Zum Attentat in Frankreich:

Kein Fußbreit den Islamisten

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"Darum geht es hier" – Der ermorderte Lehrer hatte im Unterreicht Karikaturen von Charlie Hebdo besprochen.

Die Freidenkenden Schweiz sind entsetzt über den Mord an einem Lehrer in Frankreich durch einen islamistischen Täter. Sie verurteilen die Tat scharf und hoffen auf eine klare Distanzierung durch muslimische Kreise. Sie rufen auch andere zivilgesellschaftliche Akteure auf, die Tat deutlich zu verurteilen.

Am Freitag wurde in einem Pariser Vorort ein Lehrer auf offener Strasse kaltblütig ermordet. Der Täter war ein offenbar religiös radikalisierter 18-Jähriger. Er griff den Lehrer mit einem langen Messer an und enthauptete ihn, weil dieser in einer Unterrichtsstunde zu Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Er hatte seinen Schülerinnen und Schülern anhand von konkreten Beispielen zu veranschaulichen versucht, was in einer offenen Gesellschaft von allen auszuhalten ist. 

Der Täter fühlte sich möglicherweise von Schülern und Eltern zur Tat angestachelt, die das Zeigen der Karikaturen bei der Schulleitung und auf Social Media angeprangert hatten. Diese Online-Attacken führten zu zahlreichen Drohanrufen, wie der Schulleiter berichtete. Im Video eines protestierenden Schülers taucht ein Mann auf, der dem Geheimdienst als radikaler Islamist bekannt ist – und der dem Vorstand des Conseil des imams de France angehört.

Dennoch: Andere Musliminnen und Muslime können nichts für die Tat. Aber sie können beeinflussen, ob Gewaltakte innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft als legitimes Mittel zur Durchsetzung von Forderungen angesehen werden und ob andere Anhänger ihrer Religion akzeptieren, dass Meinungsfreiheit ein essenzielles Gut westlicher Staaten darstellt und dass gesellschaftliche Spielregeln demokratisch ausgehandelt werden müssen.

Immerhin: Der Conseil français du culte musulman (CFCM) hat das Attentat scharf verurteilt und klargestellt, dass "nichts, absolut nichts die Ermordung eines Menschen rechtfertigen" könne. Das ist ein wichtiges Signal. Es ist zu hoffen, dass es nicht nur aus taktischen Gründen erfolgte. Denn als Anfang des Jahres eine 16-Jährige Französin Morddrohungen erhalten hatte, nachdem sie zuvor auf Instagram "Ich hasse Religion, der Koran ist voller Hass … Eure Religion ist scheiße" gepostet hatte, hatte der CFCM-Vorsitzende noch kommentiert: "Sie hat die Religion beleidigt, jetzt muss sie die Folgen ihrer Worte tragen."

Niemand muss an Karikaturen Gefallen finden oder derben Aussagen zustimmen. Aber wer nicht verstanden hat, dass man sich über Religionen genauso beleidigend äußern darf wie über politische Überzeugungen oder über Präferenzen für Musikrichtungen oder Sportarten, hat das Wesen liberaler Gesellschaften nicht verstanden und stellt eine Gefahr für sie dar. Es liegt auch an den MuslimInnen, diese Werte hochzuhalten und im Privaten, aber auch öffentlich für sie einzustehen.

In der Pflicht stehen aber ebenso gesellschaftliche Akteure. Parteien und NGOs dürfen nicht den Fehler begehen zu schweigen, aus Angst davor, dass die Verurteilung solcher Taten Ressentiments gegen Minderheiten schürt oder dass Stellungnahmen von Kreisen mit eigenen Agenden instrumentalisiert werden. Sonst überlassen wir den Diskurs den religiösen Extremisten und den nicht minder anti-humanistischen Nationalisten. Es ist zu wünschen, dass diejenigen, die aus humanistischer Überzeugung "kein Fußbreit den Faschisten" rufen, mit ebensolcher Unmissverständlichkeit auch "kein Fußbreit den Islamisten" skandieren.

Der Artikel wurde erstveröffentlicht auf der Website der Freidenker-Vereinigung der Schweiz am 17.10.2020.

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