Weltweit ist die Zahl der Maserninfektionen um 30 Prozent gestiegen. Die Masern gehören auch in Deutschland ausgerottet – und es wäre so einfach. Was hält uns auf? Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt als Grund Nachlässigkeit und Fehlinformationen über Impfungen.
Neulich hörte ich mit den Kindern eine alte Folge "Benjamin Blümchen": Der arme sprechende Elefant bekam die Masern. Die Masern hören sich in der ganzen Folge irgendwie total niedlich an: Man kriegt ein paar lustige rote Punkte, die sich auch mit Spucke nicht abwischen lassen, ist zwei bis drei Wöchelchen krank, wird schön gepflegt – darf allerdings keine Zuckerstückchen essen! – und ist ein bisschen müde. Und irgendwie habe ich mich über dieses Bild geärgert. Denn offensichtlich denken immer noch viel zu viele Menschen über Masern genau wie früher einmal Benjamin Blümchen: Es ist alles nicht so schlimm. Früher, sagen zu viele, haben wir das doch auch überlebt, als es noch keine Impfungen gab! Wir waren halt ein bisschen krank, haben uns dann ein wenig abgeschlagen ins Bett gelegt, zwei, drei Wochen Ruhe, vielleicht musste der Raum verdunkelt werden, vielleicht gab es ein bisschen Fieber. Aber sonst: Gemütlich die Zeit vertrödeln, und danach ist alles wieder so wie vorher.
Aus diesem Blickwinkel heraus versteht man dann vielleicht nicht, warum sich jetzt alle groß aufregen, wenn die Zahl der Masern-Erkrankungen wieder steigt, und es eben doch nicht gelingt, die Erreger weltweit auszurotten.
Dazu ein paar Fakten: Ungefähr 110 000 Menschen sind im Jahr an den Masern gestorben, die meisten davon waren Kinder. Ungefähr 6,7 Millionen Menschen sind weltweit erkrankt. In Deutschland ist mit circa 1000 Masernfällen die Zahl der Erkrankten fast dreimal so hoch wie noch im Jahr zuvor. Gleichzeitig sind viele kleine Kinder nicht ausreichend geimpft, und auch bei Erwachsenen fehlt oft die zweite Impfung, die erst den vollständigen Impfschutz verspricht. Der "nationale Aktionsplan zur Eliminierung der Masern" ist nicht erfüllt worden – wieder einmal nicht.
Woran liegt das? Zum einen sicher am immer noch verharmlosenden Bild von Masern, siehe Benjamin Blümchen. Zum anderen ist die Masernimpfung wahrscheinlich auch Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Wäre die Impfung nicht so wirksam, so würden wir im eigenen Umfeld häufiger Masernerkrankungen miterleben – und ihre möglichen Folgen bei kompliziertem und katastrophalem Verlauf: Tod, schwere Gehirnhautentzündung, Lähmungen, Behinderungen, Lungenentzündung, Mittelohrentzündung und schwere Hörstörungen, etc. pp. Sieht man das nie, kann man sich leicht in Sicherheit wiegen, vergessen, unsere Kinder zu schützen (und nebenbei alle anderen mit, die nicht geimpft werden können). Stattdessen impft man nicht, oder nicht vollständig – und trägt damit zur weiteren Verbreitung des Virus bei.
Die Masern sind eine höchst ansteckende, bisweilen tödlich verlaufende Erkrankung. Etwa ein Viertel der Erkrankten muss im Krankenhaus behandelt werden – und kann nicht kuschelig zu Hause im Bett liegen. Auch in der Benjamin-Blümchen-Folge stecken sich schließlich der Elefant selbst und sogar der Sprecher des Hörspiels an. Eigentlich ein Sinnbild dafür, wie ansteckend die Krankheit wirklich ist. Denn kommt eine ungeschützte Person mit dem Masernvirus in Kontakt, wird sie zu 99 Prozent an den Masern erkranken – also eigentlich immer. Bei den Masern handelt es sich definitiv nicht um eine harmlose Kinderkrankheit, wie man das früher eben dachte. Man kann daran immer noch sterben! Und etwa jedes tausendste erkrankte Kind entwickelt eine Masern-Enzephalitis. Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist eine gefürchtete Spätkomplikation nach Maserninfektion. Diese Entzündung des Gehirns hinterlässt bleibende Schäden, schwere Behinderungen und führt unweigerlich zum frühen Tod. Schlimm ist auch, dass die Ansteckungsgefahr besteht bereits ein bis zwei Tage vor dem Auftreten der typischen ersten Symptome besteht. Hier können also Ungeimpfte bereits unbemerkt angesteckt werden!
Wirklich harte Impfgegner sind zum Glück weiterhin nur zwei bis vier Prozent der Bevölkerung. Da eine notwendige Durchimpfungsrate von 95 Prozent, diese Komplettverweigerer durchaus tragen könnte, ist es an uns allen anderen, die Impflücken zu schließen. Dann sind nicht nur wir selbst vor dem Virus geschützt, wir schützen damit auch andere, die aus medizinischen oder persönlichen Gründen nicht geimpft werden können, wie Krebserkrankte, Kleinstkinder und Immunsupprimierte. Immerhin: In 37 von 53 europäischen Staaten ist es gelungen, die Masern auszurotten. Das geht eben, wenn genügend Menschen geschützt sind, denn das Virus kann sich nur von Mensch zu Mensch verbreiten – kommt es zu selten durch, so stirbt es aus.
Also: Hopp, schnell nochmal in den eigenen Impfpass gucken und gegebenenfalls die zweite Impfung abholen! Bei unseren Kindern sollten wir darauf achten, dass die zweite Impfung möglichst vor dem zweiten Geburtstag erfolgt. Und die Gelegenheit sich gemütlich ins Bett zu kuscheln, bietet die Jahreszeit ja ganz risikofrei. Von den vielen Keksen dabei mal abgesehen.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von spektrum.de.
11 Kommentare
Kommentare
David See am Permanenter Link
ich finde man sollte menschen durch Impfung sterilisieren, dann können Tiere und pflanzen in frieden leben und das mißglückte Experiment der Natur genannt mensch wäre weg
Cosmo am Permanenter Link
"Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd"
Ich kann diesem Kommentar nur beipflichten. Vielleicht schafft es eine andere Art, besser zu Leben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Sagen wir, es wäre schwerlich Friede, Freude, Eierkuchen (geradezu naiv), sondern das übliche Fressen und Gefressenwerden.
Andreas Lichte am Permanenter Link
… notorische Impfgegner sind Anthroposophen: „Masern werden von Waldorfschule zu Waldorfschule übertragen …“, siehe: "Drei Gründe für die Waldorfschule", https://www.ruhrbarone.de/drei-grunde-fur-die-waldorf
Kay Krause am Permanenter Link
Andreas Lichte! dem masern-Virus geht es ebenso wie dem Waldorf-Virus!
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Kay Krause Meinen Sie vielleicht, dass eine Impfung gegen "Anthroposophie" Pflicht werden sollte? "Ich bin gegen Waldorfschule geimpft! – Du auch?"
Hans Trutnau am Permanenter Link
110.000 Sterbefälle - ebenfalls weltweit? Die können eigtl. nicht übersehen werden, obwohl sie 'nur' einer Sterberate von gut 1,5 % entsprechen. Bei geicher Rate in D wäre mit über 30 Toten zu rechnen.
Sven F am Permanenter Link
"110.000 Sterbefälle - ebenfalls weltweit? Die können eigtl. nicht übersehen werden, obwohl sie 'nur' einer Sterberate von gut 1,5 % entsprechen.
Gab es die?"
Ich frage mich, ob man das wirklich so einfach hochrechnen kann. Immerhin sind in D viele andere Keime weit weniger verbreitet als in großen Teilen des Rests der Welt - für die Masernopfer sicher anfälliger sind als Gesunde. D.h. die 110 000 Toten könnten zu einem guten Teil auch auf andere Keime zurückgehen, mit denen das geschwächte Immunsystem nicht klar kam. Nur eine Vermutung.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das frage ich mich doch auch...!
Sven F am Permanenter Link
Dann habe ich Sie wohl nur falsch verstanden.
Frank am Permanenter Link
Die meisten Impfgegner leben in einer Umwelt, in denen sie kaum Krankheiten konfrontiert sind und alles hygenisch frisch verpackt ist.