Italien: Verbot der Suizidhilfe steht auf dem Prüfstand

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Am vergangenen Mittwoch, 24. Oktober 2018, hat der Verfassungsgerichtshof Italiens dem italienischen Parlament eine Frist bis zum 24. September 2019 gesetzt, um festgestellte Mängel des italienischen Rechts in Bezug auf den Schutz von Personen am Lebensende durch den Gesetzgeber zu beseitigen – notabene eine für die Praxis dieses höchsten italienischen Gerichts völlig neue Art der Entscheidung.

Der Verfassungsgerichtshof zwingt das Parlament, Fragen der Suizidhilfe und der aktiven Sterbehilfe grundlegend zu prüfen. Folgt das Parlament der Einladung des Verfassungsgerichtshofes nicht, so hat er durchblicken lassen, dass er den gegenwärtigen Artikel 580 des italienischen Strafgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit aufheben wird. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Gerichts hervor. Die ausführliche schriftliche Entscheidung steht noch aus.

Am 27. Februar 2017 verstarb der italienische Musiker Fabiano Antoniano, vielen bekannt unter seinem Künstlernamen DJ Fabo, bei DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben in der Schweiz. Er war aufgrund eines Unfalls Tetraplegiker – vom Hals abwärts fast vollständig gelähmt – und beinahe blind geworden. Auf seiner Reise von Italien nach Zürich stand ihm der italienische Politiker Marco Cappato bei. Nach seiner Rückkehr nach Italien zeigte Cappato sich selbst bei der Polizei in Mailand an, Artikel 580 des italienischen Strafgesetzes verletzt zu haben. Dieser verbietet jede Beihilfe zum Suizid.

Als sich das Mailänder Geschworenengericht im Februar 2018 mit der entsprechenden Anklage befasste, vermochte die Verteidigung ausreichend Zweifel daran zu wecken, ob dieses strafrechtliche Verbot vor der italienischen Verfassung standhält. Dem entsprechend beschloss das Gericht, den Strafprozess auszusetzen und diese Frage dem Verfassungsgerichtshof in Rom zu unterbreiten.

Dieser ist im Laufe seiner Beratungen zur Auffassung gelangt, das gegenwärtig geltende italienische Recht schütze einen erheblichen Bereich von Rechten der Bürgerinnen und Bürger am Lebensende nicht ausreichend; die Gesetzgebung befinde sich insofern nicht im Lot. Um zu vermeiden, dass bei einer schlichten Aufhebung von Artikel 580 des Codice Penale eine Lücke entsteht – beispielsweise keine Bestrafung mehr, wenn eine solche Beihilfe aus selbstsüchtigen Beweggründen erfolgt –, entschied sich der Gerichtshof, die Verantwortung dafür dem Parlament zuzuweisen.

Marco Cappato, der für die Radikalen in der Politik sowie als Schatzmeister der Vereinigung Luca Coscioni wirkt, welche sich für bürgerliche Freiheiten einsetzt, betrachtet den Entscheid als großen Fortschritt. Dadurch, dass das Parlament auf seine Verantwortung hingewiesen werde, sei zu erwarten, dass dieses nun auch die seit fünf Jahren anhängige Volksinitiative von Luca Cosconi für eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe endlich behandle.

Dieser Fall zeigt, in welcher Weise die liberal gestaltete Gesetzgebung der Schweiz über unsere Landesgrenzen hinaus fortschrittlichen Einfluss auf Gerichte, Politik und auf die Gesetzgebung entfalten kann – vor allem, wenn aufrechte Bürger mit dem Mittel des zivilen Ungehorsams dafür sorgen, dass sich Gerichte zu Gesetzesnormen aussprechen können, die weder rational noch evidenzbasiert und schon gar nicht weltanschaulich neutral sind.