Rezension

Eine nicht überzeugende Studie zu linksextremen Einstellungen

Die beiden Berliner Politikwissenschaftler Monika Deutz-Schroeder und Klaus Schroeder legen mit dem Buch "Linksextreme Einstellungen und Feindbilder" die Fortsetzung einer früheren Arbeit zu linksextremistischen Einstellungen in der Bevölkerung und linksextremistischen Bestrebungen in der Gesellschaft vor. Ihre Linksextremismus-Skala basiert nicht auf demokratietheoretischen Erwägungen, sondern auf jeweiligen Lektüreeindrücken, was nur ein Grund für besonders hohe Ergebnisse ist, wobei sich die statistischen Einzelerkenntnisse auch noch inhaltlich widersprechen.

Aussagen über rechtsextremistische Einstellungen in der Bevölkerung vermittelt eine Fülle von Umfragen – von der bis heute noch bekannten SINUS-Studie von Ende der 1970er Jahre bis zum Projekt der "Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" der Gegenwart. Doch wie steht es um die Akzeptanz von linksextremistischen Einstellungen? Auf diese Frage wollen die beiden Politikwissenschaftler Monika Deutz-Schroeder und Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat der FU-Berlin eine Antwort geben. Als Fortsetzung einer früheren Studie legten sie "Linksextreme Einstellungen und Feindbilder. Befragungen, Statistiken und Analysen" vor. Nach Ausführungen zu neuen Publikationen zum Thema wollen die Autoren eine vertiefte Analyse der im Sommer 2014 durchgeführten repräsentativen Befragung zu Einstellungsdimensionen vornehmen. Ausgangspunkt für die Begriffsbestimmung ist für Deutz-Schroeder/Schroeder die Einstellung zur Verfassung: Wer sie als Linker ablehnt gilt als extremistisch, wer sie akzeptiert gilt als radikal (vgl. S. 10).

Danach präsentieren die Autoren ihre Linksextremismusskala, wobei die Dimensionen und Einstellungsstatements aus linksextremistischen Publikationen abgeleitet wurden. Bereits hier besteht aber ein methodisches Problem, was folgendes Beispiel vermittelt: Zwar lehnen alle Linksextremisten den Kapitalismus ab, aber nicht jede Ablehnung des Kapitalismus ist linksextremistisch. Das sehen die Autoren übrigens genauso (vgl. S. 140). Gleichwohl entwickeln sie aus derartigen Aussagen ihre Skala, wobei nicht mehr demokratietheoretische Gründe, sondern die jeweiligen Lektürefunde entscheidend sind. Zwar strichen Deutz-Schroeder/Schroeder noch statistisch nicht trennscharfe Items, ließen aber einen Großteil der demokratietheoretisch nicht trennscharfen Items in der Studie. Dies musste notwendigerweise zu hohen Angaben führen: "Auf Basis unserer Linksextremismusskala stuften wir 4 % der Befragten ... als Personen mit einem nahezu geschlossenen und 13 % ... mit einem überwiegend linksextremen bzw. linksradikalen Welt- und Menschenbild ein" (S. 50).

Der Blick auf die Daten führt zu eigentlich erstaunlichen Erkenntnissen, die eigentlich mehr kritische Rückfragen hätten motivieren müssen. Dazu ein paar Beispiele: "Eine wirkliche Demokratie ist nur ohne Kapitalismus möglich" meinten demnach nur 70 Prozent mit "geschlossenem linksextremem Weltbild", aber auch 25 Prozent mit der CDU/CSU-Wahlpräferenz (vgl. S. 52). Dann würden 30 Prozent der Linksextremisten einer linksextremistischen Grundforderung nicht zustimmen, dafür aber jeder vierte Unionspartei-Wähler. "Die Lebensbedingungen werden durch Reformen nicht besser – wir brauchen eine Revolution" meinen 12 Prozent mit CDU/CSU-Wahlpräferenz, übrigens nur 11 Prozent mit Grünen-Wahlpräferenz und 65 Prozent mit "geschlossenem linksextremem Weltbild", also demnach wollen mehr als ein Drittel der Linksextremisten keine Revolution (vgl. S. 53). Bereits hier zeigt sich, dass da irgendetwas mit der Anlage oder mit der Datenerhebung nicht stimmen kann. Reflexionen dazu findet man indessen nicht.

Nach den Ausführungen zur Repräsentativbefragung geht es um die Entwicklung des Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland in Geschichte und Gegenwart und um alte und neue Feindbilder. Dabei werden einzelne Information und Zitate aneinandergereiht. Analytisch bleiben Deutz-Schroeder/Schroeder eher oberflächlich. Sie liefern eine Kategorienbildung: "dogmatische marxistische (...) Parteien und Organisationen, militante Autonome und Postautonome, undogmatisch-bündnisorientierte Postautonome, Anarchisten" (S. 133). Allein diese Typologie verrät, dass die Autoren sich nicht wirklich auskennen: Auch Autonome sind Anarchisten, auch undogmatisch-bündnisorientierte Postautonome sind Postautonome. Und manche Postautonome haben mittlerweile dogmatisch marxistische Auffassungen angenommen. Die folgenden Befragungen zu den politischen Einstellungen "linksradikaler/linksextremer" (S. 241) Jugendlicher und von "jugendlichen Besuchern in verschiedenen DDR-Gedenkstätten" (S. 275) machen dann die Studie nicht mehr besser.

Monika Deutz-Schroeder/Klaus Schroeder, Linksextreme Einstellungen und Feindbilder. Befragungen, Statistiken und Analysen, Frankfurt/M. 2016 (Peter Lang-Verlag), 411 S., ISBN:9783653955873, 56,00 Euro