Am gestrigen Sonntag fand die Preisverleihung des DA! Art-Award 2020 statt – Düsseldorfs erster dezidiert säkularer Kunstpreis. Über 600 Künstlerinnen und Künstler hatten an der Preisausschreibung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes teilgenommen.
Alle zwei Jahre wird der mit insgesamt 7.000 Euro dotierte DA! Art-Award verliehen. Das diesjährige Thema der Ausschreibung lautete: "… wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus!". Es spielt auf eine rechtliche Auseinandersetzung des Homöopathika-Herstellers Hevert mit der Ärztin Natalie Grams an, die deshalb zur Schirmherrin des DA! Art-Award 2020 berufen wurde. Grams hatte im Rahmen ihrer Aufklärungsarbeit über Homöopathie in einem Interview gesagt, dass Homöopathika nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirkten, und dafür eine Unterlassungserklärung der Firma Hevert erhalten. Das Wiederholen dieser Aussage sollte ihr so unter Androhung von empfindlichen Geldstrafen untersagt werden. Grams ließ sich nicht darauf ein. Der Fall sorgte für eine breite gesellschaftliche Diskussion über Homöopathie.
Doch nicht nur um Homöpathie sollte es beim diesjährigen DA! Art-Award gehen. "In 2020 geht es um die Kraft und die Wirkung trügerischer Überzeugungen", heißt es in der Ausschreibung des Preises. "Ob Homöopathie, Bachblütentherapie und Lichtfasten, ob Religion oder esoterisches Heilsversprechen – keine Frage, Pseudomedizin und religiöser Glaube können wirken. Doch immer gilt, was nachweislich auch auf Globuli zutrifft: keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus."
Über 600 Künstlerinnen und Künstler beteiligten sich an dem 2020 erstmals deutschlandweit ausgeschriebenen DA! Art-Award. 68 Kunstwerke wurden nominiert und während einer einwöchigen Ausstellung vom 15. bis 23. August im Stadtmuseum Düsseldorf der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Jury, bestehend aus Expertinnen und Experten in den Bereichen Kunst, Kunstgeschichte, Philosophie, Theologie, Naturwissenschaften und Medien, hatte unterdessen die Qual der Wahl und musste aus der Vielzahl der Arbeiten die Gewinnerinnen und Gewinner ermitteln. Am gestrigen Sonntag wurden nun in einer aufgrund der Corona-Pandemie online stattfindenden Preisverleihung die Gewinnerinnen und Gewinner verkündet.
1. Preis: meaning response
Den mit 3.000 Euro dotierten ersten Preis des DA! Art-Award 2020 erhielt das Künstlerduo Lea & Adrian für ihr Werk "work no. 447. meaning response": Sieben gerahmte Bilder, davon sechs mit unterschiedlichen Farbflächen und eines mit dem Hinweis, dass eine der Farben eine tiefere Bedeutung habe. "Wir übertragen das Placeboprinzip auf die Ästhetik", erläutern die Künstler ihr Werk. "Dass eine der Farben 'tiefere' Bedeutung als die anderen haben soll, ist falsch beziehungsweise nicht zu überprüfen. Die Behauptung persifliert den quasireligiösen Glauben an verborgene Bedeutungen in der Kunst. Uns begegnet immer wieder die Idee, man müsse eben wissen, was ein*e Künstler*in beim Schaffensakt gefühlt/gemeint habe, um Bedeutung aus dem Werk herauslösen zu können. Wie in der Homöopathie führen Glaube und Behauptung von wirksamem Inhalt zu spürbarem Effekt."
2. Preis: Unerreichbar
Der mit 2.000 Euro dotierte zweite Preis des DA! Art Award 2020 wurde verliehen an den Künstler Hassan Sheidaei für sein rund dreiminütiges Videowerk "Unerreichbar". Das Video zeigt einen Mann, der teils in Überblendung, teils per Splitscreen jeweils nackt und im Sufi-Gewand, den mystischen sufistischen Tanz Sama aufführt, mit dem man versucht, durch langes Drehen in Trance zu fallen, um sich dem Gott oder der heiligen Welt anzunähren – das Irdische hinter sich zu lassen, um das Himmlische zu erreichen. "Der Film thematisiert diese Art von Trennung zwischen den menschlichen Tendenzen. In jedem Menschen existieren verschiedene Tendenzen, die teilweise gegeneinander wirken. Der Mensch ist lebenslang mit der Herausforderung konfrontiert, sich zwischen den Tendenzen zu entscheiden. Der Film ist eine Fragestellung, ob man sich überhaupt von dem Irdischen trennen kann", so Sheidaei über sein Video.
3. Preis: TRANSFIGURATION
Den mit 1.000 Euro dotierten dritten Preis des DA! Art-Award 2020 erhielt Franjo Tholen für sein Werk "TRANSFIGURATION, (A-F)": Eine Serie von sechs Porträts winziger Christusfigurinen alter, benutzter Rosenkranz-Kruzifixe mit dem Rasterelektronenmikroskop. "Nach seiner Transfiguration hält Jesus den Jüngern vor, unzureichend zu glauben – ganz weltlich ist dagegen die Demonstration des aufdringlichen Auges eines Rasterelektronenmikroskopes: es rückt den erstaunlich kleinen Vertretern Gottes auf den Leib und prüft die individuelle Glaubensstärke der Rosenkranz-Betenden", so Tholen über sein Werk. "Die übernatürliche Helligkeit des lasererstrahlten Hauptes erfasst die Abriebspuren als Fingerzeig persönlicher Ergriffenheit und des Festhaltens am eigenen Glauben. Verborgener Sinn zeichnet sich ab und überhöht die industriell gefertigten Glaubenspartikel zu einzigartigen Gestalten. Diese Devotionalien manifestieren bloße, handfeste Hingabe. Hier harrt der sich auflösende Erlöser seiner vollkommenen Entmaterialisierung und zeigt fabelhaft nüchtern, wie der Glaube durch die Finger rinnt."
Publikumspreis: "... wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus"
Der vierte Preis des DA! Art-Award 2020 wurde nicht von der Jury, sondern vom Publikum vergeben. Alle Besucherinnen und Besucher der einwöchigen Ausstellung der nominierten Werke hatten die Möglichkeit, ihr Eintrittsbillet in einen Stimmzettel umzufunktionieren und für eines der ausgestellten Kunstwerke zu votieren. Den ebenfalls mit 1.000 Euro dotieren Publikumspreis erhielt der Künstler Raymond Thelen für sein Werk "... wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus!", ein Holzregal mit vermeintlich homöopathischen Reagenzien wie "Deus Q300" oder "Humanity C8". "Hier werden homöopathische Arzneimittel präsentiert. Die entstehende Verunsicherung über diese Mittel ist beabsichtigt", so der Künstler über sein Werk. "Sind die aufgedruckten Begriffe nun die Inhaltsstoffe oder das Ziel? ... Und was ist nun der Placebo? ... Alle Denkrichtungen sind beabsichtigt und sogar erwünscht."
Die Veranstalter des DA! Art-Award werteten das Ergebnis ihrer diesjährigen Ausschreibung als großen Erfolg und zeigten sich von der Menge der Einreichungen ebenso überwältigt wie von dem vielfältigen kreativen Umgang mit dem Ausschreibungsthema.
Der nächste DA! Art-Award wird voraussichtlich im Jahr 2022 ausgeschrieben.
1 Kommentar
Kommentare
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Tachnische Detatils zum 1. Preis, falls jemand das wissen will: