHW), das der hessischen Verfassungsschutz als Kaderschmiede der Muslimbruderschaft ansieht.
IZA wird auch genannt
Auffällig ist auch, wer abseits der Organisatoren an der Konferenz teilgenommen hat. In dem Dokument, das auf den offiziellen Seiten der Diyanet als Abschlussbericht veröffentlicht wurde, sind einige teilnehmende Organisationen namentlich herausgehoben. Neben der Pariser Moschee und dem Muslim Council of France finden sich dort auch die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) sowie das Islamische Zentrum Aachen (IZA). Das IZA fällt seit seiner Gründung immer wieder durch Bezüge zu verschiedenen Zweigen der Muslimbruderschaft auf.
Obwohl diese Bezüge bis in die jüngere Vergangenheit hinein reichen, wird das IZA im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht schon seit Jahren nicht mehr aufgeführt. Ob dies mit der Mitgliedschaft des IZA im Zentralrat der Muslime (ZMD), der wiederum Kooperationspartner der NRW-Landesregierung ist, zusammenhängt, ist bis heute nicht bekannt. In Nordrhein-Westfalen ist der Verfassungsschutz dem Landesinnenministerium unterstellt.
Nicht die erste Veranstaltung dieses Teilnehmerkreises
Die Konferenz in Istanbul ist nicht die erste Veranstaltung, bei der dieser Teilnehmerkreis zusammengekommen ist. So nimmt die Konferenz Bezug auf eine Veranstaltung, die 2016 in der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) stattgefunden hatte. Der Berliner Verfassungsschutz hatte in seinem damaligen Bericht auf diese Veranstaltung verwiesen. Dort hatte sich der deutsche Ableger des ECFR konstituiert und war auch das erste Mal breiter öffentlich in Erscheinung getreten. Schon damals waren nach Angabe auf den Seiten dieses deutschen Ablegers, des Fatwa-Ausschusses Deutschland, hochrangige Vertreter der Diyanet, der IGMG und Muslimbruder-naher Organisationen anwesend. Auch ein Symposium, das 2018 beim IZA in Aachen stattgefunden haben soll, wird im Diyanet-Abschlussbericht zur Konferenz in Istanbul erwähnt.
Aufgeführt werden darin auch Besuche eines "Observationsteams", das Berlin, Prag und Bolu (Türkei) besucht habe. Damit könnten unter anderem auch die Veranstaltungen mit Al-Qaradaghi in Berlin gemeint sein. Einer dieser Besuche fand 2017 statt. Khaled Hanafy soll laut des Diyanet-Abschlussberichts als Mitglied eines wissenschaftlichen Komitees 2019 an den Entwürfen zur Ausarbeitung der empfohlenen Gebetszeiten mitgearbeitet haben. Hanafy war bei den Aktivitäten Al-Qaradaghis in Deutschland, aber auch in der Türkei häufig mit dabei.
Ergebnis der Konferenz in Istanbul ist, dass es allgemein empfohlene Gebetszeiten geben soll, die auf einer Internet-Seite und wohl einer App veröffentlicht werden sollen. An die Imame und Gelehrten, im Grunde an alle Muslime geht der Appell, die "Reihen zu schließen", auch um "ein zivilisiertes Bild" des Islam abzugeben.
Auf einer dem IZA zuzuordnenden Facebook-Seite hieß es zu den Gebetszeiten schon 2019: "Vor dem Hintergrund, dass diese Methode weiterentwickelt und verbessert werden musste, konnte diese verantwortungsvolle Thematik durch die Bildung eines neuen Kompetenzteams innerhalb des IZA umgesetzt werden. Mit Unterstützung des Europäischen Rates für Fatwa und Forschung konnte das Team rund um Abdullah Jaber, Salim Albogha und Harun Acaroglu schließlich die Berechnung der neuen Gebetszeiten präsentieren." Jaber soll auch schon bei der bereits erwähnten Veranstaltung des Fatwa-Ausschusses Deutschland als Moderator mitgewirkt haben. Jenseits der religiösen Betätigung ist er Unternehmer in Aachen.
DMG wird in Berichten erwähnt, IZA nicht
Veranstaltungshinweise auf entsprechende Vorträge von Abdullah Jaber im IZA können in Verbindung mit einer Stellungnahme zum Diyanet-Abschlussbericht, die vom Rat der Imame und Gelehrten Deutschlands (RIGD) auf dessen Facebook-Seite verbreitet wird, als weiterer Beleg dafür gesehen werden, dass beim IZA alles beim Alten geblieben ist. Der RIGD wird vom hessischen Verfassungsschutz ebenfalls dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft zugeordnet.
Damit wird es immer unverständlicher, dass das IZA im Gegensatz etwa zur Deutschen Muslimischen Gemeinschaft (DMG, früher Islamische Gemeinschaft in Deutschland, IGD) nicht im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Oder in dem des Bundes, denn das IZA hat ja auch Bezüge zu einer Reihe anderer Einrichtungen, was letztlich ebenso ein Netzwerk darstellt wie das der DMG. In den ersten Jahren, in denen das IZA nicht mehr im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde, war eine Teilnahme an einschlägigen internationalen Konferenzen nicht zu beobachten. Damals gab es eher nur Einzelbesuche bekannter Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft in Aachen. Offensichtlich fühlt man sich dort inzwischen so sicher vor breiterer öffentlicher Wahrnehmung und Kritik, dass man meint, die Füße nicht mehr länger stillhalten zu müssen.