Kommentar zum Brexit

Populisten: Zu allem bereit und zu nichts in der Lage

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David Cameron bei der Bekanntgabe seines Rücktritts
David Cameron bei der Bekanntgabe seines Rücktritts

BERLIN. (hpd) Nigel Farage, der Führer der "UK Independence Party" (Ukip), der britischen Unabhängigkeitspartei, lässt die staunende Nation fröhlich winkend zurück. Nach Boris Johnson schleicht sich jetzt also der zweite Hauptverantwortliche für das Referendum über den EU-Austritt aus seiner Verantwortung.

Auch der noch amtierende Premierminister Cameron verband mit der Abstimmung über den Verbleib in der Europäischen Union nicht seine politische Überzeugung, sondern das taktische Kalkül, sich mit Hilfe des Plebiszits die Macht zu sichern und die eigene Partei zu disziplinieren. Er hat sich wie ein falscher Taschenspieler verzockt, und sein Land in tiefe Orientierungslosigkeit gestürzt. Selbst die Queen wird sich kaum seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs an ein solches politische Chaos im Land erinnern können.

Boris Johnson, Camerons Erzfeind aus den Tagen auf ihren Eliteschulen, hat mit allen Mitteln der Demagogie und der Lügen für den Brexit agitiert. Der frühere Londoner Bürgermeister handelte weniger aus tiefer politischer Überzeugung heraus als vielmehr, um sich in eine gute Position für die Nachfolge von David Cameron zu bringen. Auch Johnson hat sich verrechnet; die Kampagne war wohl mehr ein Ego-Trip. Wie andere führende Leute der Kampagne hat er wohl nicht wirklich mit einen Erfolg gerechnet. Ein Szenario vorbereitet haben diese Staatsmänner von der traurigen Gestalt jedenfalls nicht. Jetzt hat er Angst vor der eigenen Courage und kneift bei der Suche für eine Nachfolge im Amt des Regierungschefs.

Ähnlich trostlos ist der Befund bei dem zweiten Groß-Demagogen, dem Chef der rechtsnationalistischen Ukip, Nigel Farage. Die Wählerinnen und Wähler sind ihm gefolgt, als er zu Lasten der Migranten und Flüchtlinge dem Land eine goldene Zukunft zurück auf der Insel vorgaukelte. Jetzt macht auch er sich davon.

Johnson und Farage reihen sich ein in die lange Liste der Populisten, deren Credo niemals darin besteht, politische Vorgänge vom Ende her zu denken. Ein erfolgreiches Referendum oder ein gutes Abschneiden bei einer Wahl sind das eine. Die Umsetzung in praktische Politik zum Wohle der Menschen steht aber auf einem ganz anderen Blatt. Die Verhandlungen Großbritanniens mit der EU werden die haltlosen Versprechungen der Anti-Europäer wie Seifenblasen zerplatzen lassen. Eine Art privilegierter Sonderstatus im europäischen Binnenmarkt kann es ohne Freizügigkeit nicht geben. Wir dürfen gespannt sein, ob die nächste britische Regierung den Ausstieg aus dem Binnenmarkt wirklich durchsetzen will. Tut sie es, fällt das Land in die wirtschaftliche Depression der 60er und 70er Jahre zurück.

Die Situation in Großbritannien ist ein Lehrbuch-Beispiel für die Gefahr durch Populismus, leichte Antworten auf schwierige Fragen und Hetze gegen Minderheiten. Auch in anderen Ländern machen sich Populisten mit einer Mischung aus linker und rechter Rhetorik die Ängste vieler Globalisierungsverlierer, Abgehängter und Vergessener geschickt zu Nutze und haben auf diese Weise beängstigende politische "Erfolge".

Gewiss: Die Europäische Union hat zahlreiche Fehler gemacht. Sie hat die Staaten in eine breite Welle schädlicher Privatisierungen getrieben und zugleich die soziale Verantwortung sträflich vernachlässigt. Sie reguliert den Krümmungswinkel von Bananen, bringt aber keine aufeinander abgestimmte Steuerpolitik zustande. Wer aber demokratische Kontrolle – so bei den Freihandelsabkommen – missachtet, zugleich aber die drängenden Probleme wie die Jugendarbeitslosigkeit in Europa nicht in den Griff bekommt, verliert Vertrauen.

Falsch ist es aber, alle Schuld der EU in die Schuhe zu schieben. Nur gemeinsam können wir in Europa die Probleme in den Griff bekommen. Das ist schwierig, nicht immer leicht zu durchblicken, aber unumgänglich. Populisten hingegen gaukeln ihre Lösungskompetenz nur vor. Sie haben den Menschen in Wirklichkeit nichts zu bieten außer Krisen und Frust. Auch die deutsche Öffentlichkeit sollte sich von der Kampagne gegen "korrupte und unfähige" Politiker nicht einlullen lassen. Die Suche nach Ausgleich, die Lösung komplizierter Interessengegensätze und Ansichten ist nicht verwerflich sondern notwendig. Populismus fängt nicht erst bei der AFD an, sondern bereits bei der Art und Weise, wie hier beispielsweise in Internetforen herumgepöbelt wird.