Ist Kuba bereit zur Ehe für alle?

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Mit einer umfassenden Änderung des Familienrechts will Kuba die gleichgeschlechtliche Ehe einführen. Während die geltende Verfassung die Ehe lediglich als "freiwillige Verbindung zwischen Mann und Frau" kennt, ist in der neuen Version von einer "freiwilligen Verbindung zwischen zwei Personen" die Rede, ungeachtet des Geschlechts. Der Gesetzentwurf muss nun zunächst das Parlament passieren, bevor die Bevölkerung in einem Referendum entscheidet. Mit dieser abschließenden Volksabstimmung ist im nächsten Jahr zu rechnen.

Die derzeitigen kubanischen Familiengesetze stammen noch aus dem Jahr 1975 und berücksichtigen nur unzureichend den gesellschaftlichen Wandel, den die Inselrepublik seither durchlaufen hat. Mit seinen über 480 Artikeln stellt das nun vorgelegte Update über die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe hinaus eine Kompletterneuerung dar. "Es schützt alle Formen von Diversität im Bereich der Familie und das Recht jedes Menschen, gemäß den verfassungsrechtlich garantierten Werten Pluralität, Inklusion und Menschenwürde eine Familie zu gründen", resümierte Yamila González Ferrer, die Vizepräsidentin des kubanischen Juristenverbandes, bei der Vorstellung des neuen Gesetzentwurfes im September.

Das Ja zur "Ehe für alle" wäre ein bedeutender Meilenstein in Richtung Gleichberechtigung von LGBTI-Personen in Kuba. Nach der Revolution von 1959 kam es dort zu einer breit angelegten Verfolgung von Homosexuellen, deren Neigung man als Auswuchs des verhassten Kapitalismus ansah. Unter Präsident Fidel Castro wurden sie in den 1960ern in Zwangsarbeitslagern interniert. Eine öffentlich Entschuldigung Castros für diese Menschenrechtsverletzungen erfolgte erst im Jahr 2010.

Seit 1979 sind homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen in Kuba legal, doch bis zur Gleichstellung ist es noch ein weiter Weg. Zwar war die Ehe für alle schon 2018 Teil eines neuen, bereits vom Parlament abgesegneten Verfassungsentwurfes, der als Gesamtpaket beim nachfolgenden Referendum im Februar des folgenden Jahres 86,6 Prozent Zustimmung erreichte. Doch nach Protesten der Bevölkerung und verschiedener christlicher Glaubensgemeinschaften strich man den Passus wieder.

So hatte etwa der Erzbischof von Santiago de Cuba Dionisio García Ibáñez den Entwurf als "Kulturimperialismus" und "ideologischen Kolonialismus" diffamiert, der dem Land angeblich von außen aufgedrängt werde: Homophobie als Konsens zwischen Castros Altkommunismus und den neu erstarkten Religionsführern im Land. Die Regierung sei "fortschrittlicher, als das Volk erlaubt", schrieb damals Boris Herrmann in der SZ. Auch anlässlich des neuerlichen Anlaufs erwarten Beobachter massive Proteste aus dem religiösen, insbesondere evangelikalen Lager.

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